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Sifnos und Kreta, Santorin und Mykonos[/h] 22.06.2012 | 18:34 | von Walter Kaminski (Die Presse)
Mit Ferien in der Ägäis riskiert man wenig bis gar nichts und hilft zudem jenen, die am wenigsten an der Eurokrise schuld sind: den Menschen auf den Inseln, zum Beispiel auf den Kykladen und auf Kreta.
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Auf welcher griechischen Insel die Styria-Rocker von STS irgendwann einmal bleiben würden, das haben sie verschwiegen. Doch jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, ein Häuschen auf einer griechischen Insel zu erwerben. Ein Kandidat wäre zum Beispiel Sifnos: 75 Quadratkilometer klein, wie eine Speerspitze geformt und im Südwesten des Kykladen-Archipels zu finden. Eine wenig bekannte Destination, Marke Geheimtipp.
„Bis in den Jänner kann man baden, bei Temperaturen um 18 Grad“, sagt Apostolos Dimopoulos, der seit zwanzig Jahren auf Sifnos lebt und hier das Reisebüro Thesaurus aufgebaut hat. „Und heuer so günstig wie schon lange nicht,“ jammert er. „Die Deutschen lassen offenbar aus, wir mussten preislich stark nachlassen für die Veranstalter. Ich hoffe, dass uns die Banken jetzt nicht die Kredite fällig stellen. dann stehen wir die Krise schon irgendwie durch.“
Nicht nur schwimmen, auch wandern zählt zu den Lieblingsbeschäftigungen des drahtigen Apostolos, mit Sifnos hat er dafür einen idealen Wohnort gewählt. Die Insel ist überzogen mit Fuß- und Maultierpfaden, bis in die 1960er-Jahre eine Notwendigkeit, denn es gab keine Asphaltstraßen.
Vom Hafenort Kamares hinauf nach Apollonia sind es fünf Kilometer – das musste früher alles zu Fuß oder mit Tragtieren bewältigt werden. Heutzutage wiederum tut man beim Straßenbau etwas zu viel des Guten, dabei werden da und dort jahrhundertealte Wege zerstört. Der Pfad von Kamares nach Apollonia, einst die Lebensader von Sifnos, existiert aber noch, wenn auch nicht allzu gut erhalten. Die Straße führt an der anderen Seite des Tals entlang, dessen Hänge terrassiert und mit Olivenbäumen bestanden sind.
[h=2]Gold und Silber liebten sie sehr[/h] In der Antike war Sifnos kein Geheimtipp, sondern stinkreich. Die Insel lieferte Gold und Silber zur Münzprägung nach Ägina. Ein Zehntel war für das panhellenische Apollo-Heiligtum in Delphi bestimmt. Doch irgendwann erzürnten die Sifnoten den Gott, weil sie statt puren Goldes nur Vergoldetes lieferten. Zur Strafe für diesen Betrug ließ Apollo die Erde beben, die Gold- und Silberbergwerke versanken im Meer.
Den wahren Kern dieser Geschichte können Wanderer besichtigen. Im Inselnorden führt ein Pfad die Steilküste hinab, mit Marmorplatten ausgelegt, die teilweise aus antiken Zeiten stammen, bis zu einer Felszunge. Hier kann man sie sehen, die Überreste einstiger Silberminen, gewaltige Höhlen mit eingestürzten Decken, die bis unter den Wasserspiegel reichen.
Auch Apollo hat seinen Platz an eine neue Religion abtreten müssen: Die hübsche kleine Kirche von Agios Sostis schmückt einen Felsvorsprung. Und bevor man sich wieder an den schweißtreibenden Aufstieg zur Inselhochfläche macht (mehr als 250 Meter Höhenunterschied), nimmt man am besten an der einsamen Marmorsteinküste noch ein erfrischendes Bad.
