Hier in Deutschland kann es auch passieren, daß man wegen Schwarzfahrens in Knast kommt und dann Vergewaltigt wird!
GEWALTORGIE IN GEFÄNGNIS
Schläge, Folter, Vergewaltigung
Gefängnisskandal in Celle: Zwei Häftlinge quälen, schlagen und missbrauchen einen Mitinsassen. Sein Martyrium dauert Stunden. Nie wieder sollte nach dem Foltermord von Siegburg Ähnliches in einem deutschen Knast geschehen - wie konnte es jetzt doch dazu kommen?
Celle/Lüneburg - "Das war nicht weit zu Siegburg." Es sind dürre und doch unheilschwangere Worte, mit denen Oberstaatsanwalt Bern Kolkmeier die brutale Gewaltorgie in der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor im niedersächsischen Celle bilanziert.
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fängnis in Celle: "Gefährliche Situationen"
Im Januar dieses Jahres quälten, folterten und vergewaltigen dort zwei Insassen einen Mitgefangenen. Der kam am Ende zwar mit dem Leben davon - durchlitt jedoch fünfeinhalb Stunden eines Gewaltexzesses in den Händen seiner Zellenmitbewohner, der erschreckende Parallelen zum sogenannten Foltermord von Siegburg aufweist.
Im Gefängnis in Siegburg in Nordrhein-Westfalen hatten 2006 zwei Insassen ihren Zellengenossen stundendenlang misshandelt und schließlich zum Selbstmord gezwungen. Kein Beamter wollte etwas von dem brutalen Treiben bemerkt haben.
Schock und Entsetzen bestimmten damals die Reaktionen, Maßnahmenkataloge wurden gefordert, Ministerentlassungen verlangt. Die beiden Täter wurden im Oktober 2007 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Ganze drei Monate nach dem Urteilsspruch im Fall Siegburg wiederholten sich im niedersächsischen Salinenmoor die Geschehnisse, als seien die Täter einer festgelegten Dramaturgie gefolgt.
Das Opfer sitzt mehrere Monate - wegen Schwarzfahrens
19. Januar, 20.30 Uhr, in der JVA Salinenmoor - die Strafanstalt machte 1996 bundesweit Schlagzeilen, als die Direktorin bei einer Geiselnahme von einem Häftling vergewaltigt wurde.
Eine der Zellen ist mit drei Insassen belegt, "freiwillig" teilen sich die Männer den Raum, wie es später heißt: Ein 28-Jähriger, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wegen Diebstahls, Nötigung und Körperverletzung, ein 33-Jähriger, der wegen Vermögensdelikten, Erpressung und Körperverletzung sitzt, und ein weiterer 28-Jähriger - er verbüßt eine achtmonatige Freiheitsstrafe wegen Schwarzfahrens. Letzterer habe "von sich aus den Wunsch geäußert", zu den beiden anderen in die Zelle verlegt zu werden, sagte der Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums, Philip Haarmann.
Die beiden ersteren sind offenbar zu ihrem Mitinsassen in Opposition - an dessen "Angewohnheiten", sagt später der Staatsanwalt, störten sich die beiden Männer, "Unstimmigkeiten" wegen der Reinigung der Zelle soll es gegeben haben.
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Zu dieser Stunde, 20.30 Uhr, beginnen die beiden Täter, aus "nichtigem, kaum nachvollziehbaren Anlass", ihren Mitinsassen zu misshandeln. Sie versetzen ihm Schläge - "weit mehr als 50" - und Tritte.
An Kopf, am Hals, im Gesicht weist das Opfer später Verletzungen auf - "in der Summe lebensgefährlich", wie es heißt.
Die beiden Täter reißen schließlich ein Geschirrhandtuch in Streifen, drehen daraus einen Strick. Den versuchen sie ihrem Opfer um den Hals zu legen. Der Misshandelte wehrt sich. Die beiden anderen fordern ihn auf - wie es die Täter in Siegburg mit ihrem Opfer gemacht hatten - sich am Fenster zu erhängen. Der 28-Jährige verweigert sich. Der Gepeinigte versucht offenbar auch, den Zellenalarm zu betätigen - beim Kräfteverhältnis von 2 gegen 1 hat er keine Chance.
Mehrfach-Belegungen: Nicht Ausnahme, sondern Alltag
Der 33-Jährige, der als "Haupttäter" gilt, vergewaltigt das Opfer schließlich, zwingt es, unter Androhung von Schlägen, zu weiteren sexuellen Handlungen. Bis 2 Uhr früh wird das Opfer gequält.
Am nächsten Tag vertraute sich der 28-Jährige einem weiteren Häftling an, ließ sich vom Anstaltsarzt untersuchen - der Fall wird dem Justizministerium in Hannover gemeldet. "Wir haben intensiv ermittelt", sagt Oberstaatsanwalt Kolkmeier.
Gegen die beiden Täter wurde mittlerweile Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben, der 33-Jährige muss sich außerdem wegen Vergewaltigung verantworten.
Die Grünen im niedersächsischen Parlament forderten mittlerweile die Landesregierung auf, die Mehrfach-Belegung von Zellen zur "absoluten Ausnahme" zu machen. Erneut habe sich gezeigt, das dies zu "gefährlichen Situationen führen kann".
Nach dem Foltermord von Siegburg waren für den Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen Reformen angekündigt und eingeleitet worden - dass sich am Alltag in den Gefängnissen wenig geändert hat, gilt als unbestreitbar: Mehrfachbelegungen der Zellen sind weiterhin üblich, es gibt zu wenig Vollzugsbeamte bei steigenden Insassen-Zahlen.
Und Siegburg ist offenbar überall.
pad/AP/dpa
Gewaltorgie in Gefängnis: Schläge, Folter, Vergewaltigung - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Panorama