Stimme dem grundsätzlich zu. Wenn ein Land, das aus mehreren Teilen besteht, nicht mehr als einheitliches Land funktioniert, dann sollten sich diese Teile abspalten dürfen. Man sollte aber als Politiker und Bürger jenes Landes immer bemühen, das Land zusammenzuhalten, ausser es gibt eine gravierende demokratische und menschenrechtsverletzende Situation. Und hier kommen wir zum Kosovo.
Die Zahlen stimmen schon, aber was hat das genau mit einer potenziellen Unabhängigkeit zu tun? Im Kanton Tessin sprechen 87 % Italienisch und trotzdem gehört dieser Teil dem schweizerischen Gesamtstaat. Wieso? Weil die politischen und gesellschaftlichen Rechte der Tessiner respektiert werden. Wie du siehst, kann man Staaten nicht einfach eins zu eins miteinander vergleichen. Auch nicht den Kosovo mit der Srpska. Die Serben haben in Bosnien und Herzegowina alle Rechte, die es nur gibt. Es gibt überhaupt keine Benachteiligung gegenüber den Bosniaken oder den Kroaten. Sie haben sogar einen eigenen Teilstaat und sind quasi unabhängig, also autonom. Bei den Albanern im Kosovo war das in den Neunzigern überhaupt nicht der Fall. Und wenn du die kosovarische Geschichte nicht kennst, dann solltest du dich darüber informieren, bevor du solche Vergleiche ziehst.
Grundsätzlich sollten also die Menschen in der Srpska entscheiden dürfen, ob sie unabhängig werden wollen oder nicht. Aber gleichzeitig sollte man wissen, dass das sowohl der Föderation als auch der Srpska schaden würde. Es gäbe nur Verlierer. Oder kann mir jemand einen Nutzen von dieser Unabhängigkeit nennen?
Nun ja, du hast schon Recht. Das ist heuchlerisch. Aber man sollte hier die westliche Politik- und Gesellschaftsvorstellungen (Demokratie, Menschenrechte, etc.) nicht mit nationalen Wirtschafts- und Strategieinteressen der USA vermischen. Ich finde, man sollte schon so clever sein und einsehen, dass Washington D. C. schon immer eigene Ziele verfolgt hat. Nichtsdestotrotz sollte man nicht den Fehler machen und den Westen als heuchlerisch und doppelmoralisch generalisieren. So etwas bringt niemandem etwas.
Wie gesagt, solche Vergleiche mit anderen Ländern finde ich sinnlos. Jede Region hat ihre eigene Vergangenheit und ihre eigene Konstellation. Und ich schätze, dass «die slawischen Länder» es «dem Westen» heimzahlen wollen und nun gleiches Recht für alle fordern. Das ist verständlich. Das kann man auch machen. Aber man muss sich wirklich fragen, ob es sinnvoll ist, wenn sich letztendlich jedes Dorf für unabhängig erklären würde. Ich persönlich halte Grenzen für überflüssig und bin für einen Weltstaat. Aber von so etwas sind wir mindestens noch 100 Jahre entfernt, glaube ich. Aber wenn es Grenzen schon gibt, sollte man sie nicht nur aus purem Nationalismus ziehen. In Kosovo ist das nicht geschehen. In Kosovo wurde die albanische Mehrheitsbevölkerung von der serbischen Minderheitsbevölkerung und ihrer «Mutter» Serbien unterdrückt, ihnen wurden nicht dieselben Rechte gewährt. Milosevic verschlimmerte alles und wenn er nicht gewesen wäre, wäre der Kosovo heute vielleicht ein autonomer Teil Serbiens. Wer weiss? Aber was hat Milosevic gemacht? Er hat sich purem Nationalismus bedient. Und purer Nationalismus bringt immer nur Negatives mit sich.