@ Istanbul
Lies mal nicht nur die USA hat Atombombe bald könnten wir auch haben!
Türkei:
Ankara auf Atomkurs
Die Türkei will bis 2015 drei AKW bauen. Gerüchten zufolge könnte sich die Armee auch für eigene Atomwaffen interessieren.
ISTANBUL. Steht die Türkei an der Schwelle zur Atommacht? In diesen Tagen dürfte der Nationale Sicherheitsrat der Türkei Pläne zum Aufbau einer eigenen Nuklearindustrie absegnen. Schon 2007 soll der erste Atomreaktor errichtet werden, bis 2012 soll er ans Netz gehen. Bis zum Jahr 2015 sollen dann gleich drei Kraftwerke mit je 5000 Megawatt Leistung stehen.
Dem Schwenk zur Atomenergie ging ein langes Hickhack voran. 1962 bekam das Land einen Forschungsreaktor von den USA geschenkt. Danach wurden immer wieder Atompläne aus der Schublade gezogen, aus denen nie was wurde. Das bisher letzte Projekt eines Reaktors bei Akkuyu an der Südküste hat der Sozialdemokrat Bülent Ecevit im Jahr 2000 aus Kostengründen beerdigt.
Die neuen Pläne wurden unter anderem durch Äußerungen von Energieminister Hilmi Güler bekannt. Demnach hat die Gesellschaft für Atomenergie der Türkei (TAEK) acht mögliche Standorte eruiert. Die Endauswahl will die Regierung nach einem Kriterienkatalog treffen. Dazu gehören die Akzeptanz in der Bevölkerung, das politische Umfeld, der ökonomische Nutzen, archäologische Stätten und Fragen der Ästhetik.
Gerüchten zufolge sollen Gespräche mit Atomtechnik-Firmen aus Frankreich, den USA, Kanada, Russland und Südkorea geführt worden sein. In der Türkei tippt man auf den US-Konzern Westinghouse. Die Investition soll acht Milliarden Dollar betragen.
Als Grund für den Bau von AKW wird der stark steigende Strombedarf genannt: 2010 bis 2020 soll der sich verdoppeln. Stromausfälle sind in der Türkei schon jetzt eine Dauerplage. Dennoch taucht die Frage auf, ob das plötzliche "Ja" zum Atom nicht eine Reaktion auf den derzeit tobenden Streit um das Atomprogramm des Nachbarn Iran ist. Will sich die Türkei auf lange Sicht eine militärische atomare Option schaffen?
Presseberichte über die Verwendung von eigenem Uran und Thorium und die Aufbereitung verbrauchter Brennstäbe deuten an, dass ein ganzer Brennstoffzyklus errichtet werden soll; er schlösse die Urananreicherung und die Gewinnung von Plutonium aus verbrauchten Brennstäben ein. So ließe sich Material für Atomwaffen gewinnen.
Die Armee wird bei dem Projekt sicher mitreden: im Nationalen Sicherheitsrat, dem die Regierung ihre Pläne vorlegt, sind auch die Oberbefehlshaber des Militärs. Gegen die Aussicht auf Atomkraftwerke regen sich indes erste Proteste: Oya Koca von der Bürgerinitiative gegen ein AKW am potenziellen Standort Sinope an der Schwarzmeerküste klagt, dass die Vorarbeiten zur Auswahl der Standorte unter strikter Geheimhaltung durchgeführt worden seien. Das wäre gar soweit gegangen, dass man Nummernschilder an Fahrzeugen der TAEK ausgewechselt habe.
Die Öffentlichkeitsarbeit des Energieministeriums ist von der Arbeit einer Werbeagentur in Sachen Atomstrom jedenfalls kaum zu unterscheiden. Minister Güler antwortete im TV auf die Frage nach dem nuklearen Abfall, der sei überhaupt kein Problem - man könne ihn als Brennstoff wieder verwenden. Im Gegenteil: Nukleare Abfälle wolle man sogar im Ausland einkaufen.