Das eigentliche Problem an der Ukraine-Krise besteht für die meisten darin, daß es keine "Guten" gibt.
Auf der einen Seite steht der Westen, also unsere eigenen Regierungen und Staaten, mithin unsere gemeinschaftlichen Interessen, auch wenn nicht jeder einzelne davon profitiert. Wir sehen Ukrainer in Kiew, die mit ihrer Regierung unzufrieden sind, mit einer Regierung, mit der wir auch unzufrieden wären, und sie stürzen diese Regierung. Sie fordern Freiheit und Demokratie, das unterstützen wir reflexartig. Auf der anderen Seite ist es aber natürlich auch tatsächlich so, daß der Osten der Ukraine mit diesem Umsturz und der neuen Richtung nicht einverstanden war. Die offizielle Regierung der Ukraine ist nicht aus einer demokratischen Wahl hervorgegangen, folglich auch durch nichts legitimiert. Selbst der neue Präsident ist zwar gewählt, aber in wesentlichen Teilen des Landes konnte gar keine ordnungsgemäße Wahl durchgeführt werden. Und mit seiner Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine hat der Westen eine rote Linie für Moskau überschritten. Deutsche Einheit?- Ok. EU- und NATO-Beitritt der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten? Zähneknirschen, aber ok. EU- und NATO-Beitritt der baltischen Staaten (die einmal Teil der UdSSR waren und nach wie vor eine große russische Minderheit beherbergen)?- Mit geballter Faust in der Tasche ok. Nun aber, wo der Westen nach der Ukraine greift, einem großen, bevölkerungs- und rohstoffreichen Land unmittelbar an der russischen Grenze, Wiege der russischen Kultur und immer schon mehr als autonome Region, denn als souveränen Staat empfunden, ist die Geduld erschöpft. Die Krim wurde im Handstreich "heim ins Reich" geholt, weitere Gebiete (Neu-Rußland) können folgen. Völkerrechtlich ist und bleibt es aber eine Annexion.
Auf der anderen Seite steht eben Rußland mit Vladimir Putin, dem Busenfreund unseres Ex-Bundeskanzlers. Putin, Ex-Geheimdienstler und Freund der martialischen Posen, dessen Demokratieverständnis nach unseren Vorstellungen eben doch nicht so lupenrein ist und der innenpolitisch schon immer die harte Linie fährt, ist niemand, der mit seinem kalten Blick die Herzen der Europäer erwärmt. In der Vergangenheit war er ein harter, aber immerhin verläßlicher und berechenbarer Partner, nun aber scheint er vollkommen durchzudrehen. Dabei bleibt er sich selbst eigentlich treu und vertritt das, was er für das Interesse, das BERECHTIGTE Interesse Rußlands hält. Dabei mischt er sich vehement in die inneren Angelegenheiten eines Nachbarlandes ein. Fairerweise muß man an dieser Stelle bemerken, daß Afghanistan, Syrien, Libyen und der Irak eigentlich nicht im strengen Sinne zu unseren Nachbarstaaten gehören, was aber niemanden davon abhält, dort massiv zu intervenieren. Aber anders als die Russen haben wir natürlich keinerlei niedere Beweggründe, wie bspw. wirtschaftliche Interessen oder strategische Interessen. Wir handeln ausschließlich im Namen der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte. Oder nicht?
Hier kämpft dunkelgrau gegen dunkelgrau, es gibt kein schwarz und kein weiß. Aber das gute daran ist: wir müssen keine dezidierte Meinung zu der Angelegenheit entwickeln, auf uns hört sowieso niemand...