TEIL 2
Weil man nicht will:
Karadžić weiß zu viel, so wird spekuliert. Er könnte insbesondere Auskunft über geheime Abmachungen mit dem früheren US-Sondergesandten Richard Holbrooke geben. Damit er das nicht tut, lassen die Amerikaner ihn immer wieder entkommen. Verschwörungstheorien werden auf dem Balkan gern geglaubt. Diese aber hat für sich, dass das Ende des bosnischen Krieges noch immer von etlichen Rätseln umgeben ist. Alle Vormärsche von Serben, Muslimen und Kroaten im Jahre 1995 führten auf wundersame Weise dazu, dass ein bestehender Aufteilungsplan, über den sich die Parteien offiziell gar nicht geeinigt hatten, der Verwirklichung näher kam. Die jeweils andere Seite leistete nur symbolisch Widerstand. Auf diese Weise eroberten die Kroaten die Krajina und einen Teil Westbosniens, die Muslime Teile West- und Zentralbosniens und die Serben die ostbosnische Enklave Srebrenica. Dabei ermordeten sie Tausende gefangene Muslime. War Srebrenica ein »Betriebsunfall« bei einem unheimlichen Plan?
Variante 1: Nicht die Amerikaner vereiteln die Festnahme von Karadžić, sondern die Franzosen – eine Variante, die amerikanische Soldaten bei zwei vergeblichen Festnahmeversuchen in Umlauf gebracht haben. In der Tat hat die »serbische Sache« in konservativen französischen Armeekreisen viele Freunde. Beweise für ihren Verdacht haben die Amerikaner bis heute jedoch nicht geliefert.
Variante 2: Die internationalen Truppen in Bosnien verhindern einträchtig die Festnahme, weil sie einen Aufstand der Serben fürchten. Die These hat wenig für sich. In der Republika Srpska herrscht tiefe Depression. Viele andere Festnahmen sind unter schwachen Protesten glimpflich abgegangen.