25.01.2006
Ankara will Zypern-Lsung bis Jahresende
Türkische Regierung legt "Aktionsplan" vor
Istanbul - Die Türkei hat einen "Aktionsplan" zur Lösung des Zypern-Problem vorgelegt, mit dem sie den Konflikt auf der geteilten Insel bis Ende des Jahres lösen will. Außenminister Abdullah Gül stellte am Dienstag in Ankara das Vorschlagspaket vor, das unter anderem eine Zypern-Konferenz vorsieht, die spätestens im Juni stattfinden soll. Die Türkei will zudem die EU-Forderung nach Öffnung ihrer Häfen für Güter aus Zypern erfüllen, wenn gleichzeitig die Isolation des türkisch besetzten Inselteils aufgehoben wird. Die derzeitige Situation auf Zypern nutze niemandem, sagte Gül. Alle Beschränkungen auf der Insel sollten ein Ende haben. ´
Vorschlag
Gül schlug vor, die Türkei, Griechenland sowie die griechischen und die türkischen Zyprioten sollten sich unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zusammensetzen. Der türkische Plan sieht vor, dass dabei erneut über den Wiedervereinigungsplan von UNO-Generalsekretär Kofi Annan gesprochen wird. Völkerrechtlich ist ganz Zypern seit 2004 EU-Mitglied, doch findet das Regelwerk der Union im Norden keine Anwendung. Der Annan-Plan, der einen Bundesstaat aus zwei ethnischen Kantonen zum Ziel hat, war von den griechischen Zyprioten in einem Referendum verworfen worden, weil er der überwiegenden Mehrheit der nach der türkischen Invasion 1974 vertriebenen 200.000 griechischen Zyprioten und deren Nachkommen die Rückkehr in ihre Heimatorte verwehrte, zugleich aber vorsah, dass ein großer Teil der von der Türkei angesiedelten 110.000 Festlandtürken und der schätzungsweise 35.000 Mann starken türkischen Truppen auf der Insel bleiben kann.
Sympathien verscherzt
In den vergangenen Monaten verscherzte sich die Türkei in Europa viele Sympathien, weil sie sich weigerte, das EU-Mitglied Zypern vollständig anzuerkennen. Mit dem "Aktionsplan" versucht die Türkei, beim Thema Zypern aus der diplomatischen Defensive herauszukommen, die UNO wieder einzuschalten und die griechischen Zyprioten in die Ecke zu drängen. Gleichzeitig will sich die türkische Regierung aus einer innenpolitischen Zwangslage befreien, indem sie die Frage der Hafenöffnung mit einer Gesamtlösung der Zypern-Frage verknüpft.
Die zypriotische Regierung erklärte bereits, Ankara wolle nur von seiner Verpflichtung gegenüber der EU ablenken. Die Regierung in Nikosia steht auf dem Standpunkt, dass die Türkei ihre Häfen auch ohne "Gegenleistung" öffnen muss. Es dürfte deshalb schwierig sein, Verhandlungen über das türkische Vorschlagspaket in Gang zu bringen. Trotzdem wollen die Türken mit ihrem neuen Vorstoß gegenüber der UNO und der EU Flexibilität zeigen und so ihre Grundthese unterstreichen, wonach nicht Ankara der "böse Bube" im Zypern-Konflikt ist, sondern die international anerkannte zypriotische Regierung.
Zeitpunkt geschickt gewählt
Der Zeitpunkt dafür ist geschickt gewählt: Der britische Außenminister und EU-Schwergewicht Jack Straw, einer der wichtigsten Partner der Türken, wird an diesem Mittwoch auf Zypern erwartet. Es ist der erste derartige Besuch eines britischen Außenamtschefs seit zehn Jahren. Dennoch will der zypriotische Staatspräsident Tassos Papadopoulos den Gast aus London nicht treffen. Denn der britische Außenminister will auch in den Norden der geteilten Hauptstadt Nikosia reisen und mit Mehmet Ali Talat sprechen, dem Präsidenten des nur von Ankara anerkannten Separatgebildes "Türkische Republik Nordzypern".
Türkei erfreut
Die Türkei ist im Gegensatz zu Papadopoulos höchst erfreut darüber. Den türkischen Erwartungen zufolge werden die Spannungen bei Straws Besuch den Blick darauf lenken, dass es die griechischen Zyprioten waren, die den UN-Plan für eine Wiedervereinigung scheitern ließen. Um die neue Initiative seiner Regierung vorzubereiten, telefonierte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Tagen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland ist ein Verbündeter der griechischen Zyprioten und blockiert im UNO-Sicherheitsrat bisher die Annahme eines Berichts zur Lage auf der Insel, in dem die griechischen Zyprioten kritisiert werden. In den kommenden Tagen will sich Erdogan beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit Annan treffen.
Ein solch sorgfältig eingefädeltes Manöver ist für die Türkei nicht alltäglich. Ihre Außenpolitiker mussten sich insbesondere in der Zypern-Frage lange den Vorwurf gefallen lassen, lediglich zu reagieren, statt selbst die Initiative zu ergreifen. Mit seinem neuen Zypern-Plan wollte Gül demonstrieren, dass damit Schluss ist. "In Ankara wird am Ende doch nicht etwa die moderne Diplomatie Einzug halten?" fragte der Kolumnist Murat Yetkin am Dienstag. Wenn Güls Worten auch Taten folgen, wird sich die Frage vielleicht mit Ja beantworten lassen.
derstandard.at