ein guter übertitel wie ich finde;
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Akt. 15.11.07; 09:41
Pub. 14.11.07; 18:01 rm
Sex-Skandal: «Das Opfer nicht zum Täter machen»
Ein Kind oder ein junges Mädchen darf schwärmen und sich verlieben. Trotzdem dürfen keine sexuellen Übergriffe passieren, findet Regula Schwager. 20minuten.ch hat mit der Jugendpsychologin gesprochen.
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Die Zürcher Beratungs- und Informationsstelle Castagna hilft Mädchen und in der Kindheit sexuell ausgebeuteten Frauen. Castagna-Mitarbeiterin und Psychologin Regula Schwager kennt die Situation, in der sich eine junge Frau nach sexuellen Übergriffen befindet. Im Gespräch mit 20minuten.ch fasst sie ihre Einschätzungen der Situation rund um die Vorfälle beim FC Thun zusammen.
Frau Schwager, ein minderjähriges Mädchen hat in Thun sexuelle Kontakte mit 21 Männern. In Seebach wird eine 13-Jährige Opfer von sexuellen Übergriffen durch mehrere Jugendliche. Zeichnet sich hier eine neue Tendenz ab?
Regula Schwager: Übergriffe von Männergruppen auf Minderjährige kommen leider immer wieder vor. Neu ist hingegen der Umstand, dass die Täter selbst immer öfter Jugendliche sind. Im letzen Jahr haben sich die Meldungen über solche Fälle ungefähr vervierfacht.
Worauf führen Sie das zurück?
Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Öffentlichkeitsarbeit und der Zunahme der Fälle. Die Menschen – vor allem die Jugendlichen selbst – sind für die Thematik sensibilisiert und melden Übergriffe häufiger. Trotzdem werden viele Fälle auch heute noch totgeschwiegen.
Sind die Jugendlichen sexuell aggressiver?
Konkret lässt sich das nicht sagen. Sexuelle Ausbeutung gab es schon immer. Das «Gesicht» der sexuellen Ausbeutung hat sich aber verändert. Unsere Gesellschaft sucht immer nach dem Kick. Der Sex, der gezeigt wird, macht nicht beiden Partnern Spass. Er ist meistens mit Gewalt verbunden, und das prägt die Jugendlichen.
Im Fall von Thun war das Mädchen offenbar ein Fan des Fussballclubs. Was, wenn das Mädchen die Nähe zu den Männern gesucht hat?
Wir dürfen auf keinen Fall das Opfer zum Täter machen. Es mag sein, dass das Mädchen nicht nein gesagt hat. Trotzdem kann eine solche Konstellation niemals eine sexuelle Handlung zwischen ebenbürtigen Partnern sein. Der Unterschied der kognitiven und emotionalen Entwicklung zwischen Kindern und Erwachsenen ist enorm. Diese jungen Frauen oder Mädchen sind mit Sicherheit nicht in alle beteiligten Männer verliebt, sondern vielleicht in einen von ihnen. Ein Kind oder ein junges Mädchen darf schwärmen und sich verlieben. Trotzdem dürfen keine sexuellen Übergriffe passieren. Die Grenzen müssen gewahrt bleiben. Es wäre eine seltsame Welt, wenn ein Kind damit rechnen muss, vergewaltigt zu werden, wenn es seinem Idol nahe sein will.
Also hätten die Männer in jedem Fall nein sagen sollen?
Die rechtliche Sachlage ist klar: Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen sind strafbar. Selbst wenn sich ein Kind aufdrängen würde, müsste der Mann ablehnen. Hier liegt eine klare sexuelle Ausbeutung vor. Das Mädchen ist in einem anderen Entwicklungsstadium als die Männer. Solche Übergriffe dürfen auf keinen Fall passieren.
Weshalb sagen Kinder oder Jugendliche denn nicht nein?
Sexuelle Ausbeutung geschieht dann, wenn das Opfer in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Täter steht. Das Machtgefälle zwischen Opfer und Täter kann verschiedene Faktoren haben. Es kann ein grosser Altersunterschied vorliegen, der Täter ist physisch stärker oder hat grossen Einfluss im sozialen Umfeld des Opfers. Deshalb wird auch klar, dass Kinder und Jugendliche nicht nein sagen können, wenn eine solche Abhängigkeit herrscht.
Obwohl die Sachlage klar ist, kommt es selten zu Anklagen.
Ja, es kommt leider oft mangels an Beweisen nicht zur Anklage. Meist gibt es keine Zeugen oder es steht Aussage gegen Aussage. Das heisst allerdings nicht, dass es in diesen Fällen nicht doch zu sexuellen Übergriffen gekommen ist.
Tina Fassbind, 20minuten.ch