Das ist wiederholt ein Beitrag von dir, der sich in Relativierungen wühlt, von wesentlichen Punkten der Diskussionsthematik ablenkt und meint mit der eigenen, subjektiven Meinung die Welt richtig einzuordnen. Es ist exakt das gleiche Diskussionsmuster wie von Hardlinern, die ihre relativierenden Kernaussagen diplomatisch umschreiben und anderen gleichzeitig Einseitigkeit vorwerfen können bei einer völlig außer Acht gelassenen palästinensischen Realität seit nun 70 Jahren.
Woran bitteschön machst du dir fest ein Urteil zu erlauben, dass Apartheid im Zusammenhang mit Israel nicht nur "falsch" ist und von allen außer dir natürlich "missverstanden" wird, wenn:
- der 6. Premier Südafrikas, der als Architekt der Apartheid-Ideologie gilt, Hendrik Verwoerd sich schon 1961 in der UN wie folgt äußert, nachdem der junge Staat Israel gegen die südafrikanische Apartheidpolitik positioniert hat:
"Israel is not consistent in its new anti-apartheid attitude ... they took Israel away from the Arabs after the Arabs lived there for a thousand years. In that, I agree with them. Israel, like South Africa, is an apartheid state.".
- der südafrikanische Menschrechtler Desmond Tutu, der für seinen Kampf gegen die Apartheid 1984 den Friedensnobelpreis erhalten hat,
bei Israel von einem Apartheid-Staat spricht und er selbst die Lage der Palästinenser mit den Schwarzen in Südafrika vergleicht.
- Delegierte ANC-Veterane bei einem Besuch 2008 im Westjordanland davon sprechen, dass die vorherrschenden Bedingungen teilweise noch schlimmer waren als Apartheid. Die südafrikanische Menschenrechtsanwältin Fatima Hassan sagt,
dass die Situation in Westjordanland noch schlimmer wäre als was sie als nicht-weiße in Südafrika während der Apartheid erlebt haben.
- der in Südafrika geborene israelisch-jüdische Anti-Apartheid-Aktivist Benjamin Pogrund, ein persönlicher Freund Nelson Mandelas, der sich früher vehement gegen Vergleiche zwischen seiner Wahlheimat und seinem Geburtsland gewehrt hat ("Anyone who knows what apartheid was, and who knows Israel today, is aware of that. Use of the apartheid label is at best ignorant and naïve and at worst cynical and manipulative"), räumt nun ein, dass er die Apartheid-Realität im Westjordanland nicht länger leugnen kann:
"At least it has been a military occupation. Now we are going to put other people under our control and not give them citizenship. That is apartheid. That is an exact mirror of what apartheid was in South Africa".
- gar der Staatsgründer Israels Ben-Gurion 1967 davor gewarnt hat:
"Israel better rid itself of the territories and their Arab populations as soon as possible. If it did not Israel would soon become an Apartheid State."
- Sigmar Gabriel, der als deutscher Politiker, zur Zeit seiner Äußerung Kanzlerkandidat der SPD, wahrscheinlich wie kein anderer fast täglich immer wieder erneut gebrieft wird, wie man sich als deutscher Politiker zu Israel zu äußern hat, sprach nach seinem Besuch von Hebron 2012 von einem "Apartheits-Regime", von der er sich sofort entschuldigen musste. Ähnlich erging es John Kerry, der nach seiner Apartheid-Äußerung im Zusammenhang mit Israel sich sofort öffentlich entschuldigt hat. Vorgestern wurde der französische Botschafter in Israel einbestellt, weil sich der französische Außenminister gewagt hat nach 70 Jahren vor einer Apartheid in Israel zu warnen.
Nochmal, weder war ich jemals in meinem Leben in Israel, noch in den palästinensischen Gebieten unterwegs. Und ich würde mir selbst dann nicht anmaßen mir ein eigenes Urteil zu erlauben, wenn ich diese Länder besucht hätte. Jahrzehntelange Besatzung sowie Unabhängigkeitskampf lässt sich nicht durch ein dreiwöchigen Sommerurlaub verstehen. Während dein Beitrag so wirkt, als wäre ich der einzige und erste, der den Umgang Israels mit Palästinensern als Apartheid bezeichnet, beschuldigt Human Right Watch in einem über 200-Seiten langen Bericht Israel seit diesem Jahr Apartheidverbrechen gegen die Palästinenser zu verüben - eine Quelle, aus der man gerne zitiert hat, wenn es um russische Eingriffe in die Pressefreiheit und syrische Menschenrechtsverletzungen ging.
