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[h=1]Kosovos Kriegshelden im Visier[/h][h=6]Thomas Fuster, Wien Mittwoch, 23. April 2014, 10:00[/h]MerkenDruckenE-Mail
Dick Marty, der frühere Tessiner Ständerat, brachte Führungsleute der UCK – einige gelten als Kriegshelden wie etwa der amtierende Regierungschef Hashim Thaci (Bild) – mit diversen Verbrechen in Zusammenhang. (Bild: Reuters)[h=5]Ein neues Sondertribunal soll Verbrechen von Rebellen der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UCK untersuchen. Der von führenden Politikern in Kosovo hochgehaltene Opfermythos gerät ins Wanken.[/h]Im albanisch dominierten Kosovo soll ein Sondertribunal ins Leben gerufen werden, das sich schwergewichtig mit Kriegsverbrechen beschäftigen wird, die während und kurz nach dem Kosovokrieg (1998/99) an ethnischen Minderheiten und vorab Serben begangen worden sind. Das Parlament des jungen Balkanstaates dürfte voraussichtlich noch diese Woche die rechtlichen Grundlagen zur Etablierung des Tribunals schaffen. Aus freien Stücken erfolgt sie zwar nicht; angesichts des anhaltenden, hohen Drucks sowohl der EU als auch der USA, rund eineinhalb Jahrzehnte nach Kriegsende endlich auch die von kosovo-albanischer Seite begangenen Verbrechen juristisch aufzuarbeiten, gibt es aber kaum eine Alternative zur Verabschiedung der in Kosovo erwartungsgemäss wenig populären Vorlage.
[h=4]Dick Marty als Auslöser[/h]Das Tribunal ist die direkte Folge eines Ende 2010 vom damaligen Sonderberichterstatter des Europarats, Dick Marty, veröffentlichten Berichts. Der frühere Tessiner Ständerat brachte darin Führungsleute der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UCK – einige gelten als Kriegshelden wie etwa der amtierende Regierungschef Hashim Thaci – mit diversen Verbrechen in Zusammenhang. Für Schlagzeilen sorgte dabei vor allem der Vorwurf des illegalen Organhandels kurz nach dem Krieg. Laut den Darlegungen Martys sollen serbischen Gefangenen und kosovo-albanischen Kollaborateuren im Sommer 1999 überlebenswichtige Organe entfernt und auf dem Schwarzmarkt verkauft worden sein. Der Vorwurf wird seit Herbst 2011 vom Sonderermittler der EU-Rechtsstaatsmission Eulex, John Clint Williamson, untersucht; der amerikanische Diplomat will seinen Bericht im Juni vorlegen.
Der Sitz des beabsichtigten Sondertribunals würde gemäss Plänen formell zwar in Kosovo liegen. Die ausschliesslich von internationalen Richtern geleitete Behörde würde jedoch den Grossteil ihrer Arbeit ausserhalb des Balkanstaates erledigen, und zwar vor allem in den Niederlanden, wo man mit Blick auf das Haager Kriegsverbrechertribunal bereits reichhaltige Erfahrungen gesammelt hat mit der juristischen Aufarbeitung des kriegerischen Zerfalls von Jugoslawien. Ein wichtiger Grund für die Auslagerung nach Den Haag dürfte auch der in Kosovo nur sehr unzureichende Zeugenschutz sein. So sind in den vergangenen Jahren wiederholt Zeugen, die bereit waren, gegen frühere Kommandanten und Mitglieder der UCK auszusagen, massiv eingeschüchtert oder umgebracht worden.
Das Tribunal stürzt Kosovos führende Politiker in ein Dilemma. Seit Kriegsende pflegen sie das etwas allzu simple Narrativ, wonach die Albaner als Opfer einen gerechten und sauberen Abwehrkampf führten, während die Serben als einzige Gewalttäter auftraten. Nicht erst seit dem Marty-Bericht ist indes offenkundig, dass im Zusammenhang mit dem ungeklärten Verschwinden von mehreren hundert Menschen, vor allem zahlreichen Serben, auch die UCK schwere Verbrechen begangen hat. Wenn diese Taten bisher gar nicht oder nur halbherzig aufgearbeitet wurden, ist das nicht nur Pristina zuzuschreiben, sondern auch dem politischen Opportunismus des westlichen Auslands, das sich im Zuge der Nato-Luftangriffe gegen Serbien auf die Seite der UCK-Rebellen gestellt hatte.
