Saddam-Prozess: Kurdin schildert Giftgas-Angriff im Nordirak
:tb: Dieser Diktator und Menschenhasser musste gestürtzt werden
http://derstandard.at/?url=/?id=2562678
Saddam-Prozess: Kurdin schildert Giftgas-Angriff im Nordirak
Zweites Verfahren gegen den irakischen Ex-Diktator - Gericht tritt am 11. September wieder zusammen
Bagdad - Überlebende der so genannten "Operation Anfal" haben am Mittwoch im Völkermord-Prozess gegen den ehemaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein ausgesagt. Eine Kurdin schilderte ihre Erinnerungen an den Giftgasangriff auf ihr Dorf Ende der 80er Jahre. Die Regierung der autonomen kurdischen Region im Nordirak forderte unterdessen eine Entschädigung für die Opfer der unter Saddam Hussein verübten Verbrechen.
Gestank "nach fauligen Äpfeln"
Der Militäroffensive im Nordirak fielen in den Jahren 1987 und 1988 bis zu 100.000 Kurden zum Opfer. Überlebenden zufolge wurden viele Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Kampfflugzeuge hätten Bomben abgeworfen, danach habe sich Rauch verbreitet, der "nach fauligen Äpfeln" gestunken habe, sagte Adiba Ula Bajes, auf deren Heimatdorf Balisan am 16. August 1987 Kampfflugzeuge Chemiebomben abwarfen.
Ihre Tochter habe über Schmerzen in den Augen, in der Brust und im Bauch geklagt. "Als ich zu ihr gegangen bin, um nachzuschauen, hat sie sich übergeben", erzählte die fünffache Mutter am Mittwoch. "Ich habe sie reingeholt, um ihr Gesicht abzuwaschen, und dann haben sich auch alle meine anderen Kinder übergeben." Die Menschen hätten Blut gespuckt, viele seien erblindet oder hätten Verbrennungen erlitten. "Ich wurde blind, meine Kinder wurden blind und mein Haus wurde bis auf die Grundmauern zerstört."
Todesstrafe
Mit Saddam Hussein sind sechs weitere Vertreter des früheren irakischen Regimes angeklagt, unter anderem sein Cousin Ali Hassan al-Majid, genannt "Chemical Ali". Die Staatsanwaltschaft will die Todesstrafe beantragen. Gegen Saddam läuft bereits ein Prozess wegen des Vorwurfs des Massakers an Schiiten in der Ortschaft Dujail aus dem Jahr 1982. Ein Urteil in dem Verfahren wird für Mitte Oktober erwartet.
Bajes sagte, sie habe infolge des Angriffs zwei Fehlgeburten erlitten und ein drei Monate altes Kind verloren. Kurz nach dem Bombenangriff seien Hubschrauber hinter den in die Berge fliehenden Kurden hergeflogen. "Meine Haut schälte sich, ich erbrach Blut", berichtete die Frau. Sie sprach Kurdisch und trug das traditionelle schwarze Gewand der Volksgruppe. Später seien die Soldaten gekommen und hätten alle Menschen eingesammelt und ohne jede medizinische Versorgung nach Arbil (Erbil) gebracht.
Die kurdische Regionalregierung erklärte, den Opfern müsse Gerechtigkeit widerfahren. "Die Bevölkerung Kurdistans lebt weiter mit dem Erbe des Leidens", hieß es in der Stellungnahme, die am Mittwoch bekannt wurde. Die Regierung müsse die Opfer des Saddam-Regimes entschädigen. Der Prozess wurde auf den 11. September vertagt. (APA/AP/Reuters)