Also gut, wir können uns jetzt bis zum "letzten Atemzug" beschuldigen wer von uns einseitiger diesen unlösbaren Nahost-Konflikt niederschreibt, letztendlich ist es wie bei allen Autoren, Historikern und im Allgemeinen mit den Dokumenten; ganz gleich, wie streng man sich der Wissenschaft als Disziplin objektiv verpflichtet fühlt, kein Werk ist frei von seinen eigenen Erfahrungen, Interessen und Vorlieben. Ob wir jetzt der "Wahrheit" ein Stück näher kommen nur die Leute zu befragen die in ihrem Mikrokosmos unfreiwillig dem ganzen Krieg ausgesetzt sind, wage ich zu bezweifeln oder würdest du da eine objektive Antwort auf den Jahrzehnte langen Konflikt bekommen wenn jemand seine jahrelangen Erfahrungen aus einem Bunker und Ruinen mitteilt? Ansonsten würde es kein heutiger Historiker beispielsweise jemals wieder wagen was über die Gräueltaten während des Nationalsozialismus zu schreiben, da er objektiv gesehen keinen Tag in einem menschenunwürdigen KZ verbracht hat und somit analog auch kein Recht hat die Umstände niederzuschreiben.
Rhetorisch gefragt: Würden wir zwei als unbedeutende User eines für die Welt unbedeutenden Forum einen Stück näher kommen, wenn wir anstatt Apartheid von Besatzungspolitik sprechen würden? Streng genommen, Gebiete die Israel seit 1967 besetzt hält, haben viele Namen und der Punkt ist, deren Verwendung hängt im Prinzip nur von der politischen Gesinnung ab: wenn man nur pro-palästinensisch ist spricht man von "Palästina", wenn man im Allgemeinen links orientiert ist spricht man von "besetzten Gebieten", wenn man eher Sympathien für die jüdischen Rechte pflegt dann spricht man von "Judää und Samaria" und die sogenannten Neutralen sprechen dann eher von "verwalteten Gebieten".
Besatzung an sich hat völkerrechtlich gesehen auch seine Gesetze, und das Land müsse nach dem Völkerrecht bestimmte Verpflichtungen gegenüber dem Gebiet und den Menschen nachkommen. Du wirst zwei unabhängige und mit starken Argumenten ausgerüstete Juristen finden die das Haager Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs und die längere, vierte Genfer Konvention aus 1949 anders interpretieren werden, bzw. je nachdem welche Seite man verteidigt und als Laie will ich da gar nicht mitsprechen wollen. Was ich damit sagen will, es gibt so viele Aspekte die nicht mit "unseren" einfachen Erklärungen beantwortet werden können und trotzdem nehmen wir uns das Recht, den Konflikt verstehen zu wollen.
Gehen wir wieder auf diejenigen (oder wie du sagt, den allermeisten) zurück, die Israel beschuldigen, ein Apartheidstaat zu sein. Ich bin überzeugt, dass viele Leute die Besatzungspolitik mit Apartheid verwechseln, bewusst oder unbewusst, spielt auch keine Rolle. Zum Beispiel hat die israelische Armee ein von den Holländern finanziertes Projekt im Westjordanland entlang des Jordans demontiert, einschliesslich Werkzeugen und Schuppen. Das landwirtschaftliche Projekt, in das die Holländer ca. 10 Millionen Euro steckten, sah vor, den Palästinensern beizubringen, wie sie das Land für den Anbau ihrer eigenen Feldfrüchte nutzen können. Das ist ein einfaches Beispiel für Besatzung und Unterdrückungspolitik, aber nicht für Apartheid. Die Mauer (und das ist nicht von mir zynisch verharmlost), die Israel gebaut hat, ist eher eine "Trennungsmauer" als eine "Apartheidmauer" - sie wurde gebaut, um Palästinenser und Israelis aus politischen und sicherheitspolitischen Gründen nach Selbstmordattentaten gegen israelische Zivilisten zu trennen, nicht zum Zweck der ethnischen Diskriminierung. In ähnlicher Weise investiert Israel nicht in "Gebiet C", wo Palästinenser unter voller israelischer militärischer und ziviler Kontrolle leben, aber das ist das Wesen eines Besatzungsstaates. Ein Besatzer investiert einfach nicht in ein besetztes Gebiet. Israel diskriminiert diese Palästinenser nicht wegen ihrer ethnischen Herkunft oder der Farbe ihrer Haut, sondern weil es ihr Land begehrt.