[h=4]Westlicher Druck[/h]Kosovos Ministerpräsident Thaci, dem Marty in seinem Bericht die Führung einer mafiaähnlichen Organisation vorwirft, wertet das Tribunal als ungerecht und als Beleidigung für Kosovo. Dennoch empfiehlt er dem Parlament, die Bildung des Gerichts und die damit verbundene Verlängerung des Eulex-Mandats um weitere zwei Jahre zu beschliessen. Die Regierung kann es sich kaum leisten, dem Druck der EU und des amerikanischen Verbündeten zu widerstehen. Zudem wäre es der internationalen Legitimierung des institutionell noch ungefestigten Staates wohl wenig förderlich, wenn er sich gegen eine gerichtliche Untersuchung begangener Verbrechen bei der Loslösung von Serbien zur Wehr setzen würde.
[h=4]Dick Marty als Auslöser[/h]Das Tribunal ist die direkte Folge eines Ende 2010 vom damaligen Sonderberichterstatter des Europarats, Dick Marty, veröffentlichten Berichts. Der frühere Tessiner Ständerat brachte darin Führungsleute der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UCK – einige gelten als Kriegshelden wie etwa der amtierende Regierungschef Hashim Thaci – mit diversen Verbrechen in Zusammenhang. Für Schlagzeilen sorgte dabei vor allem der Vorwurf des illegalen Organhandels kurz nach dem Krieg. Laut den Darlegungen Martys sollen serbischen Gefangenen und kosovo-albanischen Kollaborateuren im Sommer 1999 überlebenswichtige Organe entfernt und auf dem Schwarzmarkt verkauft worden sein. Der Vorwurf wird seit Herbst 2011 vom Sonderermittler der EU-Rechtsstaatsmission Eulex, John Clint Williamson, untersucht; der amerikanische Diplomat will seinen Bericht im Juni vorlegen.
Das Tribunal stürzt Kosovos führende Politiker in ein Dilemma. Seit Kriegsende pflegen sie das etwas allzu simple Narrativ, wonach die Albaner als Opfer einen gerechten und sauberen Abwehrkampf führten, während die Serben als einzige Gewalttäter auftraten. Nicht erst seit dem Marty-Bericht ist indes offenkundig, dass im Zusammenhang mit dem ungeklärten Verschwinden von mehreren hundert Menschen, vor allem zahlreichen Serben, auch die UCK schwere Verbrechen begangen hat. Wenn diese Taten bisher gar nicht oder nur halbherzig aufgearbeitet wurden, ist das nicht nur Pristina zuzuschreiben, sondern auch dem politischen Opportunismus des westlichen Auslands, das sich im Zuge der Nato-Luftangriffe gegen Serbien auf die Seite der UCK-Rebellen gestellt hatte.
[h=4]Westlicher Druck[/h]Kosovos Ministerpräsident Thaci, dem Marty in seinem Bericht die Führung einer mafiaähnlichen Organisation vorwirft, wertet das Tribunal als ungerecht und als Beleidigung für Kosovo. Dennoch empfiehlt er dem Parlament, die Bildung des Gerichts und die damit verbundene Verlängerung des Eulex-Mandats um weitere zwei Jahre zu beschliessen. Die Regierung kann es sich kaum leisten, dem Druck der EU und des amerikanischen Verbündeten zu widerstehen. Zudem wäre es der internationalen Legitimierung des institutionell noch ungefestigten Staates wohl wenig förderlich, wenn er sich gegen eine gerichtliche Untersuchung begangener Verbrechen bei der Loslösung von Serbien zur Wehr setzen würde.