[h=2]Zweimal täglich kommt die Fähre[/h] Im Schnitt zweimal täglich legen große Autofähren aus Piräus in Kamares an, die die westliche Kykladen-Route abklappern: Kithnos, Serifos, Sifnos, Milos, Kimolos und retour nach Piräus. Etwa sechs Stunden braucht man auf diese Weise von Athen nach Sifnos; im Sommer, wenn sich die 2700 Köpfe zählende Inselbevölkerung verfünffacht, gibt es für die Urlaubsgäste auch eine Schnellfähre, die die Fahrzeit auf die Hälfte verkürzt. Ferienhäuser, Pensionen und kleine Hotels sind vor allem in den Badebuchten im Süden angesiedelt, wo sich die schönsten und längsten Sandstrände finden. Wandertouristen quartieren sich primär in Apollonia ein, wo die meisten Routen ihren Anfang nehmen.
Und was für Routen: Oft mit Marmor gepflastert, von mannshohen Trockenmauern aus sorgfältig geschichteten Steinen eingefasst, führen sie durch die Hügellandschaft mit ihren Terrassenkulturen und Kapellen, Kirchen und verlassenen Klöstern.
„Es gibt sicher mehr als 500 davon“, schätzt Apostolos Dimopoulos die Zahl der Sakralbauten, die, wie es sich für die Kykladen gehört, alle in Weiß und Blau in der Sonne strahlen. Zweimal im Jahr wird die Fassade frisch gekalkt, und zweimal im Jahr gibt es Kirchenfeste, bei denen das nötige Geld aufgetrieben wird. Wenn am 17. Juli im ältesten christlichen Bauwerk von Sifnos gefeiert wird, dann bleiben die Festgäste gleich über Nacht, denn das Prophet-Elias-Kloster aus dem achten Jahrhundert steht auf dem höchsten Punkt der Insel, dem 680 Meter hohen Prophet-Elias-Berg. Von Apollonia sind es zwei Stunden Fußmarsch hinauf. Die Anlage ist riesig, mit Schiefersteinummauerung, einer dreischiffigen Kreuzkuppelkirche mit byzantinischem Doppeladler und Marmorikonostasen, mit Zellentrakten, Wirtschaftsräumen, Refektorium und Katakomben. Mönche leben hier schon seit über hundert Jahren nicht mehr, man kann in dem einsamen Gemäuer nach Herzenslust herumstöbern und das Dach besteigen, von wo aus man einen fantastischen Rundblick auf acht Nachbarinseln hat. Apostolos Dimopoulos zufolge ist an besonders klaren Tagen, meist im Frühling, sogar Kreta in der Ferne zu sichten.
[h=2]Granatäpfel, Wein, Kapernranken[/h] Man muss aber nicht auf die Berge steigen, auch in und um Apollonia, das mit seinen Nachbarorten auf der zentralen Hochfläche eine zusammenhängende Siedlung bildet, gibt es viel zu sehen. Kykladentypisch sind die würfelförmigen Häuser ineinander verschachtelt, schmale gepflasterte Gassen mit Treppenstufen führen kreuz und quer durch das Häuserlabyrinth. Taubenhäuser, Windmühlen und die Ruinen zyklopischer antiker Wachtürme finden sich über die Landschaft verstreut. In Gartenkulturen gedeihen Oliven, Feigen, Granatäpfel, Zitrusfrüchte, Weintrauben und Mandeln, an den Wänden wuchern Kapernranken. Katzen, Ziegen, Pferde, Esel und Schafe kreuzen den weitgehend autofreien Pfad der Wanderer, Viehzucht ist auf Sifnos noch ein wichtiger Wirtschaftszweig.
Typisch für das Ortsbild sind auch die Flari, getöpferte Schornsteine in fantasievollen Formen, meist mit Vogelköpfen geschmückt. Sifnos hat zwar kein Gold mehr, dafür aber exzellente Talkschiefertonerde, die heute noch sieben Töpferfamilien Arbeit und Brot gibt. Sifnotische Keramiken sind besonders feuerfest, hervorragende Kochtöpfe für die speziellen Gerichte der Insel: Revithada – im Ofen gegarte Kichererbsen, deren Zubereitung zwei Tage in Anspruch nimmt. Oder Mastelo – mit Rotwein und Anis mariniertes Lamm, das ebenfalls langsam im Tontopf geköchelt wird.
Quelle:
Sifnos und Kreta, Santorin und Mykonos « DiePresse.com
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