Artikel über die Schickeria München
Schickeria München (Ultras des FC Bayern): Das steckt dahinter | FC Bayern
"Lebe Ultra, um München zu lieben"
[h=2]Schickeria München: Das steckt dahinter[/h]Aktualisiert: 11.11.2014 - 11:13
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© sampics / Stefan Matzke
München - Die Schickeria München ist die Ultra-Gruppierung des FC Bayern. Die Hardcore-Fans sorgen allerdings nicht nur mit Stimmung und Choreographien für Schlagzeilen. Ein Porträt.
Spricht man von den Hardcore-Fans des FC Bayern, von denen, die singen, klatschen und für Stimmung sorgen, so fällt immer ein Name: Schickeria München (SM). Sie sind die bekannteste und wohl auch meistdiskutierte Fan-Gruppierung des deutschen Rekordmeisters. Mit Choreographien (in Zusammenarbeit mit dem
Club Nr. 12), lautstarken Gesängen und imposanten Fan-Märschen sorgen sie dafür, dass die Fans des FC Bayern ein beeindruckendes Bild abgeben - egal, wo ihr Team spielt. Doch es gibt auch kritische Stimmen zu dieser Gruppierung, die auch gewalttätige Auseinandersetzungen thematisieren. Wir werfen einen Blick auf die Schickeria und stellen die Hardcore-Fans vor, die nur sehr selten mit der Presse interagieren.
[h=3]Schickeria München, gegründet 2002[/h]
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Ursprung der Schickeria: Die Südkurve im Olympiastadion.
© sampics / Stefan Matzke
Im Herbst 2001, einige Monate nach dem Gewinn der Champions League, beschlossen einige Fans der Bayern, ihre Kräfte zu bündeln. So kam es, dass die einzelnen Fan-Gruppierungen sich im Zuge des sogenannten "Projekt T-Block" zusammen taten und in den unteren Bereich des Blocks T des Olympiastadions umzogen, um dort gemeinsam den FCB zu unterstützen. Doch dieses Projekt trug nicht die Früchte, die sich die Anhänger erhofft hatten. Beim Auswärtsspiel des FC Bayern in Stuttgart (02.03.2002) traten dann alle Ultra-interessierten als "Gruppo Ultra" auf. Das funktionierte so gut, dass man sich nach einigen Treffen und Abstimmungen zur "Schickeria München" zusammenschloss.
Die Ultras unterhalten auch Freundschaften zu Gruppierungen anderer Vereine. Dazu gehören die Ultrà Sankt Pauli, nach Bochum, zur Horda Azzuro von Carl-Zeiss Jena,
der Brigate Rossoblu 1984 von Civitanovese Calcio aus der italienischen Serie D sowie den Ultramarines von Girondins Bordeaux. Diese Gruppen beeinflussten die Schickeria München (Abkürzung: "SM") nachhaltig und bis heute.
War es früher noch ein vergleichsweise einfacher Weg in die Schickeria, so muss der interessierte Anhänger heute die Gruppe von sich und seiner gewünschten Mitgliedschaft überzeugen. "Der Weg in unsere Gruppe führt jetzt aber nicht mehr einfach nur zum Streetworkbus sondern über Engagement und Herzblut für die Südkurve", schreibt die Schickeria selbst
auf ihrer Homepage. "Wir wollen Euch kennen und Euer Engagement einschätzen können, bevor Ihr bei uns Mitglied werden könnt. Wir wollen wissen, ob Ihr unsere Ziele und Werte verstanden und verinnerlicht habt." Und genau darum geht es in der SM: Zusammenhalt, eine Einheit bilden. Ihr Motto: "Lebe Ultra, um München zu lieben". Auch wegen des geänderten Kurses der Gruppe zählt die Schickeria aktuell etwa 130 Mitglieder - es waren einmal 700. Standpunkt in der Arena ist der untere Teil der Blöcke 112 und 113, direkt hinter dem Tor.
[h=3]Schickeria München will soziale Kompetenzen vorleben[/h]Was oftmals außer Acht gelassen wird, an dieser Stelle aber nicht vergessen werden darf: Das Engagement der SM geht über den Tellerrand des Stadionbesuchs hinaus. Sie ist auch im sozialen Bereich überaus aktiv. Die SM macht in ihrer Gruppen-Politik keinen Unterschied zwischen Religion, Nationalität oder Geschlecht. "Gerade in der männerdominierten Welt des Fußballs alles andere als selbstverständlich. Bei uns sind die Mädels einfach 'nur' Mitglied", heißt es auf der Homepage. Werte wie Toleranz, Solidarität, Respekt und Freundschaft sollen vorgelebt werden.
