DZEKO
Besa Bese
Von der Weihnachtsfeier ins Bordell
Experten warnen: Die Zwangsprostitution mit Mädchen aus Osteuropa nimmt auch in Deutschland weiter zu. Zu den Kunden zählen in dieser Jahreszeit gern auch ansonsten brave Deutsche. Die Strafen sind viel zu lasch.
Das Elend in ihrem Leben begann für Sweta mit 14. Sie wohnte bei ihrer Oma, ihre Mutter war psychisch krank und konnte sich nicht um ihre Tochter kümmern. "Meine Großmutter sperrte mich immer wieder in einen Raum. Mit Männern. Ich konnte nichts tun", berichtet Sweta. Dann habe Großmutter allen Verwandten erzählt, was für ein schlechtes Mädchen sie sei. "Die ganze Familie hat mich verstoßen. Und Großmutter hat mich an meinen Lehrer verkauft."
Bei Alisa begann der Absturz mit einem Traumjob. Ein flüchtiger Bekannter versprach ihr ihn. Verkäuferin in Spanien, glänzend bezahlt. Er brachte sie nach Barcelona. Dort nahm er ihr den Pass weg, vergewaltigte sie und wollte sie auf den Straßenstrich zwingen. Als sie sich weigerte, verprügelte er sie. Nach einer Woche gab sie auf. Auch weil er drohte, obszöne Fotos, zu denen er sie gezwungen hatte, an die Eltern zu schicken. Zu essen bekam sie wenig, alles Geld der Freier musste sie abliefern. Zur Polizei, deren Sprache sie nicht sprach, traute sich Alisa nicht.
Frauenhandel ist lukrativ
Zwei Schicksale junger Frauen, die jetzt auf einer Diskussionsveranstaltung der Hilfsorganisation Care in Berlin geschildert worden sind. Sweta und Alisa leben heute in Bosnien, im "Lara-Frauenhaus" von Mara Radovanovic, das sie nach dem Ende des Bosnien-Krieges gegründet hat und misshandelten Frauen und Mädchen Schutz bietet. Die Adresse bleibt streng geheim, denn die Mädchenhändler drohen der Frau mit Rache, die ihren brutalen Mädchenhandel, unterstützt von Care, stört.
"Das ist ein lukratives Geschäft", klagt die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, Sprecherin der Grünen für Osteuropa, "das bis in höchste politische Kreise auf dem Balkan hineinreicht." Die moralische Zerstörung durch den Balkankrieg wirke bis heute nach im Mädchenhandel aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Albanien. Justiz und Strafverfolgung funktionierten gegen den Mädchenhandel nicht. Im Kosovo reiche die Korruption bis in die Regierung des Landes. "Es gibt dort noch immer keinen verlässlichen Rechtsstaat." Montenegro sei fest in der Hand der Mafia.
"Die Balkanpolitik der EU," so ihr Fazit, "ist kein Ruhmesblatt. Vielmehr ein Resonanzboden für Kriminalität – vor allem für Zwangsprostitution gegen Frauen." Und oft genug seien UN-Blauhelmsoldaten führende Täter. Meist sind die Opfer zwischen 12 und 16 Jahre jung. Mara Radovanovic berichtet von einer 13-Jährigen, die bei hohen Politikern in Bosnien zur Prostitution gezwungen und dabei gefilmt wurde. Mit den Filmen wurden die Politiker dann erpresst.
Schwester Lea Ackermann von der Organisation Solwodi, die Frauen hilft, die als Opfer von Menschenhändlern und Sextouristen nach Deutschland gekommen sind, liefert Zahlen über den boomenden Mädchenhandel: Allein bei ihrer Organisation haben 2009 1164 Zwangsprostituierte Hilfe gesucht. 403 dieser Frauen kamen vom Balkan.
Heike Rudat, Kriminaldirektorin im Berliner Dezernat für Rotlichtkriminalität und Organisierte Kriminalität, berichtete auf der Care-Veranstaltung, dass 2009 vom Bundeskriminalamt offiziell 710 Opfer von Zwangsprostitution registriert wurden – davon kam rund die Hälfte aus osteuropäischen Staaten. Von den 777 Tatverdächtigen stammte ein Drittel vom Balkan. Rudat wies darauf hin, dass es sich um Fälle handelte, bei denen Anklage erhoben werden konnte. "Aber wir sind sicher, dass es doppelt so viele Fälle des Mädchenhandels gibt, bei denen aber aus Mangel an Beweisen keine Anklage erhoben werden konnte."
