Vor dem umstrittenen Referendum
Krim-Deutsche wählen Russland
Eine Minderheit von gut 2500 Menschen deutscher Abstammung lebt auf der ukrainischen Halbinsel. Und obwohl deren informeller Chef ein Merkel-Porträt in seinem Büro hat, zieht es die Krim-Deutschen nach Russland - aus Angst vor dem Unbekannten.
Angela Merkel schaut lächelnd von einem Foto zu, wenn Juri Gempel an seinem Schreibtisch in der Krim-Hauptstadt Simferopol sitzt. Aber die Meinung der Bundeskanzlerin ficht den 57-Jährigen jetzt nicht an. "Die deutsche Minderheit wird überwiegend für den Beitritt zu Russland stimmen", meint Gempel. Er muss es wissen - der kräftige Mann ist der Chef der deutschen Gemeinschaft "Wiedergeburt" auf der von der Ukraine abtrünnigen Halbinsel.
"Ich schätze Frau Merkel außerordentlich, aber hier soll jeder selbst über seine Zukunft entscheiden dürfen", sagt Gempel und blickt nachdenklich auf das Porträt der Bundeskanzlerin. Merkel hält das Referendum an diesem Sonntag für illegal.
Etwa 2500 Menschen leben auf der Krim, die von Deutschen abstammen. Sie feiern gemeinsam Oktoberfest, Weihnachten, draußen auf dem idyllischen Landsitz "Gartental" von Honorarkonsul Igor Ogorodnik. Von seinem "kleinen Garmisch-Partenkirchen" schwärmt Ogorodnik, während er über das weiträumige Anwesen mit Pferdekoppel und Volieren führt. Aber dass die Deutschen lieber zu Putin wollen als nach Europa, wo doch "Rechtsstaatlichkeit und Ordnung" herrschen - nein, das versteht der Unternehmer nicht.
"Ich war fünf Jahre alt, als sie mich verschenkt haben"
"Jedes Volk hat das Recht auf Selbstbestimmung", betont hingegen Gempel. Die deutsche Minderheit spreche nur Russisch, kein Ukrainisch. Viele haben Verwandte im Nachbarland. Dort seien Gehälter und Renten deutlich höher - auch die Deutschen erliegen den Lockrufen aus dem Riesenreich von Kremlchef Wladimir Putin.
9917 Rubel, umgerechnet 195 Euro, erhielten Rentner in Russland monatlich im Durchschnitt - fast doppelt so viel wie in der Ukraine. Mit Zuschlägen ist es bei vielen deutlich mehr. So zeigt es eine Grafik, die prorussische Aktivisten am Leninplatz im Herzen von Simferopol angebracht haben. Vor dem Denkmal des russischen Revolutionsführers wehen Krim-Fahnen in der milden Frühlingssonne, mit ihrem Blau-Weiß-Rot ähneln sie der russischen Flagge sehr.
Auch die Enkel des Rentners Nikolai dürfen eine Fahne schwenken, wenngleich die dreijährige Darja lieber den Vögeln hinterherrennen würde. Nikolai hat sich als Mitglied der Bürgerwehr verpflichten lassen; stolz trägt er die rote Binde mit der Aufschrift "Freunde der Krim" am Arm.
"Ich war fünf Jahre alt, als sie mich verschenkt haben", erzählt der 65-Jährige - Sowjetführer Nikita Chruschtschow hatte die russische Krim 1954 mit einem Federstrich der Ukraine vermacht. Ein Lächeln spielt um Nikolais Mund. "Jetzt kehren wir nach Hause zurück", sagt er und blickt versonnen über das Fahnenmeer.
"Domoi w Rossii" - nach Hause nach Russland, steht auch auf vielen Plakaten. Schon ist eine Bühne aufgebaut, am Sonntagabend soll hier die Siegeskundgebung stattfinden. "Gemeinsam mit Russland - am 16. März alle zum Referendum!", werben große Plakate in der ganzen Stadt.
Umstrittenes Referendum: Krim-Deutsche wählen Russland - n-tv.de