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Extreme Infektionsraten
Russland hat ein furchterregendes Aids-Problem
HIV breitet sich in Russland derzeit schneller aus als in Afrika: Doch das tödliche Virus wird von der Gesellschaft geächtet, verdrängt und tabuisiert.
Kaum Medikamente, kein Geld, zu wenig Aufklärung: Im Kampf gegen den tödlichen Aids-Erreger gilt Russland als Entwicklungsland. „Die Regierung tut nichts“, schimpft Alexander Sawizki.
Der kräftige Mann ist selbst betroffen - schon seit zwölf Jahren lebt der 37-Jährige mit der Infektion. Wie so viele HIV-Patienten in Russland hat sich der einst Drogenabhängige mit einer verseuchten Nadel infiziert.
Nun will er helfen. Für die private Gesamtrussische Vereinigung HIV-infizierter Menschen reist er quer durch das Riesenreich, erklärt, gibt Ratschläge, schult Therapeuten. „Vor allem auf dem Land haben die Leute keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen“, sagt Sawizki.
Der Aktivist sitzt in einem Moskauer Café und rührt in seinem doppelten Espresso. Er ist - auch angesichts der Tabuisierung – einer der wenigen, die selbst die Initiative ergreifen. Klar und sachlich schildert er die Lage der Betroffenen, seine rechte Hand ist immer in Bewegung, tiefe Furchen ziehen sich durch sein Gesicht.
HIV wird von der Gesellschaft geächtet. Wer HIV-positiv sei, habe kaum Hoffnung auf eine Arbeitsstelle, erzählt Wadim Pokrowski vom Föderalen Anti-Aids-Zentrum.
Die Infektion ist in dem russisch-orthodox geprägten Land nach wie vor ein Tabu. „Aufklärung über „Safer Sex“ wird von den offiziellen Instanzen nicht gerne gesehen“, erklärt Pokrowski. „Die Nutzung von Kondomen widerspricht den Maßnahmen der Regierung zur Geburtenerhöhung. Stattdessen propagieren Politiker lieber traditionelle religiöse Werte wie „Kein Sex vor der Ehe“.“
Die Zahlen zeichnen ein verheerendes Bild
Die Regierung hat das Problem allerdings erkannt. Regierungschef Wladimir Putin forderte eine langfristige Strategie. Betroffen sind vor allem junge Leute, rund 70 Prozent der Infizierten sind jünger als 30 Jahre. Leistungsträger drohen wegzubrechen - eine Katastrophe angesichts der immensen demografischen Probleme.
Aktivisten schätzen, dass von 141 Millionen Einwohnern in Russland mehr als eine Million Menschen mit HIV infiziert sind. Täglich stecken sich etwa 150 Menschen mit dem Virus an, vermutet das Föderale Anti-Aids-Zentrum.
„Was die Geschwindigkeit angeht, mit der sich HIV bei uns ausbreitet, so sieht es inzwischen schlechter aus als in Afrika“, warnte Pokrowski schon vor einem Jahr. Hingegen spricht die Regierung von insgesamt gut 500.000 Kranken.
Auch in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken breitet sich das Virus rasant aus. Einen unrühmlichen Rekord hält die Ukraine: In keinem anderen Land Europas ist nach Angaben von UNAIDS – dem HIV/Aids-Programm der Vereinten Nationen - die Neuinfektionsrate so hoch wie im Austragungsland der Fußball-Europameisterschaft 2012.
Die Hafenstadt Odessa gilt als Aids-Hauptstadt Europas. Von etwa einer Million Einwohnern tragen Schätzungen zufolge 150.000 Menschen das Virus in sich. In der offiziellen Statistik tauchen lediglich 11.000 Infizierte auf.
Größtes Problem ist der Geldmangel. Vor zwei Jahren ist Russland aus dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ausgestiegen, mit dem die Vereinten Nationen weltweit Anti-Aids-Projekte unterstützen.
Nun kommt das meiste Geld für den Kampf gegen Aids vom Staat, doch es reicht bei weitem nicht. Bis Ende 2011 könnten lediglich bis zu 100.000 Menschen antivirale Präparate erhalten, sagt Wadim Pokrowski.
Zugleich fordert er: „Die Ausgaben für Informationskampagnen zu HIV und Aids müssen deutlich erhöht werden.“ Alexander Sawizki hingegen erwartet keine Hilfe mehr von der Regierung. „Sie haben gesagt: Wir kümmern uns selbst darum. Aber das ist nicht wahr.“
Mehr dazu:
Extreme Infektionsraten: Russland hat ein furchterregendes Aids-Problem - Nachrichten Gesundheit - WELT ONLINE
Russland hat ein furchterregendes Aids-Problem
HIV breitet sich in Russland derzeit schneller aus als in Afrika: Doch das tödliche Virus wird von der Gesellschaft geächtet, verdrängt und tabuisiert.