Daher ein weiteres mal, Apartheid ist international definitiert als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Südafrika stellt explizit kein Präzedenzfall hierfür dar. Dein Argument, Apartheit im Zusammenhang mit Israel verharmlost die Situation der Schwarzen in Südafrika bleibt deine eigene Sichtweise und erinnert an die Diskussionen um Srebrenica, dass 8.000 Tote im Vergleich zu anderen Genoziden ja kein Völkermord sein können und es deshalb weniger schlimm war. Selbst Yitzhak Rabin, auf den ich gleich zu sprechen komme, hat 1976 davor gewarnt, dass ihre geförderte Siedlungspolitik zum Apartheid-Staat bedingt. Menachem Begin, ein Rechtsradikaler, der 1946 mit einem Sprengstoffanschlag 91 Menschen in die Luft gejagt hat und mit derartiger Vita 1977 isrealischer Premier wurde, äußerte sich in dem Jahr vor dem Knesset, dass indem Palästinensern die isrealische Staatsbürgerschaft verwehrt bleibt,
Israel drohe zu einem Rhodesien zu werden.
So, wer sind wir jetzt, weil wir drölf Bücher über Israel und Südafrika gelesen haben und am toten Meer schwimmen waren, diesen hochrangingen Politikern, Menschenrechtlern und Organisationen zu erklären, sie haben "Apartheid" missverstanden. Es ist Südafrika selbst, dass seit 2018 keinen Botschafter mehr in Tel Aviv stellt, weil es dem Land diese Verbrechen vorwirft. Willst du jetzt auch den Südafrikanern erklären, dass das die Apartheid verharmlost?
"Zu den herausragenden Apartheidmerkmalen der israelischen Besatzung gehören die folgenden: Vorzugsbürgerschaft, Visitations- und Aufenthaltsgesetze und Praktiken, die Palästinenser, die im Westjordanland oder im Gazastreifen leben, daran hindern, ihr Eigentum zurückzuerobern oder die israelische Staatsbürgerschaft zu erwerben, im Gegensatz zu einem jüdischen Rückkehrrecht, das Juden überall auf der Welt, ohne vorherige Bindung an Israel, berechtigt Israel zu besuchen, dort zu wohnen und israelische Staatsbürger zu werden. Unterschiedliche Gesetze im Westjordanland und in Ostjerusalem begünstigen jüdische Siedler, die dem israelischen Zivilrecht und dem Verfassungsschutz unterliegen, im Gegensatz zu palästinensischen Bewohnern, die von der Militärverwaltung regiert werden. Doppelte und diskriminierende Vorkehrungen für die Freizügigkeit im Westjordanland und von und nach Jerusalem zu reisen. Diskriminierende Politik in Bezug auf Landbesitz, Besitzanspruch und Nutzung von Land; weitgehende Belastung der palästinensischen Bewegung, einschließlich der Kontrollpunkte, die unterschiedliche Beschränkungen für Palästinenser und israelische Siedler vorsehen, und lästige Genehmigungs- und Identifizierungsanforderungen, die nur für Palästinenser gelten. Strafende Hausabrisse, Vertreibungen und Beschränkungen bei der Ein- und Ausreise aus allen drei Teilen der besetzten palästinensischen Gebiete.“ - Richard Falk, US-amerikanischer Völkerrechtler jüdischer Herkunft, und Sonderberichterstatter der UN für die Lage der Menschenrechte in Gaza und Westjordanland.
Nebenbei gemerkt, deine ständig erwähnten Drusen machen etwas mehr als einen ganzen Prozent der Menschen in Israel aus, wofür wir sie jetzt nicht missbrauchen müssen für Schönrednerei und Relativierungen. Das ist ungefähr genauso sinnlos, wie über die goranische Minderheit (bei den der ein oder andere mit serbischen Polizistren kooperierte) zu Zeiten Milosevics im Kosovo zu reden bloß um in diesem Schrecken etwas positives hervorzuheben, daher bleiben wir bei den zwei wesentlichen Gruppen.
Auch sind deine Anmerkung, dass Gaza "vollständig unter der Kontrolle der Hamas steht" ist regelrecht zynisch. Wer kontrolliert was in Gaza gebaut wird und was nicht? Wer kontrolliert welche Waren Ein- und Ausgehen dürfen? Wer kontrolliert den Personenverkehr und ihre Grenze zu Ägypten? Warum gibt es dann keinen Flughafen oder kein Hafen, wenn Gaza doch vollständig unter der Kontrolle der Hamas steht? Selbst die USA, als Sicherheitsgarant der Israelis, hat sich festgelegt, dass Westjordanland und Gaza von Israel besetzt sind. Anders als unter der Trump-Administration, wo noch die Rede von Israel, Westbank und Gaza war, verwendet die Regierung unter Biden die Bezeichnung "Israel und die besetzten Gebiete".