Nochmals, Israel hat sicherlich Gesetze, die diskriminierend sind, aber solche Gesetze machen es nicht automatisch zu einem Apartheidstaat, institutionelle Diskriminierung gibt es auch hier im Westen. In einigen jüdischen Vierteln praktizieren Israelis Wohnungsdiskriminierung, wo Araber keine Häuser mieten oder kaufen dürfen, aber diese sind de facto, nicht de jure, und ergeben sich aus dem sozialen Verhalten. Das Gleiche wird von Palästinensern praktiziert, die solche Dinge als Verbrechen betrachten, auf die die Todesstrafe steht. Grob gesagt, im israelisch-palästinensischen Konflikt geht es nicht um Rassentrennung, sondern um militärische Besatzung. Was die Palästinenser fordern, ist nicht ein Ende der Rassentrennung, sondern ein Ende der militärischen Besatzung und die Anerkennung der palästinensischen Ansprüche auf Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Eigenstaatlichkeit.
Zu HRW: diese Organisation ist keine moralische, fehlerfreie und vor allem keine höchste Instanz die jetzt ein "gottgegebenes" Kriterium dafür sein sollte, ihren Berichten blind zu folgen. Erst vor kurzem kam raus, dass diese "unabhängige" Organisation auch schon Spenden Gelder von saudischen Geschäftsmännern erhalten haben soll, nachdem man über die Zwang-Arbeitspraktiken dokumentiert hatte. Besonders interessant finde ich die Tatsache, dass sich HRW bei kriegerischen Handlungen des Israels nur für die Art und Weise interessiert, wie sie geführt werden, nicht aber, warum es überhaupt zu ihnen kommt. Vor allem seit dem letzten grösseren Gaza-Krieg aus 2014 gab es mehrere Sonderberichte zu israelischen Menschenrechtsverletzungen; parallel zum Iran erschienen in diesem Zeitraum lediglich knapp einer oder zwei, zu Nordkorea komischerweise kein einziger oder bilde ich mir das nur ein?
Nochmals. Es ist keine Verharmlosung wenn ich davon spreche, dass die Apartheid ein staatlich erzwungenes nationales System der Rassendiskriminierung war, das sich in einer Reihe von unterdrückerischen Gesetzen manifestierte, die darauf abzielten, die Menschenrechte einer ganzen Rasse auszulöschen - liess dir mal die "Population Registration Act", "Group Areas Act" und der "Separate Amenities Act" oberflächlich durch und vergleiche nochmals diese Gesetze mit denjenigen aus Israel und zeige mir die Parallelen auf.
Zu deiner Kritik der angeblichen Diskriminierung der Einwanderung: Die Erleichterung der jüdischen Einwanderung war natürlich der Hauptzweck der Gründung eines jüdischen Staates, wie es in der durch die UN-Resolution im Jahr 1947 verabschiedet wurde. Das Gesetz der Rückkehr ist daher nicht nur voll und ganz mit dem Völkerrecht vereinbar, sondern erfüllt den ausdrücklichen Wunsch der internationalen Gemeinschaft. Das internationale Recht erkennt die Legitimität der Berücksichtigung Geschichte bei der Rechtsgestaltung in diesem Bereich zu berücksichtigen.
