Ok, danke dir/euch. Ich frage nur, weil der Artikel den Eindruck entstehen lässt als wären Kroaten die einzigen auf der Abschussliste gewesen. Es ging also einfach um politische Gegner.
es war schon etwas mehr,als nur politische Gegner....Der Spiegel 1978
[h=2]Dialektik und Dynamit[/h]
Mit Terror und Gegenterror bekämpfen sich im westdeutschen Untergrund radikale Exil-Kroaten und jugoslawische Agenten. Nun wünscht Belgrad die Auslieferung von acht Kroaten.
Als der Kroate Stipe Bilandzic am Fronleichnamstag abends um halb neun noch ausgehen wollte, bekam er unerwarteten Besuch. Vor seiner Kölner Wohnung in der Graditzer Straße 1 zeigten sechs Herren in Zivil diskret ihre Marken und baten ihn aufs Revier sie wüßten auch nicht warum.
Drei Tage danach, diesmal abends um halb zehn, griffen Beamte in Frankfurt gleich zweimal zu. Im sechsten Stock der Ostendstraße 12 holten vier Mann von der Kripo mit MP ("Hände hoch") den Kroaten Nikola Milicevic aus dem Bett, fesselten ihn und nahmen ihn kommentarlos mit. Im Röderbergweg 30, dritter Stock, faßten vier Beamte mit gezogenen Waffen seinen Landsmann Ljubomir Dragoja, beschlagnahmten Akten und Bücher und überstellten ihn der Haftanstalt Preungesheim.
Die Polizeiaktion in Köln und Frankfurt Ende Mai war ferngesteuert -- per Fernsehreiben aus der jugoslawischen Hauptstadt. Sie galt einer Gruppe in Westdeutschland lebender Exilkroaten, gegen die zwar hierzulande konkret nichts vorlag, die aber nach Darstellung Belgrader Behörden alle-
* Am 7. Februar 1976 in Frankfurt.
samt gefährliche Terroristen sind und ausgeliefert werden müßten.
Die Festnahmen und das Auslieferungsbegehren beleuchten schlagartig einen von der deutschen Öffentlichkeit nahezu unbeachteten Untergrund, in dem Freunde und Gegner des jugoslawischen Regimes mit Mord und Totschlag agieren. In 15 rechtsextremistischen Verbänden, so schätzen Verfassungsschützer, seien etwa 1500 der rund 390 000 Jugoslawen in der Bundesrepublik organisiert und kämpften auch auf westdeutschem Boden gegen Staatschef Tito und für ein unabhängiges Kroatien.
Die Bitte aus Belgrad um Überstellung von acht Exilkroaten erging kurz nach jenem Zeitpunkt, da jugoslawische Sicherheitsbeamte in Zagreb vier mutmaßliche Terroristen der RAF gefaßt hatten, die deutsche Strafverfolger gerne in ihre Obhut nähmen -- und ließ damit die Polizei- zur Staatsaktion geraten: Das gegenseitige Auslieferungsbegehren wirkt zumindest wie ein poli-Weber Handel -- westöstlicher Terroristen-Tausch. In Bonn demonstrierten denn auch vergangene Woche rund 400 Kroaten: "Menschen sind keine Ware."
Was den Exilkroaten vorgeworfen wird, gaben jugoslawische Behörden vergangene Woche nur zögernd preis. Im Fall Bilandzic etwa, so wird angedeutet, gehe es um Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Publizierung von Aufrufen zur Gewalt und um Diebstahl von Waffen, mit denen später Jugoslawen auf Jugoslawen schossen.
Im Fall Milicevic erhebt das Kreisgericht Belgrad Vorwürfe, die so auch im Haftbeschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 26. Mai stehen: Er organisierte:
1. das Einschleusen des Terroristen Vinko Barisic mit 17 Zeitminen auf das Gebiet Jugoslawiens in der Absicht, im Juni 1975 eine Explosion an einem öffentlichen Gebäude herbeizuführen;
2. den Mord an einem Konsul in Frankfurt/M.