Aber bleiben wir doch bei der Äußerung von Menachem Begin. Etwa 2 Millionen Palästinenser sind isreaelische Staatsbürger. Genauso viele sind aussichtslos in Gaza gefangen und noch mehr leben allein als Jordanien staatenlos als Vertriebene. 3 Millionen Palästinensern im Westjordanland sind keine Bürger Israels. Jetzt wirst du sicherlich sagen, dass das Westjordanland sich ja selbst administriert. Wir reden beim Westjordanland aber von einem eingeschränkten Rechtssubjekt innerhalb der Gewaltstruktur Israels analog zu den sogenannten Bantustans in Südafrika für die Schwarzen. Nicht nur das die Palästinenser im Westjordanland unter einem anderen Rechtssystem als die Siedler leben, es herrscht auch eine grundlegend andere Einstellung zu ihrem Besitztümern und Ländereien. Palästinensisches Land kann beschlagnahmt werden - jüdisches Land nicht. Juden ist es erlaubt von Israel nach Westjordenland einzureisen. Palästinenser im Ausland können ihre Heimat de facto nur über den Umweg über Jordanien erreichen, aber nicht über den Flughafen in Tel Aviv. Die Erlaubnis einen Flughafen zu betreiben wird den Palästinensern nicht gewährt. Zu deiner erwähnten Mauer, die du als Zaun verharmlosen willst. Dieser elektrische Zaun beansprucht auf beide Seiten eine 70 Meter breite Sperrzone für sich. Auch die USA haben und bauen eine Mauer zu Mexiko. Nur steht dieser in den USA, während die israelische Sperranlage auf dem Gebiet der Palästinenser gebaut wurde.
Jeden Juden auf der Welt steht das Recht zu israelischer Staatsbürger zu werden, völlig gleichgültig ob sie aus den USA, Australien, der Ukraine oder Südafrika stammen, und Land vertriebener Palästinenser zu erwerben. Ein Palästinenser kann nichteinmal durch Heirat mit einem israelischen Staatsbürger die israelische Staatsangehörigkeit erhalten. Für israelische Araber regelmäßig ein riesiges Problem, da der Aufenthalt ihres Partners in Israel illegal wäre und diese Einwanderungspolitik darauf hinaus zielt, dass der israelische Araber aus Israel verschwindet.
Auch machst du dir als jemand der hier qualitative Beiträge schreiben will keinen Gefallen damit das schwarz-weiß Bild eines kulanten Israelis und kompromisslosen Palästinensers zu pflegen. Der als Palestine Papers bekannte Leak von über 1.700 Dokumenten geheimer Verhandlungen zwischen Israel und palästinensischen Vertretern von den Jahren 1999 bis 2010 macht nämlich deutlich, wer hier wen Zugeständnisse gemacht hat und wer hier wen blockiert. So waren es die Palästinenser unter Abbas, die neben an Israel angrenzenden Siedlungen zusammen mit Ost-Jerusalem und seinen direkt angrenzenden Siedlungen an die Israelis abgegeben und Israel damit das größte Jerusalem der Geschichte ermöglicht hätten vorgeschlagen haben für einen eigenen palästinensischen Staat. Im Gegenzug bot Israel keine Zugeständnisse an sondern einen noch aggresiveren land swap, der Abbas auf eine Karte, die er nicht mitnehmen oder kopieren durfte. Die Verhandlungen wurden mit der Wahl Netanjahus abgebrochen, weil er meinte, die Palästinensern zu großzügig gewesen zu sein.
"I understand the sentiments of the Palestinians when they see the settlements being built. The meaning from the Palestinian perspective is that Israel takes more land, that the Palestinian state will be impossible, the Israel policy is to take more and more land day after day and that at the end of the day we'll say that it is impossible, we already have the land and cannot create the state" - Tzipi Livni, Verhandlungsführerin der Israelis, zum palästinensischen Gegenpart.
Das ist übrigens der Vorschlag Netanjahus an die Palästinenser, der weiterhin einen von Siedlungen zerfressenes Westjordanland sieht, welcher im Gegenzug zu den fruchtbaren, wasserreichen Böden des Jordan Wüstenflächen des Negev erhält und als Enklave überlebensfähig sein soll. Auf die weiteren Befugnisse Israels in diesem palästinensischen "Staat" will ich nicht weiter eingehen.