Andere Staaten haben ähnliche Gesetze erlassen. Zum Beispiel, Jordanien einen zur Verwaltung und zum Verkauf des Eigentum von Juden, die aus Etzion, Jerusalem, Neve Yaakov und anderen Orten, die während des arabisch-israelischen Krieges 1948 von Jordanien erobert wurden, zu verwalten und zu verkaufen. Tatsächlich wurden viele Gesetze nach Kriegen auf der ganzen Welt erlassen. Zum Beispiel in Indien (rühmt sich als grösste Demokratie der Welt zu sein), wo pakistanisches Land, das im Krieg von 1965 gewonnen wurde, an den Staat übertragen wurde. Im Falle Israels wurde das Gesetz 1950 verabschiedet, um mit grossen unbewohnten Gebieten in einem kleinen, neu gegründeten Land, das um die Integration eines massiven Zustroms von Einwanderer zu integrieren. Das Gesetz enthält Bestimmungen zur Entschädigung für die Geflüchteten - bis 1993 wurden an die zehntausende Araber entschädigt. Die israelische Regierung sieht weiterhin vor dass die Araber, die 1948 vertrieben worden sind (Nakba) und ihre Erben, die die noch keine Entschädigung für ihr aufgegebenes Eigentum erhalten haben, Entschädigung im Rahmen einer friedlichen Beilegung des Beilegung des Nahostkonflikts entschädigt werden.
Es ist wichtig, sich an den Kontext zu erinnern, in dem dieses Gesetz erlassen wurde. Nach Israels Gründung weigerten sich die arabischen Nachbarn, Israel anzuerkennen oder Frieden zu schliessen. Unter diesem Zustand der kalten Feindschaft zwischen dem jungen jüdischen Staat und seinen Nachbarn, mit berechtigten Ängsten vor Einkreisung, konnte Israel denjenigen, die während des Unabhängigkeitskrieges geflohen waren, nicht zurückkehren und realpolitisch gesehen gab es da nicht viele Optionen.
Man vergisst auch oder lässt es aussen vor, dass es zu diesem Zeitpunkt drei Flüchtlingskrisen gab, nicht nur eine. Zusätzlich zu den palästinensischen Arabern, die durch den Krieg vertrieben wurden, musste Israel Hunderttausenden von Flüchtlingen ein neues Zuhause geben, die den Holocaust in Europa überlebt hatten, als auch Hunderttausende von Juden aufnehmen, die verfolgt oder aus arabischen Ländern vertrieben wurden, darunter aus Jemen, Irak, Ägypten, Marokko und Libyen, wo sie in der Regel ihren Besitz und ihre Staatsbürgerschaft entzogen wurden, ohne Hoffnung auf Restitution. In dem Jahrzehnt nach dem Krieg von 1948 wurden mehr als 800.000 Juden aus arabischen Ländern von Israel aufgenommen. Trotz seiner dürftigen Ressourcen und seiner geringen Grösse nahm Israel all diese Flüchtlinge als Bürger des neuen jüdischen Staates auf. Es musste jede verfügbare Ressource nutzen, um dies zu bewerkstelligen, einschliesslich verlassenes arabisches Eigentum. Kriege sind nie fair und Zivilisten trifft es immer an härtesten.
Zu deiner Kritik in punkto Wasser, dass Israel angeblich den Palästinensern im Westjordanland wegnimmt, bzw. dass es nach Israel oder zu israelischen Siedlern umleitet.
Israel wird beschuldigt mehr als seinen gerechten Anteil am Grund-Wasserleiter im Westjordanland zu entnehmen und die Palästinenser absichtlich verdursten zu lassen.
