Monte-Serb
Frischling
Interview: Jürgen Elsässer, Belgrad
»Sarajevo versucht, Beweise zu manipulieren«
Zehn Jahre nach der Eroberung von Srebrenica müssen endlich die Unterlagen aller Bürgerkriegsparteien zugänglich gemacht werden. Ein Gespräch mit Miroslav Toholj*
* Miroslav Toholj war während des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina (1992 bis 1995) Informationsminister in der Regierung der Republika Srpska unter Präsident Radovan Karadzic
F: Am 11. Juli 1995 hat die Armee der bosnischen Serben die moslemische Enklave Srebrenica erobert, obwohl es eine UN-Schutzzone war. Warum haben sie das getan?
Wir wollten die Stadt eigentlich gar nicht erobern, sondern sie wurde vom Gegner geräumt und uns sozusagen angeboten. In den Tagen zuvor war es zu Kämpfen in der Umgebung gekommen, und als wir dann mit sehr schwachen Kräften – vielleicht 200 bis 300 Soldaten – den Stadtrand erreichten, stellten wir fest, daß der Gegner weg war. In dieser Situation entschlossen wir uns zur Besetzung. Aber es gab gleich am 11. Juli einen ausdrücklichen schriftlichen Befehl von Präsident Karadzic, daß die moslemischen Zivilisten strikt zu schonen und die moslemischen Soldaten, falls man welche gefangennehmen sollte, nach den Regeln der Genfer Konvention zu behandeln sind.
Daß wir uns schließlich zu diesem Schritt entschlossen haben, erklärt sich auch aus der Vorgeschichte. Daß der UN-Sicherheitsrat die Stadt zur Schutzzone erklärt hatte, war nämlich nicht nur eine Verpflichtung für uns, sondern beinhaltete auch eine Verpflichtung für die moslemische Armee, nämlich die Verpflichtung zur Demilitarisierung Srebrenicas. Diese Verpflichtung wurde niemals umgesetzt, und mit den nicht abgelieferten Waffen wurden laufend von der Stadt aus terroristische Angriffe auf die serbischen Dörfer im Umland verübt. Die Washington Post schrieb am 16. Februar 1994 über die Schandtaten des muslimischen Oberbefehlshabers der Stadt: “Naser Orics Kriegstrophäen hängen nicht an der Wand seines komfortablen Appartements, sie sind auf Videokassetten: Verbrannte Häuser, serbische Männer ohne Kopf, ihre Körper zu einem bemitleidenswerten Haufen aufgeschichtet.«
F: Auch wenn man die Zahlen muslimischer Opfer nach der Einnahme der Stadt – Sarajevo und der Westen gehen von mindestens 7 000 aus – für stark übertrieben halten muß, bleibt doch ein erheblicher »Death toll«. So bezifferte Dean Manning, ein mit der Leichensuche beauftragter Spezialist der Anklagevertretung des Haager UN-Tribunals, als Zeuge im Prozeß gegen Slobodan Milosevic am 16. Januar 2004 die Zahl der gefundenen Toten mit 2 541.
Selbst wenn das alles muslimische Leichen sein sollten, was ja auch nicht erwiesen ist, so ist doch noch die Frage, ob es sich dabei um Opfer von Massakern oder um Gefechtstote handelt. Die Regierung in Sarajevo versucht, das durcheinanderzubringen und Beweise zu manipulieren.
F: Können Sie dafür Beispiele bringen?
Nehmen wir die Gräber, die in Koljevic Polje in der Nähe von Bratunac, einem Dorf bei Srebrenica, aufgemacht wurden. Die Moslems behaupten, darin befänden sich Opfer aus der Zeit nach unserer Eroberung der Stadt. Aber wir haben Dokumente der muslimischen Armee sichergestellt, wonach in genau diesem Gebiet im Juni 1993 bei Gefechten 150 ihrer Soldaten umgekommen sind, die namentlich genannt werden. Deren Skelette werden jetzt aus der Erde geholt und zu Massakeropfern des Sommers 1995 umdeklariert.