Bekannt ist auch der Einsatz der Gruppe gegen Rassismus und Verfolgung. Sinnbildlich hierfür ist das antirassistische Fußballturnier der Schickeria München um den Kurt-Landauer-Pokal, zu Ehren des berühmten Ex-Präsidenten des FC Bayern. Dieses findet seit 2006 statt. Für ihren Einsatz und der Widerbelebung der Erinnerung an Kurt Landauer erhielt die Gruppe 2014 den Julius-Hirsch-Preis des DFB für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit.
[h=3]Schickeria München: "Koan Neuer" und Gewalt[/h]
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Manuel Neuer im Schalke-Trikot vor den Fans in der Südkurve am 02.03.2011. Deutlich zu sehen: Die "Koan Neuer"-Zettel.
© Stefan Matzke / sampics
Doch es gibt auch die andere Seite der Medaille, sorgte die Schickeria München doch bereits für einige negative Schlagzeilen. Als Nationaltorhüter Manuel Neuer im April 2011 bekanntgab, den FC Schalke 04 zu verlassen und sich somit der Wechsel zum FC Bayern andeutete, startete die SM die Kampagne "Koan Neuer". Mit zahlreichen Zetteln und Plakaten wollten sie so den Wechsel Neuers nach München verhindern und stifteten zahlreiche weitere Anhänger zu diesem Protest an. Das stieß vielen Fußball-Anhängern übel auf. Mittlerweile hat sich das Verhältnis allerdings normalisiert.
Doch viel schlimmer war das, was sich im Mai 2007 zugetragen hat. An einer Autobahnraststätte bei Würzburg attackierten Mitglieder der SM einen Bus mit Nürnberger Fans. Dabei wurde eine Frau so schwer mit einer Bierflasche verletzt, dass sie auf einem Auge die Sehkraft verlor. "Wenige Leute haben unsere Ideale und damit 700 Leute verraten", sagte damals ein SM-Mitglied, "in wenigen Minuten wurde alles zerstört". Drei Täter wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die gesamte SM wurde daraufhin vom Verein für einige Zeit aus dem Stadion verbannt.
[h=3]Schickeria München vs. Verein[/h]Die Schickeria ist mit ihrer Gangart schon des öfteren mit dem Verein aneinandergeraten. Ihre Forderung nach einer Fan-Kurve, "in der die Inhalte von Choreographien und Spruchbändern, Info-Flyer und Fanzines nicht zensiert werden" und "ohne Dauerkontrolle durch Ordner und Polizisten, ohne totale Überwachung durch Kameras" sind durch den FC Bayern nicht erfüllbar. Auch die Legalisierung von Pyrotechnik ist nicht verhandelbar. Zwischenfälle, wie die "Koan Neuer"-Kampagne oder die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Fan-Gruppen belasteten jahrelang das Verhältnis der Ultras mit dem FC Bayern.
Immerhin: Bei der Forderung nach mehr echten Stehplätzen, besserer Regulierung der Aufteilung der Blöcke und die Wiederabschaffung der Drehkreuze vor der Südkurve ging der Verein auf die Fans zu. Er nahm die Kritik der Anhänger ernst, und so konnten durch konstruktive Gespräche Lösungen gefunden werden. Diese endeten im
Umbau der Südkurve, einem
neuen Verteilungssystemen bei den Dauerkarten und einer eigenen
Ticket-Tauschbörse. Das Verhältnis entspannt sich wieder.
[h=3]Schickeria München ist "normalen" Fans unheimlich[/h]
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Die Schickeria fällt regelmäßig durch den Einsatz von Pyrotechnik auf.
© MIS
Dennoch sorgen die bereits genannten Vorfälle für eine zwiespältige Wahrnehmung der Gruppe - auch bei der Gesamtheit der Bayern-Anhänger selbst. Nicht zuletzt, weil das Auftreten der Ultras sich von dem der "normalen" Fans unterscheidet: Sie tragen schwarze Pullis, Sonnenbrillen, sind schwer zu identifizieren. Entgegen der Fan-Masse tragen sie keine Trikots, kaum eindeutige Vereinsfarben. Im Gegenteil, sie tragen meist selbst-designte Mode. Dazu wirken sie durch ihre Art und Weise des Auftretens mit Spruchbändern, Gesängen und oftmals provozierenden Gesten für viele Beobachter wie eine Bedrohung. Grundsätzlich sind Ultras gegen Gewalt, da macht auch die Schickeria München keine Ausnahme. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, und schwarze Schafe gibt es überall.
Die Schickeria München - ein vielschichtiges Thema.