Zypern-Streit mit der Türkei
EU setzt Verhandlungen mit Ankara zum Teil aus
Steinmeier mit der Wiener Kollegin Plassnik: "Schwierige Debatte"
11. Dezember 2006
Die EU-Außenminister haben am Montag abend nach harten Diskussionen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in acht von insgesamt 35 Verhandlungsbereichen gebremst. Sie stellten der Türkei jedoch kein Ultimatum, um die türkischen Häfen und Flughäfen auch für Schiffe aus Zypern zu öffnen.
Die Regierung Zyperns bekannte sich im Gegensatz zu ihrer bisherigen Haltung zur Notwendigkeit einer politischen Lösung des Zypern-Konflikts im Rahmen der UN. Zudem will Nikosia im Januar den bisherigen Widerstand gegen direkten Handel des seit 1974 türkischen besetzten Nordens der Insel mit der EU und die Zahlung von EU-Finanzhilfen an den Norden aufgeben.
„Die Vernunft hat sich durchgesetzt“
Möglicherweise wird der EU-Beitritt der Türkei in ein bis zwei Jahren abermals verhandelt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Einigung und hob die vereinbarte Revisionsklausel hervor. Der Beschluß in Brüssel trage der Tatsache Rechnung, „daß die Türkei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Ankaraprotokolls nicht nachgekommen ist“, erklärte Merkel am Montag in Berlin. Es sei auch wichtig, daß sich die Staats- und Regierungschefs „auf der Grundlage einer Revisionsklausel selbst regelmäßig mit der Entwicklung“ der Türkei-Verhandlungen befassen werden, zitierte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Kanzlerin. „Die Vernunft hat sich durchgesetzt“, sagte der Sprecher weiter.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einer „angemessenen und ausbalancierten Verhandlungslösung“: „Damit war kaum zu rechnen. Aber offensichtlich war der politische Wille, zu einer Verständigung zu kommen, in hohem Maße vorhanden.“ Er sei sich bei der Zustimmung zum Kompromiß mit der Bundeskanzlerin einig gewesen.
EU-Gipfel wird nicht weiter belastet
Die Einigung bedeutet, daß der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel nicht vom Streit um den Fortgang der Erweiterungsverhandlungen belastet wird. „Das bedeutet nicht, daß jeder hundertprozentig glücklich ist. Aber in der EU geht alles darum, Kompromisse zu finden“, sagte der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Finnlands Außenminister Erkki Tuomioja. „Die Entscheidung der Minister findet die richtige Balance und ist sehr sorgfältig ausgewogen“, sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn. „Der Beitrittsprozeß ist auch eine Möglichkeit, zu zeigen, daß der Islam mit Europa und dessen Werten von Demokratie und Menschenrechten vereinbar sein kann“, sagte Tuomioja.
„Niemand hat die Möglichkeit in Frage gestellt, daß die Türkei der EU beitreten kann, wenn sie alle Bedingungen erfüllt. Tuomioja erklärte, Zypern sei bereit, unter UN-Führung die Suche nach einer umfassenden Lösung des Konflikts wieder aufzunehmen. Die griechischen Zyprer hatten im Gegensatz zu den Inseltürken im März 2004 bei einem Referendum unter UN-Aufsicht gegen eine Wiedervereinigung mit dem Norden gestimmt. Der Widerstand gegen den Direkthandel und die EU-Finanzhilfen solle von Nikosia aus rechtlichen und politischen Gründen erst im Januar - dann unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft - beendet werden.
„Kein Ultimatum, sondern eine regelmäßige Überprüfung“
Die Aufgabe des zyprischen Blockadekurses in Sachen Nordzypern könnte es Ankara erleichtern, die türkischen Häfen und Flughäfen zu öffnen. Großbritannien und Spanien verzichteten auf die Forderung, nur drei Verhandlungsbereiche zu stoppen. Die Niederlande und Griechenland verzichteten auf eine Verschärfung auf zehn Bereiche. Der Streit um die von Athen und Nikosia geforderte „Revisionsklausel“ wurde dadurch entschärft, daß die ohnehin jährlich vorgelegten Fortschrittsberichte der EU-Kommission zu Grundlage für Überprüfungen des Sachstandes durch den Ministerrat in den Jahren 2007 bis 2009 gemacht werden.
„Dies ist kein Ultimatum, sondern eine regelmäßige Überprüfung“, sagte Steinmeier. Steinmeier sagte zur Frage, ob der Verzicht auf eine Fristsetzung auch im Sinne der Bundeskanzlerin sei: „Wir haben heute mehrfach Kontakt gehabt. Und wir haben uns verständigt, daß wir diesen gemeinsamen Text aller Mitgliedstaaten mittragen.“
Merkel ließ in Berlin erklären, der Beschluß trage der Tatsache Rechnung, „daß die Türkei ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Ankaraprotokolls nicht nachgekommen ist“. Es sei auch wichtig, daß sich die Staats- und Regierungschefs „auf der Grundlage einer Revisionsklausel selbst regelmäßig mit der Entwicklung“ der Türkei-Verhandlungen befassen werden, zitierte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Kanzlerin.