Dieselbe Manipulation betrifft Gräber beim nahegelegenen Han Pijesak. Dort wurden ebenfalls 1993 106 muslimische Kämpfer – in diesem Fall vor allem ausländische Mudschaheddin – bei einem Durchbruchsversuch im Kampf getötet. Auch diese Gefechtstoten von 1993 werden jetzt der Massakerbilanz von 1995 zugeschlagen.
Man muß auch berücksichtigen, daß die Existenz von Massengräbern nicht unbedingt vorherige Massenerschießungen beweist. Man kann im Militärhandbuch vermutlich jeder Armee nachlesen, daß nach einem Gefecht das Terrain »assaniert« werden muß, wie es in der Fachsprache heißt: Um Seuchen zu vermeiden, werden die verstreut herumliegenden Leichen eingesammelt und in einem Sammelgrab bestattet.
F: Aber das UN-Kriegsverbrechertribunal fand in den Gräbern auch etwa 600 Fesseln und Augenbinden. Das sind in jedem Fall Männer, die nicht im Kampf gefallen sind.
Auch dieser Zahl gegenüber bin ich skeptisch. Meine persönliche Schätzung ist, daß es in 200 bis 300 Fällen zu widerrechtlichen Exekutionen von Gefangenen gekommen ist.
F: Eindeutig ein schweres Kriegsverbrechen.
Aber Sie müssen auch bedenken, daß viele unserer Soldaten, die in dieser Situation die Kontrolle verloren haben, ihrerseits vorher Familienmitglieder bei den eingangs erwähnten Terrorüberfällen der Oric-Truppen verloren haben. Die ganze Geschichte, mit ihrer Tragik und mit ihren Schuldigen auf allen Seiten, wird erst geschrieben werden können, wenn alle Unterlagen auf den Tisch gelegt werden. Dazu sind wir bereit.
»Sarajevo versucht, Beweise zu manipulieren«
Zehn Jahre nach der Eroberung von Srebrenica müssen endlich die Unterlagen aller Bürgerkriegsparteien zugänglich gemacht werden. Ein Gespräch mit Miroslav Toholj*
* Miroslav Toholj war während des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina (1992 bis 1995) Informationsminister in der Regierung der Republika Srpska unter Präsident Radovan Karadzic
F: Am 11. Juli 1995 hat die Armee der bosnischen Serben die moslemische Enklave Srebrenica erobert, obwohl es eine UN-Schutzzone war. Warum haben sie das getan?
Wir wollten die Stadt eigentlich gar nicht erobern, sondern sie wurde vom Gegner geräumt und uns sozusagen angeboten. In den Tagen zuvor war es zu Kämpfen in der Umgebung gekommen, und als wir dann mit sehr schwachen Kräften – vielleicht 200 bis 300 Soldaten – den Stadtrand erreichten, stellten wir fest, daß der Gegner weg war. In dieser Situation entschlossen wir uns zur Besetzung. Aber es gab gleich am 11. Juli einen ausdrücklichen schriftlichen Befehl von Präsident Karadzic, daß die moslemischen Zivilisten strikt zu schonen und die moslemischen Soldaten, falls man welche gefangennehmen sollte, nach den Regeln der Genfer Konvention zu behandeln sind.
