20.01.2005
Abbas erzielt Teilerfolg bei Radikalen der Fatah-Bewegung
Al-Aksa-Brigaden kündigen Einstellung der Operationen in Israel an - Neuerlicher Anschlag gießt Öl ins Feuer
Bei der größten Militäraktion seit Wochen zerstörte Israels Armee am Dienstag in Nablus (Westjordanland) zwei Häuser und nahm 13 Hamas-Leute fest.Von Ben Segenreich aus Tel Aviv
Sind die radikalen Palästinensergruppen wirklich keinesfalls für eine Waffenruhe zu haben, oder soll das Trommelfeuer von Selbstmordanschlägen und Raketensalven nur den politischen Preis erhöhen, den der neue Autonomiechef für ein Abkommen bezahlen soll? Während Mahmud Abbas in Gaza versuchte, auf dem Verhandlungsweg seine Autorität durchzusetzen, dachten Politiker und Kommentatoren in Israel laut über eine lange Wiederbesetzung von Teilen des Gazastreifens nach.
Eine Demonstration von Bürgern des grenznahen israelischen Städtchens Sderot, in dessen Straßen täglich Kassam-Raketen einschlagen, hatte am Dienstag landesweit Sympathie erweckt und Premier Ariel Sharon in Zugzwang gebracht: Abbas "braucht keine Zeit zum Einarbeiten", sagte Sharon, "er weiß, was im Gelände vorgeht, er kennt alle Kommandanten." Kurz darauf goss ein neuerlicher Anschlag noch Öl ins Feuer, als ein gesuchter Hamas-Mann in der Nähe des Siedlungsblocks Gush Katif aufgegriffen wurde und sich beim Verhör in die Luft sprengte - ein Agent des israelischen Inlandsgeheimdienstes wurde dabei getötet.
Etwa zur gleichen Zeit hatte Abbas an einem geheimen Ort eine erste Gesprächsrunde mit Hamas-Vertretern begonnen. Am Mittwochabend sollte er mit der Führung des "Islamischen Djihad" zusammentreffen, der im Vorfeld den bekannten militanten Ton anschlug: "Wir lehnen den Aufruf zum Waffenstillstand ab", sagte ein maskierter Sprecher einem arabischen Fernsehsender, "wir lehnen es ab, unseren Heiligen Krieg zu beenden."
Zumindest einen Teilerfolg schien Abbas bei den Radikalen in seiner eigenen Fatah-Bewegung erzielt zu haben. "Wir haben die Entscheidung getroffen, dass die Al-Aksa-Brigaden die Operationen in Israel einstellen", verkündete Sakaria Sbeidi, Kommandant der Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden in Jenin. Die Attacken auf israelische Ziele im Westjordanland und im Gazastreifen sollen aber weitergehen.
Trotz der Versicherung der neuen Führung, illegale Waffen würden "eingesammelt", waren am Dienstag noch dutzende bewaffnete Hamas- und Djihad-Leute durch Gaza paradiert. Doch Abbas scheint auch Taten folgen zu lassen: Sein Polizeichef kündigte an, dass hunderte Beamte einer Spezialtruppe an der Grenze zu Israel aufgestellt würden - dort, wo die Raketenwerferkommandos unterwegs sind. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2005)