NPD-Niederlage in Sachsen: Und raus ist sie!
Aus Dresden berichtet Christina Hebel
Spitzenkandidat Szymanski im Landtag: NPD fliegt knapp raus
Die NPD hat den Einzug in Sachsen knapp verpasst - eine empfindliche Niederlage für die Rechtsextremen in ihrer Hochburg, zumal sie Tausende Stimmen an die AfD abgeben müssen. Erledigt sind sie deshalb aber noch nicht.
Holger Szymanski guckt die erste Prognose und Hochrechnung lieber hinter verschlossenen Türen allein, oben im Turm des sächsischen Landtags. Seine Anhänger, zwei Dutzend Funktionäre, Abgeordnete und Gäste, meist junge Männer in Hemd und Anzug, müssen einige Räume weiter Stunden ausharren, bis der NPD-Fraktionschef und Spitzenkandidat am späten Sonntagabend zu ihnen spricht.
Da steht der braune Balken in den Hochrechnungen immer noch auf 5,0 Prozent. Doch Bundesparteichef Udo Pastörs schiebt seinen Mann in Sachsen Richtung Kameras und klopft ihm demonstrativ auf die Schulter.
Zwei Dutzend Funktionäre, Abgeordnete und Gäste applaudieren artig, stoßen mit Sekt an. Pastörs und einige andere stimmen sogar das Steigerlied an: "Glück auf, Glück auf", schallt es über den Flur. Die NPD-Anhänger machen sich Mut. Am Ende sind es 809 Stimmen, die ihnen zum Wiedereinzug fehlen. 4,95 Prozent - eine herbe Niederlage und das in der Hochburg der Rechtsextremen.
Zehn Jahre lang war die Dresdner Fraktion die wichtigste Machtbasis der NPD, ein Ausbildungsbetrieb für Jungfunktionäre aus dem ganzen Bundesgebiet und vor allem Geldquelle. 1,4 Millionen Euro Steuergelder bekam die Fraktion pro Jahr von dem Staat, dessen freiheitlich-demokratische Verfassung sie ablehnt. Damit ist jetzt Schluss, die acht Abgeordneten und rund 40 Mitarbeiter müssen sich neue Jobs suchen.
Vom "Umgruppieren des Personals" spricht Pastörs, wie genau er das machen will, sagt er nicht. Er weiß genau, dass seine Partei den Verlust der Fraktion nicht auffangen kann: Die Bundes-NPD ist finanziell in der Dauerkrise, die einzig verbliebene Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern gut besetzt.
Schrumpfendes Stammklientel
Doch das ist nicht das einzige Problem der NPD, die in zwei Wochen auch in Brandenburg und Thüringen antritt. Die Sachsen-Wahl zeigt den Rechtsextremen ihre Grenzen auf: Zwar sind sie nach wie vor fest verankert, mit einer Stammwählerschaft von immerhin mehr als 80.000 Anhängern im Freistaat. Doch auch die schrumpft, 10.000 ehemalige Wähler blieben dieses Mal zu Hause, selbst in ihren Hochburgen etwa in der Sächsischen Schweiz muss die NPD Verluste hinnehmen: in Reinhardtsdorf-Schöna erreicht sie aber immer noch 16,1 Prozent, im Kurort Rathen 13,5 Prozent und in Sebnitz 15,2 Prozent.
Neue Wähler aber zu gewinnen, schafft die NPD nicht. Protestwähler haben lieber bei der AfD ihr Kreuz gemacht. Die bedient populistische Töne, ist aber weit weg vom Nazi-Schmuddel-Image der NPD, die im Wahlkampf gegen Asylbewerber und Moscheebau hetzte und als Denkzettelpartei offenbar wenig zieht, wie Szymanski zugeben muss. Zumal seine Partei die sozialen Themen vernachlässigt habe - "ein Fehler", wie er sagt.
Die AfD nahm den Rechtsextremen nach Wahlanalysen 13.000 Stimmen. "Das schmerzt", sagt der NPD-Funktionär. Sechs Prozent hatte er als Wahlziel vorgegeben. "Wir werden die AfD vor uns hertreiben", sagt Szymanski, es klingt hilflos. Außerhalb des Parlaments dürfte der NPD das nun kaum gelingen. Übrigbleiben werden wohl allenfalls Pöbeleien wie im Wahlkampf, in dem Funktionäre die AfD unter anderem als "Wurmfortsatz der deutschen Zuwanderungsparteien" bezeichneten.
Gerangel um die Spitze
Die wird es nun wohl verstärkt in Kreistagen und Gemeinderäten in Sachsen zu hören geben. Knapp hundert Mandate hat die NPD dort - bundesweit sind es rund 330 kommunale Vertreter. "Die Sachsen-Wahl ist ein herber Schlag für die NPD, aber am Ende ist sie lange nicht", warnt deshalb Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen. Ihre Initiative beobachtet die Rechtsextremen, berät auch Gemeinden im Umgang mit ihnen. Nach wie vor gebe es die Nazi-Hochburgen im Freistaat, parteiunabhängige Gruppen wie die Freien Kräfte Sachsens oder das Freie Netz. Die Zahl an Übergriffen auf Minderheiten und Andersdenke sei nach wie vor hoch - "das ändert sich nicht, nur weil die NPD aus dem Landtag geflogen ist."
Zumal die Rechtsextremen - einmal wieder - um ihren Kurs ringen werden. Im Spätherbst soll eine neue Spitze gewählt werden. Pastörs, so heißt es aus Vorstandskreisen, wird nicht wieder antreten. Als Kandidat für den Vorsitz ist Frank Franz, der smart auftretende Bundessprecher der Partei, im Gespräch. Den Hardlinern in der NPD, wie dem ehemaligen Parteichef Udo Voigt, wird dessen Kandidatur nicht passen - zu soft tritt ihnen der Bundessprecher der Partei bisher auf. Die Rechtsextremen in Sachsen werden Franz wohl unterstützen, sie versuchen sich seit Jahren als seriöse Kümmerer zu inszenieren.
Wobei Landeschef Szymanski nun ersteinmal andere Sorgen hat. Er muss seine Fraktion abwickeln - und sich nach einem Job umgucken. "Was mit Büchern" könne er sich wieder vorstellen, hatte der 42-Jährige schon im Wahlkampf gesagt. Vielleicht werde er sein Internetantiquariat wieder aufmachen. Vor seiner Zeit als Landtagsabgeordneter betrieb er einen Handel mit Werken zur sächsischen Geschichte, Schwerpunkt: die Zeit zwischen 1933 und 1945.
NPD in Sachsen: Rechtsextremisten erleiden herbe Niederlage - SPIEGEL ONLINE
Sehr gut, das beschleunigt den Untergang dieser Partei
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