Erdogan kommt mit Beschwerdeliste zur Kanzlerin
Das wird kein unbeschwertes Treffen: Der türkische Ministerpräsident Erdogan wird Kanzlerin Merkel beim Deutschland-Besuch mit einer ganzen Reihe von Forderungen und Beschwerden konfrontieren. Die Mängelliste reicht von der Völkermord-Debatte bis zum Ausländerrecht.
stanbul - Türkischen Zeitungsberichten zufolge will Recep Tayyip Erdogan das Treffen mit Angela Merkel für eine Art Generalabrechnung nutzen. Auf seiner Mängelliste stehen demnach das geplante EU-weite Verbot einer Völkermord-Leugnung und das vom Bundeskabinett beschlossene neue Ausländerrecht, berichtet die regierungsnahe türkische Zeitung "Zaman" heute. Außerdem werde er die EU-Ratsvorsitzende auffordern, wieder Schwung in die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara zu bringen.
Recep Tayyip Erdogan: Mängelliste im Gepäck
AP
Recep Tayyip Erdogan: Mängelliste im Gepäck
Die Pläne für ein Verbot der Leugnung von Völkermorden sorgen in der Türkei für großen Wirbel, weil Ankara davon ausgeht, dass damit die türkische Haltung zu den Massakern an den Armeniern im Ersten Weltkrieg für illegal erklärt werden soll. Die Zeitung "Sabah" schrieb, das Thema könnte zur schwersten deutsch-türkischen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg führen.
Die Pläne seien beunruhigend, zitierte das Blatt einen Vertreter des türkischen Außenministeriums. Laut "Zaman" will Erdogan die Bundeskanzlerin vor negativen Folgen des Gesetzes für die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU warnen und einen Verzicht auf das Gesetz fordern.
Der deutsche Botschafter in Ankara, Eckart Cuntz, wandte sich in der Zeitung "Turkish Daily News" gegen den Eindruck, das geplante Gesetz ziele auf die Türkei. In dem Entwurf würden die Massaker an den Armeniern nicht als Völkermord definiert, sagte der Diplomat der Zeitung zufolge. Die Türkei betrachtet den Tod von mehr als hunderttausend anatolischen Armeniern in den Jahren 1915 bis 1917 nicht als Völkermord, sondern als tragische Folge einer kriegsbedingten Umsiedlungsaktion.
Auch das neue deutsche Zuwanderungsgesetz und die darin enthaltene Forderung, dass nachziehende Ehegatten vor der Einreise nach Deutschland grundlegende Deutschkenntnisse erwerben sollen, wird laut "Zaman" in den Gesprächen zwischen Erdogan und Merkel zur Sprache kommen. Erdogan werde die Sorgen der in Deutschland lebenden Türken bei diesem Thema ansprechen.
Das schwierige Verhältnis zwischen der Türkei und der EU dürfte ebenfalls eines der Themen sein. Erdogans Regierung hatte sich vor einigen Wochen bitter darüber beschwert, dass sie nicht zu den Feiern zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge nach Berlin eingeladen wurde. Erdogan selbst hatte kritisiert, in Europa gebe es die Ansicht, dass die EU ein "Christenclub" sein solle, und angekündigt, dies bei Merkel anzusprechen.
Zudem verlangt die Türkei, die deutsche EU-Präsidentschaft solle bis Juni die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel in den türkischen EU-Beitrittsgesprächen durchsetzen. Die EU hatte die Türkei-Verhandlungen im Dezember wegen des Streits um das türkische Nein zu einer Hafenöffnung für Zypern teilweise auf Eis gelegt.
Erdogan und Merkel eröffnen am Sonntag die Hannover-Messe, bei der die Türkei in diesem Jahr Partnerland ist.