Daß wir uns schließlich zu diesem Schritt entschlossen haben, erklärt sich auch aus der Vorgeschichte. Daß der UN-Sicherheitsrat die Stadt zur Schutzzone erklärt hatte, war nämlich nicht nur eine Verpflichtung für uns, sondern beinhaltete auch eine Verpflichtung für die moslemische Armee, nämlich die Verpflichtung zur Demilitarisierung Srebrenicas. Diese Verpflichtung wurde niemals umgesetzt, und mit den nicht abgelieferten Waffen wurden laufend von der Stadt aus terroristische Angriffe auf die serbischen Dörfer im Umland verübt. Die Washington Post schrieb am 16. Februar 1994 über die Schandtaten des muslimischen Oberbefehlshabers der Stadt: “Naser Orics Kriegstrophäen hängen nicht an der Wand seines komfortablen Appartements, sie sind auf Videokassetten: Verbrannte Häuser, serbische Männer ohne Kopf, ihre Körper zu einem bemitleidenswerten Haufen aufgeschichtet.«
F: Auch wenn man die Zahlen muslimischer Opfer nach der Einnahme der Stadt – Sarajevo und der Westen gehen von mindestens 7 000 aus – für stark übertrieben halten muß, bleibt doch ein erheblicher »Death toll«. So bezifferte Dean Manning, ein mit der Leichensuche beauftragter Spezialist der Anklagevertretung des Haager UN-Tribunals, als Zeuge im Prozeß gegen Slobodan Milosevic am 16. Januar 2004 die Zahl der gefundenen Toten mit 2 541.
Selbst wenn das alles muslimische Leichen sein sollten, was ja auch nicht erwiesen ist, so ist doch noch die Frage, ob es sich dabei um Opfer von Massakern oder um Gefechtstote handelt. Die Regierung in Sarajevo versucht, das durcheinanderzubringen und Beweise zu manipulieren.
F: Können Sie dafür Beispiele bringen?
Nehmen wir die Gräber, die in Koljevic Polje in der Nähe von Bratunac, einem Dorf bei Srebrenica, aufgemacht wurden. Die Moslems behaupten, darin befänden sich Opfer aus der Zeit nach unserer Eroberung der Stadt. Aber wir haben Dokumente der muslimischen Armee sichergestellt, wonach in genau diesem Gebiet im Juni 1993 bei Gefechten 150 ihrer Soldaten umgekommen sind, die namentlich genannt werden. Deren Skelette werden jetzt aus der Erde geholt und zu Massakeropfern des Sommers 1995 umdeklariert.
Dieselbe Manipulation betrifft Gräber beim nahegelegenen Han Pijesak. Dort wurden ebenfalls 1993 106 muslimische Kämpfer – in diesem Fall vor allem ausländische Mudschaheddin – bei einem Durchbruchsversuch im Kampf getötet. Auch diese Gefechtstoten von 1993 werden jetzt der Massakerbilanz von 1995 zugeschlagen.
Man muß auch berücksichtigen, daß die Existenz von Massengräbern nicht unbedingt vorherige Massenerschießungen beweist. Man kann im Militärhandbuch vermutlich jeder Armee nachlesen, daß nach einem Gefecht das Terrain »assaniert« werden muß, wie es in der Fachsprache heißt: Um Seuchen zu vermeiden, werden die verstreut herumliegenden Leichen eingesammelt und in einem Sammelgrab bestattet.
F: Aber das UN-Kriegsverbrechertribunal fand in den Gräbern auch etwa 600 Fesseln und Augenbinden. Das sind in jedem Fall Männer, die nicht im Kampf gefallen sind.
Auch dieser Zahl gegenüber bin ich skeptisch. Meine persönliche Schätzung ist, daß es in 200 bis 300 Fällen zu widerrechtlichen Exekutionen von Gefangenen gekommen ist.
F: Eindeutig ein schweres Kriegsverbrechen.
Aber Sie müssen auch bedenken, daß viele unserer Soldaten, die in dieser Situation die Kontrolle verloren haben, ihrerseits vorher Familienmitglieder bei den eingangs erwähnten Terrorüberfällen der Oric-Truppen verloren haben. Die ganze Geschichte, mit ihrer Tragik und mit ihren Schuldigen auf allen Seiten, wird erst geschrieben werden können, wenn alle Unterlagen auf den Tisch gelegt werden. Dazu sind wir bereit.