Der Hintergrund dieser Dunkelziffern ist nach Meinung von Christal Morehouse von der Bertelsmann-Stiftung: "Die Angst vor Rache ist bei den Frauen größer als der Glauben an Schutz." Schwester Ackermann ergänzt: "Die Täter kommen in Deutschland viel zu gut weg, oft mit läppischen Strafen auf Bewährung."
Nachfrage nach jungen Mädchen
Dabei wird von den Menschenhändlern mit beispielloser Brutalität gearbeitet. Oft versprechen sie ihren Opfern, sie könnten in der Bundesrepublik in drei Monaten 10.000 Euro verdienen, vor allem in Model- und Künstleragenturen. Nach der Ankunft werden dann die Mädchen sofort vergewaltigt. Wer sich wehrt, wird geprügelt oder mit einer zerschlagenen Glasflasche vergewaltigt.
Heike Rudat berichtet, dass nach dem Mauerfall schlagartig die Zahl der Frauen aus dem osteuropäischen Bereich gestiegen sei, die die Frauen aus Asien ersetzten. Die "Nachfrage" auf dem Bordellmarkt fordere immer jüngere Mädchen, oft seien die Opfer noch Kinder. Die Freier missachteten Kondome und suchten daher aus Angst vor Aids ganz junge Frauen. Allenfalls zehn Prozent des Geldes dürften die Zwangprostituierten behalten, oft stünden sie 16 Stunden unter Drogen, würden brutal geschlagen oder es werde ihnen mit Rachakten an den Eltern in der Heimat gedroht.
"Die Brutalität wächst", sagt die Kriminalbeamtin. Auf Amtshilfe aus den Herkunftsländern sei kaum zu rechnen. "Eine nicht korrupte Polizei im Osten ist selten." Und für die nächsten Wochen gibt sie eine für Deutschland beschämende Prognose: "Viele der Weihnachtsfeiern in den Betrieben enden im Bordell."
Zwangsprostitution: Von der Weihnachtsfeier ins Bordell - Panorama | STERN.DE
Experten warnen: Die Zwangsprostitution mit Mädchen aus Osteuropa nimmt auch in Deutschland weiter zu. Zu den Kunden zählen in dieser Jahreszeit gern auch ansonsten brave Deutsche. Die Strafen sind viel zu lasch.
Das Elend in ihrem Leben begann für Sweta mit 14. Sie wohnte bei ihrer Oma, ihre Mutter war psychisch krank und konnte sich nicht um ihre Tochter kümmern. "Meine Großmutter sperrte mich immer wieder in einen Raum. Mit Männern. Ich konnte nichts tun", berichtet Sweta. Dann habe Großmutter allen Verwandten erzählt, was für ein schlechtes Mädchen sie sei. "Die ganze Familie hat mich verstoßen. Und Großmutter hat mich an meinen Lehrer verkauft."
Bei Alisa begann der Absturz mit einem Traumjob. Ein flüchtiger Bekannter versprach ihr ihn. Verkäuferin in Spanien, glänzend bezahlt. Er brachte sie nach Barcelona. Dort nahm er ihr den Pass weg, vergewaltigte sie und wollte sie auf den Straßenstrich zwingen. Als sie sich weigerte, verprügelte er sie. Nach einer Woche gab sie auf. Auch weil er drohte, obszöne Fotos, zu denen er sie gezwungen hatte, an die Eltern zu schicken. Zu essen bekam sie wenig, alles Geld der Freier musste sie abliefern. Zur Polizei, deren Sprache sie nicht sprach, traute sich Alisa nicht.
Frauenhandel ist lukrativ
Zwei Schicksale junger Frauen, die jetzt auf einer Diskussionsveranstaltung der Hilfsorganisation Care in Berlin geschildert worden sind. Sweta und Alisa leben heute in Bosnien, im "Lara-Frauenhaus" von Mara Radovanovic, das sie nach dem Ende des Bosnien-Krieges gegründet hat und misshandelten Frauen und Mädchen Schutz bietet. Die Adresse bleibt streng geheim, denn die Mädchenhändler drohen der Frau mit Rache, die ihren brutalen Mädchenhandel, unterstützt von Care, stört.
