Wie Russland den Balkan aufkauft
21.11.2007 | 18:25 | ERICH RATHFELDER UND HELMAR DUMBS (Die Presse)
Im Schatten der Kosovo-Krise baut Moskau seinen Einfluss in Serbien und Bosnien aus, nun auch wirtschaftlich.
Sarajewo/Belgrad/Wien. Die Bevölkerung Bosniens ist nervös: Viele Menschen denken, es stehe ein neuer Krieg bevor. In den Supermärkten kommt es zu Hamsterkäufen von Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Öl. Supermärkte nutzen die Gunst der Stunde, für Butter muss man schon über 50 Prozent mehr bezahlen als vor wenigen Tagen.
„Wenn das so weiter geht, will ich nichts wie weg,“ sagt eine Ärztin in Sarajewo. Die jüngsten Spannungen haben zu einer Hysterie geführt. Bosniens Serben blockieren die Institutionen und drohen mit einem Austritt aus dem Gesamtstaat. Hilfe erhalten sie nicht nur aus Belgrad, sondern auch aus Moskau. Noch geht Russland nicht bis zum Letzten. Am Mittwoch hat es immerhin im UN-Sicherheitsrat einer Verlängerung des EU-Polizeieinsatzes in Bosnien zugestimmt.
[h2]Demos unter Putin-Bildern[/h2]
Die Krise wurde durch einen Erlass des Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft ausgelöst, der eine Reform der Zentralregierung angestoßen hatte. Die Möglichkeiten einer Blockade durch die Vertreter der Volksgruppen sollten erschwert werden. Das traf vor allem die serbische Seite.
Milorad Dodik, Premier des serbischen Teilstaats, wies die serbischen Minister an, aus der Regierung des Gesamtstaats auszutreten, tausende Serben demonstrierten Luka unter Putin-Bildern. Haris Silajdziz, Repräsentant der Bosniaken im Staatspräsidium, erklärte der „Presse“, es werde von Serbien und Russland eine „künstliche Krise“ erzeugt, um wegen der Kosovo-Entscheidung mit der Abspaltung der Republika Srpska zu drohen.
Richard Holbrooke, US-Spitzendiplomat während der Balkan-Kriege der 90er-Jahre, fordert eine feste Haltung Europas gegenüber den serbisch-russischen Ambitionen. Holbrooke deutete in einem Interview an, dass von Russland auch Geld nach Banja Luka geflossen sei. Schon seit einiger Zeit wundert sich die Bevölkerung, wie es möglich ist, dass Dodik mit dem Gehalt eines Premiers eine Villa in Belgrad bauen kann. Und die umgerechnet 40 Mio. Euro für den Ausbau eines repräsentativen Regierungssitzes in Banja Luka, der am Mittwoch eröffnet wurde, ist mit dem sehr knappen Budget kaum zu finanzieren.
Dafür hat eine russische Firma die Raffinerie in Bosanski Brod gekauft. Preis und nähere Umstände für den Kauf der größten Raffinerie des Landes liegen im Dunkeln. Wer diese Geschäfte kritisiert, lebt gefährlich. Vor zehn Tagen bezahlte ein Beamter in Banja Luka, der sich mit Korruption beschäftigte und viele Mitglieder der politischen Führung beschuldigte, seine Tätigkeit mit dem Leben.
Seit sich Serbien offenbar sicher ist, dass Moskaus seine Unterstützung in der Kosovo-Frage nicht zurückzieht, ist auch hier eine stärkere Orientierung auf den großen „slawischen Bruder“ zu beobachten. Das Interesse an engeren wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland sei im letzten halben Jahr „signifikant gestiegen“, sagt Tijana Jocic, Österreichs stellvertretende Handelsdelegierte in Belgrad: „Kein Tag, an dem die Zeitungen nicht über mögliche russische Investitionen berichten.“
[h2]Oligarch Favorit für Kupfermine [/h2]
In Zahlen sah es bisher ja eher bescheiden aus (siehe Kasten). Russlands Anteil könnte jedoch bald steigen: So laufen Verhandlungen über den Verkauf der serbischen Fluggesellschaft JAT an die Aeroflot. Der Oligarch Oleg Deripaska gilt zudem hinter vorgehaltener Hand als Favorit für die Privatisierung der Kupfermine RTB Bor. Auch bei anstehenden Privatisierungen im Energie-Bereich dürfte Russland kräftig mitmischen, selbst wenn die staatliche Ölgesellschaft NIS vorerst nicht ganz verkauft wird. Und es gibt Pläne über einen serbischen Arm der South Stream-Pipeline, über die Gas von Russland in den Westen fließen soll.
Und in Montenegro hat Moskau längst die besten Küstenabschnitte gesichert. Dass dabei auch Geld gewaschen wird, kümmerte die Regierung bisher wenig.
Eastconomist, S. 25