Kaum Medikamente, kein Geld, zu wenig Aufklärung: Im Kampf gegen den tödlichen Aids-Erreger gilt Russland als Entwicklungsland. „Die Regierung tut nichts“, schimpft Alexander Sawizki.
Der kräftige Mann ist selbst betroffen - schon seit zwölf Jahren lebt der 37-Jährige mit der Infektion. Wie so viele HIV-Patienten in Russland hat sich der einst Drogenabhängige mit einer verseuchten Nadel infiziert.
Nun will er helfen. Für die private Gesamtrussische Vereinigung HIV-infizierter Menschen reist er quer durch das Riesenreich, erklärt, gibt Ratschläge, schult Therapeuten. „Vor allem auf dem Land haben die Leute keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen“, sagt Sawizki.
Der Aktivist sitzt in einem Moskauer Café und rührt in seinem doppelten Espresso. Er ist - auch angesichts der Tabuisierung – einer der wenigen, die selbst die Initiative ergreifen. Klar und sachlich schildert er die Lage der Betroffenen, seine rechte Hand ist immer in Bewegung, tiefe Furchen ziehen sich durch sein Gesicht.
HIV wird von der Gesellschaft geächtet. Wer HIV-positiv sei, habe kaum Hoffnung auf eine Arbeitsstelle, erzählt Wadim Pokrowski vom Föderalen Anti-Aids-Zentrum.
Die Infektion ist in dem russisch-orthodox geprägten Land nach wie vor ein Tabu. „Aufklärung über „Safer Sex“ wird von den offiziellen Instanzen nicht gerne gesehen“, erklärt Pokrowski. „Die Nutzung von Kondomen widerspricht den Maßnahmen der Regierung zur Geburtenerhöhung. Stattdessen propagieren Politiker lieber traditionelle religiöse Werte wie „Kein Sex vor der Ehe“.“
Die Zahlen zeichnen ein verheerendes Bild
Die Regierung hat das Problem allerdings erkannt. Regierungschef Wladimir Putin forderte eine langfristige Strategie. Betroffen sind vor allem junge Leute, rund 70 Prozent der Infizierten sind jünger als 30 Jahre. Leistungsträger drohen wegzubrechen - eine Katastrophe angesichts der immensen demografischen Probleme.
Aktivisten schätzen, dass von 141 Millionen Einwohnern in Russland mehr als eine Million Menschen mit HIV infiziert sind. Täglich stecken sich etwa 150 Menschen mit dem Virus an, vermutet das Föderale Anti-Aids-Zentrum.
„Was die Geschwindigkeit angeht, mit der sich HIV bei uns ausbreitet, so sieht es inzwischen schlechter aus als in Afrika“, warnte Pokrowski schon vor einem Jahr. Hingegen spricht die Regierung von insgesamt gut 500.000 Kranken.
Auch in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken breitet sich das Virus rasant aus. Einen unrühmlichen Rekord hält die Ukraine: In keinem anderen Land Europas ist nach Angaben von UNAIDS – dem HIV/Aids-Programm der Vereinten Nationen - die Neuinfektionsrate so hoch wie im Austragungsland der Fußball-Europameisterschaft 2012.
Die Hafenstadt Odessa gilt als Aids-Hauptstadt Europas. Von etwa einer Million Einwohnern tragen Schätzungen zufolge 150.000 Menschen das Virus in sich. In der offiziellen Statistik tauchen lediglich 11.000 Infizierte auf.
Größtes Problem ist der Geldmangel. Vor zwei Jahren ist Russland aus dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ausgestiegen, mit dem die Vereinten Nationen weltweit Anti-Aids-Projekte unterstützen.
Nun kommt das meiste Geld für den Kampf gegen Aids vom Staat, doch es reicht bei weitem nicht. Bis Ende 2011 könnten lediglich bis zu 100.000 Menschen antivirale Präparate erhalten, sagt Wadim Pokrowski.
Zugleich fordert er: „Die Ausgaben für Informationskampagnen zu HIV und Aids müssen deutlich erhöht werden.“ Alexander Sawizki hingegen erwartet keine Hilfe mehr von der Regierung. „Sie haben gesagt: Wir kümmern uns selbst darum. Aber das ist nicht wahr.“
Mehr dazu:
Extreme Infektionsraten: Russland hat ein furchterregendes Aids-Problem - Nachrichten Gesundheit - WELT ONLINE