Ganz wichtig und ganz simple: Wasser respektiert keine von Menschen gemachten Grenzen. Es ist eine Ressource, über die man nur sehr schwer "Besitzansprüche" erheben kann: Ströme verlaufen oft durch Grenzen. In den meisten Ländern der Welt gibt es bilaterale oder multilaterale Abkommen, die regeln, wie dieses Wasser geteilt wird. In Ermangelung eines Abkommens über den endgültigen Status ist dies in Israel nicht zustande gekommen. Es ist auch erwähnenswert, dass Israel diese Wasserressource 1967 nicht "erobert" hat. Die Juden nutzten Wasser aus diesem Becken seit den 1920er Jahren, und es gab keine Änderung in Israels Wassernutzung nach 1967. Während des Osloer Friedensprozesses wurde ein bilaterales israelisch-palästinensisches "Water Committee" gegründet. Das Komitee dient der Überwachung der Wassernutzung auf beiden Seiten und der Genehmigung von neue Wasserprojekte. Unter dieser Konstellation hat Israel mehr Wasser an die Palästinensische Autonomiebehörde geliefert, als die Oslo Abkommen für einen vollwertigen palästinensischen Staat forderte. Unter 1967 waren nur ein paar von etwa 700 palästinensischen Städten und Dörfern Dörfer an ein fliessendes Wassernetz angeschlossen; als Ergebnis israelischer Investitionen stieg diese Zahl bis in die Neunziger Jahre schon auf mehrere hunderte. Bis heute haben mehr als 95 Prozent der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland Zugang zu fliessendem Wasser. Während Palästinenser weniger Wasser verbrauchen als Israelis, wird das Ausmass dieser Diskrepanz oft übertrieben.
Ausserdem hat die Palästinensische Autonomiebehörde es versäumt in Wasser-Aufbereitungsanlagen zu investieren, weil sie nicht mit israelischen Siedlungen kooperieren So weigerte sie sich, die palästinensische Städte im nördlichen Teil Westjordanlands an eine israelische Abwasserleitung anzuschliessen, weil die Leitung auch mehrere israelische Siedlungen versorgt. Sie lehnte auch eine geplante Kläranlage ab, die sowohl palästinensische Städte als auch eine israelische Siedlung versorgen würde. Wie bei so vielen Themen ist Wasser ein angespanntes Gebiet der Debatte zwischen Israelis und Palästinensern - und es gibt berechtigte und es gibt legitime Beschwerden auf palästinensischer Seite, absolut - aber das Osloer Wasserregime als "Apartheid" zu bezeichnen, ist völlig unzutreffend. Generell wird Wasser im 21. Jahrhundert mehr im Fokus heranrücken, nicht nur im Nahen Osten.
Zu guter letzt, warum zieht sich Israel nicht einfach aus dem Westjordanland zurück oder was gibt es da noch zu verhandeln? Einfach ausgedrückt: Wenn Israel "einfach rausgeht" kommt der Iran "einfach rein". - Um dich daran zu erinnern: Israel ist vor mehr als 20 Jahren aus einer von ihm kontrollierten Sicherheitszone im Südlibanon im Jahr 2000 abgezogen und es gibt jetzt schon knapp unter 100.000 Raketen, die auf Israel gerichtet sind, in den Händen des iranischen Stellvertreters, der Hisbollah. - Israel hat sich 2005 aus dem Gazastreifen "zurückgezogen" und mehrere tausend Raketen wurden seitdem aus dem Streifen auf israelische Zivilisten abgefeuert. Diese Raketen werden immer stärker. Vor Jahren kam heraus, dass Iran "Farj-Raketen" geliefert hat und diese können problemlos grossen Schaden in Tel Aviv und Jerusalem errichten und das hochgelobte Irone Dome zum "Schweigen bringen". Einfach aus dem Westjordanland zu verschwinden, ohne jegliche Sicherheitsgarantien zu verlassen, wäre wegen der Topographie des Landes ausserordentlich riskant. Das Westjordanland ist das strategisch kritische Hochland, dass Israels schmale Küstenebene überblickt, wo der Grossteil der Bevölkerung, der Industrie sowie der der einzige grosse internationale Flughafen liegt. Einseitiger Rückzug aus dem Hochland des Westjordanlandes könnte die Übernahme, bzw. die Umwandlung eines palästinensischen Staates in eine iranisch versorgte Raketenbasis von der aus Raketen auf die israelischen Städte regnen könnten die entlang der schmalen Küstenebene aufgereiht sind.