Auch der Haftbefehl gegen Dragoja stammt aus Belgrad, vom selben Gericht und vorn selben Tag. Auszug aus dem Haftbeschluß des OLG Frankfurt: In diesem Haftbefehl wird dem Verfolgten zur Last gelegt, Mitglied einer Vereinigung zu sein, die zu dem Zweck gegründet wurde, Mordanschläge und andere Verbrechen zu begehen. Er soll an der Verschickung von Paketminen beteiligt gewesen sein, die am 15. 6. 74 explodierten im Postamt Zagreb, wobei ein Mensch das Leben verlor und zwei Personen schwer verletzt wurden. Er soll ferner beteiligt gewesen sein an einem Minenanschlag auf den internationalen Zug "Hellas-Express. bei dem am 19. Juni 1977 bei Trbovlje ein Mensch das Leben verlor und acht Personen schwer verletzt wurden.
Zwei der drei inhaftierten Kroaten sind auch der westdeutschen Justiz einschlägig bekannt. Stipe Bilandzic wurde 1964 wegen Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die jugoslawische Handeismission im Bonner Vorort Mehlem, bei dem ein Hausmeister ums Leben kam, zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe fiel er westdeutschen Fahndern als Vorsitzender der mittlerweile verbotenen rechtsextremistischen Organisation "Kroatischer Nationaler Widerstand" (HNOtpor) auf -- ein exilkroatischer Bund. der sich in seinen Parolen gern radikal gab:
Unser Standpunkt ist klar: Jugoslawien muß zerstört werden -- mit Hilfe der Russen oder Amerikaner, von Kommunisten, Nicht-Kommunisten und Anti-Kommun;sten. Mit Hilfe eines jeden, der es auch zerstören will. Zerstören mit der Dialektik des Wortes oder mit Dynamit, aber bedingungslos zerstören. Denn wenn es einen Staat gibt, der keine Existenzberechtigung hat, ist dies Jugoslawien.
Sein Landsmann Dragoja sammelte schon international Terrorerfahrung. Bevor er im Sommer 1974 in die Bundesrepublik kam, hatte er in Australien wegen eines Sprengstoffdelikts eine Haftstrafe verbüßt. Kaum in Frankfurt, fiel der Kroate wieder auf, Knall auf Fall: Beim Basteln von Bücherbomben, die für den Versand nach Jugoslawien bestimmt waren, explodierte ein Teil von Dragojas 2,6 Kilogramm Gelatine-Sprengstoff, riß ihm die rechte [land ab und brachte ihn für zweieinhalb Jahre hinter Gitter.
Bilandzic, Milicevic und Dragoja gelten -- wie die übrigen zur Auslieferung erbetenen Kroaten -- jugoslawischen Regierungsstellen als militante Handlanger kleiner international operierender Kroatenverbände, die den Tito-Staat zerschlagen wollen. Die Organisationen, meist mit Zentralen in Übersee und zu Adenauers Zeit auch von der Bundesregierung finanziell gefördert, haben Westdeutschland zur bevorzugten Arena ihres Kampfes um Kroatien gemacht -- kaum verwunderlich denn auch, daß ihre Gegner ebenfalls im Bonner Staat zuschlagen.
Seinen Höhepunkt erreichte der kroatische Kleinkrieg auf deutschem Boden in den sechziger Jahren. Mal waren die Anführer kroatischer Exilverbände die Opfer, mal Repräsentanten des Tito-Staats. Die einen schoben dem jugoslawischen Geheimdienst Udba die Verantwortung für Terrorakte zu, ihre Gegner belasteten die untereinander rivalisierenden Kroaten-Cliquen. Und selbst westdeutsche Polizisten und Staatsschützer tappten bei der Suche nach Tätern und Hintermännern meist im dunkeln.
Die Kroaten-Gruppen, mitunter von Zentralen in Australien, Kanada und USA gesteuert, verfügen über eine ausgebaute Logistik und ein Netz ausgebildeter Kommandos. So wurden beispielsweise von Kurieren und Instrukteuren aus Übersee, die der verbotenen "Kroatischen Revolutionären Bruderschaft" (HRB) angehörten, in Westdeutschland konspirative Dreiergruppen aufgebaut, die für Mordanschläge in der Bundesrepublik und Terrortaten in Jugoslawien angesetzt werden. Und aus dem Ausland fliegen Kuriere Bares gleich kofferweise ein oder erledigen gezielte Spezialaufträge gegen Personen.