"Das ist ein lukratives Geschäft", klagt die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, Sprecherin der Grünen für Osteuropa, "das bis in höchste politische Kreise auf dem Balkan hineinreicht." Die moralische Zerstörung durch den Balkankrieg wirke bis heute nach im Mädchenhandel aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Albanien. Justiz und Strafverfolgung funktionierten gegen den Mädchenhandel nicht. Im Kosovo reiche die Korruption bis in die Regierung des Landes. "Es gibt dort noch immer keinen verlässlichen Rechtsstaat." Montenegro sei fest in der Hand der Mafia.
"Die Balkanpolitik der EU," so ihr Fazit, "ist kein Ruhmesblatt. Vielmehr ein Resonanzboden für Kriminalität – vor allem für Zwangsprostitution gegen Frauen." Und oft genug seien UN-Blauhelmsoldaten führende Täter. Meist sind die Opfer zwischen 12 und 16 Jahre jung. Mara Radovanovic berichtet von einer 13-Jährigen, die bei hohen Politikern in Bosnien zur Prostitution gezwungen und dabei gefilmt wurde. Mit den Filmen wurden die Politiker dann erpresst.
Schwester Lea Ackermann von der Organisation Solwodi, die Frauen hilft, die als Opfer von Menschenhändlern und Sextouristen nach Deutschland gekommen sind, liefert Zahlen über den boomenden Mädchenhandel: Allein bei ihrer Organisation haben 2009 1164 Zwangsprostituierte Hilfe gesucht. 403 dieser Frauen kamen vom Balkan.
Heike Rudat, Kriminaldirektorin im Berliner Dezernat für Rotlichtkriminalität und Organisierte Kriminalität, berichtete auf der Care-Veranstaltung, dass 2009 vom Bundeskriminalamt offiziell 710 Opfer von Zwangsprostitution registriert wurden – davon kam rund die Hälfte aus osteuropäischen Staaten. Von den 777 Tatverdächtigen stammte ein Drittel vom Balkan. Rudat wies darauf hin, dass es sich um Fälle handelte, bei denen Anklage erhoben werden konnte. "Aber wir sind sicher, dass es doppelt so viele Fälle des Mädchenhandels gibt, bei denen aber aus Mangel an Beweisen keine Anklage erhoben werden konnte."
Der Hintergrund dieser Dunkelziffern ist nach Meinung von Christal Morehouse von der Bertelsmann-Stiftung: "Die Angst vor Rache ist bei den Frauen größer als der Glauben an Schutz." Schwester Ackermann ergänzt: "Die Täter kommen in Deutschland viel zu gut weg, oft mit läppischen Strafen auf Bewährung."
Nachfrage nach jungen Mädchen
Dabei wird von den Menschenhändlern mit beispielloser Brutalität gearbeitet. Oft versprechen sie ihren Opfern, sie könnten in der Bundesrepublik in drei Monaten 10.000 Euro verdienen, vor allem in Model- und Künstleragenturen. Nach der Ankunft werden dann die Mädchen sofort vergewaltigt. Wer sich wehrt, wird geprügelt oder mit einer zerschlagenen Glasflasche vergewaltigt.
Heike Rudat berichtet, dass nach dem Mauerfall schlagartig die Zahl der Frauen aus dem osteuropäischen Bereich gestiegen sei, die die Frauen aus Asien ersetzten. Die "Nachfrage" auf dem Bordellmarkt fordere immer jüngere Mädchen, oft seien die Opfer noch Kinder. Die Freier missachteten Kondome und suchten daher aus Angst vor Aids ganz junge Frauen. Allenfalls zehn Prozent des Geldes dürften die Zwangprostituierten behalten, oft stünden sie 16 Stunden unter Drogen, würden brutal geschlagen oder es werde ihnen mit Rachakten an den Eltern in der Heimat gedroht.
"Die Brutalität wächst", sagt die Kriminalbeamtin. Auf Amtshilfe aus den Herkunftsländern sei kaum zu rechnen. "Eine nicht korrupte Polizei im Osten ist selten." Und für die nächsten Wochen gibt sie eine für Deutschland beschämende Prognose: "Viele der Weihnachtsfeiern in den Betrieben enden im Bordell."
Zwangsprostitution: Von der Weihnachtsfeier ins Bordell - Panorama | STERN.DE