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Nach einer kurzen Phase der Entspannung zwischen der Regierung und der islamistischen Boko Haram in dem westafrikanischen Land stehen die Zeichen wieder auf Sturm: Allein in den vergangenen Wochen kamen 200 Menschen bei Anschlägen oder Kämpfen um.
Abuja/Wien - Irgendwann Mitte September muss etwas schief gelaufen sein. Seither vergeht in Nigeria kaum ein Tag ohne Bombenanschläge, Schussattentate und Blutvergießen. Entweder die Task Force aus Polizei und Militär geht gegen Stützpunkte der Boko Haram vor. Oder die islamistische Sekte ihrerseits richtet schwere Massaker an. Allein in den vergangenen vier Wochen waren an die 200 Todesopfer zu beklagen.
Dabei standen die Signale zwischenzeitlich auf Entspannung: Die Regierung in Abuja und die "nigerianischen Taliban" hatten sich Ende August auf inoffizielle Gespräche eingelassen. Reuben Abati, der Sprecher von Präsident Goodluck Jonathan, erklärte damals: "Wir wollen besser verstehen, was die Beschwerden dieser Personen sind und was wir tun können, um diese Krise zu beenden." Wenige Wochen zuvor hatte auch der Vorsteher der großen Moschee in Abuja, Yayaha Abubakar, im Standard-Gespräch in der nigerianischen Hauptstadt begrüßt, dass die Regierung einen Gesprächskanal mit den "unislamisch handelnden" Boko-Haram-Aktivisten aufbaue.
Allein: Dieser Kanal blieb kaum vierzehn Tage offen.
Das mag auch deswegen der Fall gewesen sein, weil der Konflikt in Nigeria, das von einer Grenze zwischen christlich-animistischen und muslimischen Gebieten wie von einem Äquator durchzogen wird, nicht nur religiöse Hintergründe hat. In einem im Frühsommer verfassten internen Bericht für Brüssel schreiben die EU-Botschafter in Abuja: "Die Sekte benutzt die Religion, um Spannungen zu erhöhen und das Land zu destabilisieren. Aber: Religion ist nicht die Quelle dieses Konfliktes." Hohe Jugendarbeitslosigkeit sei ein fruchtbarer Boden für Radikalisierung, genauso wie das Gefühl der Marginalisierung im Norden. Dazu kämen ethnische Spannungen, Kämpfe um Land und Weiderechte oder politische Diskriminierung.
Präsident Jonathan bestätigte das zuletzt, in dem er zwar das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte pries, aber auch erklärte: "Es ist ebenso wichtig, die landwirtschaftliche Produktion, Jobchancen und westliche Erziehung in den nördlichen Gebieten zu fördern. Und es ist wichtig, die indirekten Gespräche zu führen."
Boko-Haram-Führer Abubakar Shekau entgegnete postwendend via Videobotschaft: "Wir haben diesen Dialog nie gesucht. Es wird keinen Frieden geben, solange wir angegriffen werden." Danach sprachen wieder die Bomben. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 12.10.2012)
Abuja/Wien - Irgendwann Mitte September muss etwas schief gelaufen sein. Seither vergeht in Nigeria kaum ein Tag ohne Bombenanschläge, Schussattentate und Blutvergießen. Entweder die Task Force aus Polizei und Militär geht gegen Stützpunkte der Boko Haram vor. Oder die islamistische Sekte ihrerseits richtet schwere Massaker an. Allein in den vergangenen vier Wochen waren an die 200 Todesopfer zu beklagen.
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Dabei standen die Signale zwischenzeitlich auf Entspannung: Die Regierung in Abuja und die "nigerianischen Taliban" hatten sich Ende August auf inoffizielle Gespräche eingelassen. Reuben Abati, der Sprecher von Präsident Goodluck Jonathan, erklärte damals: "Wir wollen besser verstehen, was die Beschwerden dieser Personen sind und was wir tun können, um diese Krise zu beenden." Wenige Wochen zuvor hatte auch der Vorsteher der großen Moschee in Abuja, Yayaha Abubakar, im Standard-Gespräch in der nigerianischen Hauptstadt begrüßt, dass die Regierung einen Gesprächskanal mit den "unislamisch handelnden" Boko-Haram-Aktivisten aufbaue.
Allein: Dieser Kanal blieb kaum vierzehn Tage offen.
Das mag auch deswegen der Fall gewesen sein, weil der Konflikt in Nigeria, das von einer Grenze zwischen christlich-animistischen und muslimischen Gebieten wie von einem Äquator durchzogen wird, nicht nur religiöse Hintergründe hat. In einem im Frühsommer verfassten internen Bericht für Brüssel schreiben die EU-Botschafter in Abuja: "Die Sekte benutzt die Religion, um Spannungen zu erhöhen und das Land zu destabilisieren. Aber: Religion ist nicht die Quelle dieses Konfliktes." Hohe Jugendarbeitslosigkeit sei ein fruchtbarer Boden für Radikalisierung, genauso wie das Gefühl der Marginalisierung im Norden. Dazu kämen ethnische Spannungen, Kämpfe um Land und Weiderechte oder politische Diskriminierung.
Präsident Jonathan bestätigte das zuletzt, in dem er zwar das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte pries, aber auch erklärte: "Es ist ebenso wichtig, die landwirtschaftliche Produktion, Jobchancen und westliche Erziehung in den nördlichen Gebieten zu fördern. Und es ist wichtig, die indirekten Gespräche zu führen."
Boko-Haram-Führer Abubakar Shekau entgegnete postwendend via Videobotschaft: "Wir haben diesen Dialog nie gesucht. Es wird keinen Frieden geben, solange wir angegriffen werden." Danach sprachen wieder die Bomben. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 12.10.2012)