Umgekehrt sammeln westdeutsche Residenten schon mal in Balkan-Grillstuben und vor Cevapcici-Buden für das kroatische Guerilla-Ausbildungszentrum "Janka Pußta" in Übersee. Denn alles dient nur dem einen Ziel, das die "Vereinigten Kroaten in Deutschland e. V." so formulieren: "Jugoslawien zerstören, die serbischen Okkupanten über die Drina und Donau treiben ... revolutionärer Kampf auf Leben und Tod."
Allein in den letzten zehn Jahren, rechnen Exilkroaten vor, seien bei diesem Kampf rund 20 Tito-Gegner in der Bundesrepublik ermordet worden. Und daß die Behauptung von hier operierenden Tito-Agenten nicht aus der Luft gegriffen ist, scheint auch der Fall des illegal nach Westdeutschland eingereisten Jugoslawen Svilar zu belegen.
Svilar, im April gegen den in Belgrad wegen angeblicher Spionage festgehaltenen westdeutschen Arbeiterwohlfahrt-Referenten Eberhard de Haan ausgetauscht, saß seit November letzten Jahres im Ludwigshafener Untersuchungsgefängnis, weil er ein Attentat auf den abgesprungenen jugoslawischen Geheimdienst-Killer Franjo Goreta geplant haben soll (SPIEGEL 17/1978).
Goreta hatte in einem Prozeß vor Jahren die mörderischen Praktiken des jugoslawischen Geheimdienstes in der Bundesrepublik enthüllt, nachdem er einen Konsularbeamten getötet hatte. Er erhielt damals acht Jahre und soll nun, wie Insider sagen, auf der Belgrader Wunschliste stehen.
Oh auch in anderen Fällen Täter und Auftraggeber eher in Jugoslawien zu suchen sind, wurde offiziell nie geklärt. Mal wurde bei Köln ein aus Australien eingeflogener Funktionär der Aktion "Kroatischer Nationaler Widerstand" (HNO) hingerichtet und seine Leiche im Rhein versenkt, mal wurde in Kornwestheim ein Exilkroate per Kopfschuß liquidiert oder in München ein prominenter Emigrant erschlagen.
Andererseits wird Exilkroaten ein ganzes Register von Gewalttaten angelastet, etwa
* ein Mordkomplott gegen den jugoslawischen Konsul in Stuttgart -- vier Kroaten wurden zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten und vier Jahren verurteilt;
* Mord an dem Frankfurter Vizekonsul Edvin Zdovc, den bislang unbekannte Täter in seiner Privatwohnung erschossen;
* Mordversuch am jugoslawischen Vizekonsul in Düsseldorf -- zwei Täter, die HNOtpor-Aktivisten Pavle Perovic und Marko Krpan, wurden zu neun und mehr als zehn Jahren Haft verurteilt und sollen nun, nach jugoslawischem Wunsch, ebenfalls ausgeliefert werden.
Daneben gibt es im Balkan-Untergrund Jahr für Jahr zahlreiche Sprengstoff- und Brandanschläge, Messerstechereien und Erpressungen -- Delikte, für die Ermittler Kroaten und deren Gegner verantwortlich machen. Und bisweilen werden Exilkroaten auch im Heimatland aktiv.
So kämpften jugoslawische Sicherheitskräfte 1972 im westbosnischen Dorf Bugojno 19 "Ustaschen" (Aufständische) nieder, darunter sieben HRB-Mitglieder aus der Bundesrepublik. Zwei Jahre danach erschossen Polizisten im jugoslawischen Velebit-Gebirge zwei Terroristen, die zuvor in der Bundesrepublik gewohnt hatten. Bei ihnen und bei anderen militanten Tito-Gegnern wurden Waffen gefunden, die aus jenem Beutezug bei Saarbrücken stammten, in den der Kölner Bilandzic verwickelt sein soll.
Bislang freilich war Bilandzic eine Tatbeteiligung an der Saar nicht nachzuweisen. Und ob das Belastungsmaterial, das die jugoslawischen Behörden Ende letzter Woche gegen ihn und andere Kroaten nachschoben, die westdeutsche Justiz zur Auslieferung bewegen wird, ist offen.
In einem Fall hat ein zuständiger Generalstaatsanwalt das Ansinnen aus Belgrad schon abgewiesen.
DER SPIEGEL 23/1978 - Dialektik und Dynamit