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Iran sieht sich mit einer neuen Welle der Unruhen konfrontiert. Viele vergleichen sie mit dem Aufbegehren von 2009, dem ersten Aufstand gegen die muslimischen Kleriker seit deren Machtübernahme 30 Jahre zuvor.
2009 marschierten Menschenmassen durch die Straßen Teherans und anderer Städte und protestierten gegen die Wiederwahl des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad als Präsident, die nach Ansicht der Opposition manipuliert war. Reformer führten die Demonstrationen an. Millionen Menschen protestierten in den kommenden Monaten – wurden zur „Grünen Bewegung“.
Die Reaktion des iranischen Establishments unter Ajatollah Ali Chamenei war brutal: Die paramilitärischen Revolutionsgarden und die Basidsch-Miliz, eine freiwillige Hilfspolizei, gingen mit Härte gegen die Demonstranten vor. Tausende wurden festgenommen, Dutzende getötet oder gefoltert.
Heute scheinen die Unruhen relativ unorganisiert, spontan, und werden von der Wut genährt, die angesichts schlechter wirtschaftlicher Aussichten und hoher Arbeitslosigkeit herrscht. Seit vergangenem Donnerstag starben mindestens 21 Menschen bei Protesten. Ohne eine feste politische Bewegung hinter den Demonstrationen nennen die Teilnehmer die Unruhen lediglich „Proteste Überall“.
2009 fanden die wichtigsten Proteste in Irans größten Städten, darunter Teheran, Täbris, Isfahan und Schiras, statt. Jetzt kommt es eher in mittelgroßen Städten und kleinen Orten zu Demonstrationen. Die Teilnehmerzahl ist kleiner, jeweils sind es Hunderte, maximal 1000 Menschen. Dafür haben sie bereits mehr Orte erreicht als vor fast neun Jahren. Der erste Protest brach in Maschhad aus, einer konservativen Hochburg. Demonstriert wurde gegen einen jüngsten Preisanstieg für Geflügel und Eier. Die kleineren Gemeinden, in denen es zur Aufruhr kam, leiden besonders unter der schlechten Wirtschaft, viele junge Menschen sind arbeitslos.
Auslöser der Proteste mag zwar Wut über Missstände in der Wirtschaft und Korruption gewesen sein, die Demonstranten richteten ihre Kritik aber schnell gegen Chamenei und die Islamische Republik insgesamt. Es geht ihnen nicht um Reformen, sondern sie lehnen die Regierungselite ab. Im Vergleich zu 2009 ist das ein dramatischer Wandel: Damals hatten die Protestierenden konkrete Forderungen – statt Ahmadinedschad sollte Mir Hussein Mussawi das Präsidentenamt antreten. Es sollte Schluss sein mit der Unterdrückung durch Sicherheitskräfte.
Während die Forderungen damals im Rahmen des politischen Systems blieben, zeigen Videos der Demonstranten heute, wie diese „Tod dem Diktator“ singen. Sie verlangen ein Ende der fast 40 Jahre alten Islamischen Republik. Diese aktuelle Entwicklung ist für die iranische Führung gefährlich. Schließlich legt sie offen, dass viel mehr Menschen als bloß die „verwestlichte“ Elite in den Städten frustriert sind.