Kroatien: Genosse Titos Jacht unterm Hammer
Mit der legendären "Galeb" umschiffte Jugoslawiens einstiger Staatschef die halbe Welt. Nun wurde sie zwangsversteigert.
Rijeka. Eigentlich hat der am Kai vertäute Kahn dem Arbeitgeber von Ivan Tutek nur Ärger beschert. Dennoch mustert der Mechaniker das langjährige Sorgenkind der Viktor-Lenac-Werft im kroatischen Rijeka mit liebevollem Blick. Die Einrichtung sei zwar weitgehend verrottet, aber im Grunde genommen sei die „Galeb“ („Möwe“) noch in einem „guten Zustand“, preist der Elektriker seinen vor sich hin rostenden Augapfel. Er freue sich, dass die 117 Meter lange Jacht nach jahrelangen Martyrium endlich überholt werde: „Die ,Galeb‘ ist nicht nur ein Schiff, sondern ein Symbol unserer Vergangenheit – und unseres früheren Staates.“
Eine dünne Zementschicht schützt auf dem Oberdeck die geschichtsträchtigen Teakholz-Planken. Fast drei Jahrzehnte ließ hier der internationale Jetset an Bord der Staatsjacht von Jugoslawiens früherem Autokraten Josip Broz Tito die Gläser klingen.
Wer in der Weltpolitik einst Rang und Namen hatte, schipperte als Gast von Tito über die Weltmeere. Von der britischen Königin Elisabeth über Äthiopiens Kaiser Haile Selassie, dem sowjetischen Kommunistenchef Breschnew, Indiens Premier Nehru, Ägyptens Präsident Nasser bis zum österreichischen UN-Generalsekretär Kurt Waldheim reicht die Gästeliste.
Parade der Hollywood-Stars
Gerne umgab sich der 1980 verstorbene Lebemann an Bord der „Möwe“ mit Stars aus dem Showgeschäft: Elizabeth Taylor, Richard Burton, Kirk Douglas oder Sophia Loren zierten die Passagierliste.
Ursprünglich war Jugoslawiens spätere Staatsjacht im italienischen Genua 1938 als Frachter gefertigt worden. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs rüsteten die Deutschen das Schiff zum Minenräumer „Kiebitz“ um: Im Hafen von Rijeka versenkten alliierte Kampfflugzeuge im November 1944 das Schiff.
Nach Kriegsende wurde es gehoben, in einer Werft im nahen Adriahafen Pula überholt und schließlich zum Schulschiff der jugoslawischen Marine umgebaut. Von 1952 an nutzte Tito die schmucke „Galeb“ selbst zu Staatsbesuchen auf anderen Kontinenten. „Flugzeuge waren damals noch nicht so populär“, erklärt Mechaniker Ivan, warum Tito mit seiner Dienstjacht mehr als 86.000 Seemeilen zurücklegte.
Der blutige Zerfall Jugoslawiens Anfang der 90er-Jahre sollte auch der „Galeb“ ein jahrelanges Martyrium bescheren. Während der Jugoslawien-Kriege war das Schiff vor der montenegrinischen Küste vertäut: Souvenirjäger nutzten die Gelegenheit und ließen den Großteil der Einrichtung mitgehen. Vor neun Jahren versilberte die Regierung Montenegros schließlich das legendäre Halbwrack – und verscherbelte es für 750.000 Dollar (536.000 Euro) an den amerikanisch-griechischen Reeder John Paul Papanikolou. Der ließ es nach Rijeka schleppen, wo es in der Lenac-Werft überholt werden sollte. Doch der Investor geriet in Finanznöte, häufte in neun Jahren sowohl bei der angeheuerten Schutzmannschaft als auch bei der Werft enorme Schulden an.
Zum Minimalpreis versteigert
Kroatiens Behörden erklärten das modernde Boot zwar zum nationalen Kulturgut und stellten es unter Denkmalschutz. Doch verhinderten die Anwälte des Eigentümers drei Jahre lang die mehrmals angesetzte Zwangsversteigerung.
Erst am Freitag kam die „Galeb“ schließlich unter den Hammer. Für den Ausrufungspreis von 150.000 Dollar hat die Stadt Rijeka die flügellahme Möwe erworben: Umgebaut zum Museum soll Titos Jacht zur neuen Attraktion der Hafenstadt werden.
Keineswegs solle ein neuer Persönlichkeitskult um Tito geschaffen werden, versichert Oberbürgermeister Vojko Obersnel. Doch die Geschichte der Galeb sei sehr eng mit Rijeka verbunden, führte er als Erklärung an, weshalb die Stadt mithilfe privater Partner das abgetakelte Schiff innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre zum Museum mit Restaurant, Konferenzsaal und Souvenirläden umrüsten lassen will. Rijeka wolle sich nun stärker als bisher als Ziel von Städte- und Kreuzfahrttourismus positionieren.
Er möge die Möwe und sei darum froh über den nahenden Abschied, sagt auf der Lenac-Werft Schiffsmechaniker Ivan: „Denn egal, ob man Tito nun mochte oder nicht: Sein Schiff ist ein Zeugnis unserer Geschichte und sollte erhalten bleiben.“
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