Syrien lässt Giftgas-Kontrollen zu
Die Regierung in Damaskus lenkt ein und erlaubt nun UN-Inspektoren, einen möglichen Chemiewaffen-Einsatz zu überprüfen. Dass es dieses schreckliche Verbrechen gab, bezweifelt allerdings kaum noch jemand. Nur: Wie soll der Westen darauf reagieren? Während die USA, Frankreich und Großbritannien über einen Militäreinsatz diskutieren, wollen deutsche Politiker weiter an eine "politische Lösung" glauben.
Die syrische Regierung hat den Vereinten Nationen eine "sofortige" Untersuchung des mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatzes in der Nähe von Damaskus erlaubt. Wie das syrische Außenministerium mitteilt, erzielten die Regierung in Damaskus und UN-Vertreter eine entsprechende Vereinbarung.
Wann die Untersuchung in dem Bezirk östlich von Damaskus tatsächlich beginnen soll, wurde nicht gesagt. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad behält sich nach Worten eines Regierungsbeamten vor, "das Datum und die Uhrzeit für diesen Besuch festzulegen" Die Sicherheitslage in dem umkämpften Gebiet gilt als sehr schlecht. Die Opposition hatte am Samstag erklärt, sie könne im Rebellengebiet die Sicherheit der UN-Experten gewährleisten.
Die UN bestätigten die Einigung und wollen am Montag mit der Untersuchung beginnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, die syrische Regierung habe die "nötige Zusammenarbeit" zugesagt, einschließlich einer "Einstellung der Feindseligkeiten an der Stelle des Vorfalls".
Wie kann eine Reaktion aussehen?
In Europa und den USA gilt es bereits als bewiesen, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden. Die Regierungen zweifeln auch kaum noch daran, dass es die syrische Regierung – und nicht etwa eine Rebellengruppe – war, die das Gas verströmen ließ.
Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen wie Giftgas ist weltweit geächtet, weil damit nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden werden kann. Das wahrscheinlich eingesetzte Gas Sarin ist tödlich, wenn es eingeatmet oder kontaminiertes Material berührt wird. Nach dem mutmaßlichen Angriff sollen auch Helfer gestorben sein, die sich unzureichend geschützt in das Gebiet wagten.
Debattiert wird nun, wie auf das Verbrechen reagiert werden kann. Die offizielle Sprachregelung der US-Regierung ist, es werde über "mögliche Antworten der internationalen Gemeinschaft" nachgedacht. Präsident Barack Obama hatte darüber mit dem britischen Premier David Cameron telefoniert. Frankreichs Präsident François Hollande sagte, es gebe "ein Bündel an Hinweisen" darauf, dass es einen Angriff mit Chemiewaffen gegeben habe und die syrische Regierung dafür verantwortlich sei.
Deutsche Politiker wollen keinen Angriff
Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte im Magazin "Focus" Russland und China dafür, im UN-Sicherheitsrat eine Resolution zu Syrien verhindert zu haben. Ihr Sprecher hatte am Samstag ausgerichtet, dass eine "militärische Lösung" nicht angestrebt werde: "Wir glauben nicht, dass das von außen militärisch zu lösen ist, sondern wir glauben, dass eine politische Lösung in Syrien organisiert werden muss."
Verteidigungsminister Thomas de Maizière bestätigte diese Linie: "Ein militärisches Eingreifen von außen in diesen schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien sehe ich nicht", sagte er der "Superillu". Eine politische Lösung sei wegen der uneinheitlichen Positionen im UN-Sicherheitsrat schwierig, räumte der Minister ein. "Aber der Westen sollte nicht glauben, mit militärischen Mitteln Probleme im Nahen Osten lösen zu können."
Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lehnt ein Eingreifen bisher ab: Er lege "großen Wert darauf, dass sich Europa abstimmt", sagte Steinbrück der "Südwest Presse". Gegenwärtig rate er zur "Zurückhaltung, was die Diskussion über militärische Interventionen betrifft". Er sehe nicht, welche Möglichkeiten es da gebe. Falls sich die Bundesregierung aber der vom französischen Außenminister Laurent Fabius geforderten härteren Haltung anschließen wolle, brauche es die "intensive Einbeziehung des Bundestages".
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte "Spiegel Online": "Alle Parteien müssen so schnell wie möglich zu einer politischen Lösung kommen". Um eine solche Lösung zu ermöglichen, "müssen auch China und Russland Druck auf Assad ausüben und jegliche Waffenlieferungen nach Syrien unverzüglich einstellen".
3600 Menschen von Giftgasangriff betroffen
Der iranische Vize-Generalstabschef Massud Dschasajeri warnte die USA vor einer Militärintervention. "Wenn die Vereinigten Staaten diese rote Linie überschreiten, wird das ernste Konsequenzen für das Weiße Haus haben", sagte Dschasajeri. Israels Staatspräsident Schimon Peres forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, "sämtliche Chemiewaffen in Syrien zu beseitigen". Ob dies durch eine militärische Intervention geschehen solle, ließ Peres offen.
Nach Angaben der syrischen Opposition waren am Mittwoch bei Angriffen der Regierungstruppen mit Chemiewaffen in der Nähe der Hauptstadt Damaskus mehr als tausend Menschen getötet worden. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete von mindestens 355 Patienten mit "neurotoxischen Symptomen", die in Krankenhäusern gestorben seien. Insgesamt seien etwa 3600 Menschen mit derlei Anzeichen, wie sie nach Giftgas-Einsätzen typisch seien, in Kliniken eingeliefert worden. Der syrische Informationsminister Omran al-Sohbi bekräftigte dagegen, die Regierung habe "niemals Chemiewaffen in Syrien eingesetzt, in welcher Form auch immer, flüssig oder als Gas".
Syrien will Giftgas-Kontrollen zulassen - n-tv.de