[h=1]Syriens Orte der Versöhnung[/h] [h=2]Im Umfeld von Damaskus haben Aufständische und Armee Verhandlungslösungen gefunden. Rebellen werden in Nationale Verteidigungskräfte integriert[/h] Von Karin Leukefeld, Damaskus
»Hände weg von Syrien«, fordern Regierungsanhänger bei einer Demonstration am Samstag in Damaskus
Foto: EPA/YOUSSEF BADAWI (c) dpa - Bildfunk
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Seit Monaten verfolgt die Regierung in Damaskus einen strikten Kurs von Verhandlungen und Versöhnung mit lokalen Aufständischen, der auch in der Umgebung von Damaskus allmählich Früchte trägt. Grundprinzip dabei ist, daß Vereinbarungen nur mit einheimischen, nicht aber mit ausländischen Kämpfern geschlossen werden. Im Umland von Damaskus haben in den letzten Wochen mehrere tausend Kämpfer ihre schweren Waffen abgegeben.
Vorbereitet wurden die Verhandlungen von Vermittlern, die im Auftrag der Bevölkerung Kontakt sowohl zur Armee als auch zu den Rebellengruppen aufgenommen haben, um ein Ende der Kämpfe zu erreichen. Diese Geistlichen, Stammesführer und angesehenen Persönlichkeiten werden von den landesweit aktiven Komitees für nationale Versöhnung unterstützt, die im Auftrag des gleichnamigen Ministeriums arbeiten. Die Armee hat Offiziere autorisiert, ihre Forderungen zu formulieren. Sobald die Aufständischen ihren Kampf einstellen würden, solle ein Prozeß der Versöhnung beginnen. Die Kämpfer der Rebellen übergaben ihr schweres Kriegsgerät, konnten »leichte« Waffen wie Gewehre aber behalten. Nun sollen sie im Rahmen der neu formierten Nationalen Verteidigungskräfte in ihren Gebieten für Sicherheit sorgen, wofür sie einen monatlichen Lohn erhalten. Die Nationalen Verteidigungskräfte unterstehen der syrischen Armee.
Erste Vereinbarungen im vergangenen Jahr waren zunächst von Geheimdiensten unterlaufen worden. »Viele der Kämpfer, die wir davon überzeugen konnten, sich der Armee zu ergeben, wurden festgenommen und inhaftiert«, berichtete ein Mitarbeiter eines Versöhnungskomitees der libanesischen Zeitung Al-Akhbar. Die Komitees hätten dadurch an Glaubwürdigkeit verloren, Mitglieder »wurden von den Kämpfern aus Rache ermordet«. Erst als sich ein Offizier der Republikanischen Garde im Auftrag der politischen Führung eingeschaltet habe, sei der Prozeß vorangekommen. Die Versöhnungskomitees sprachen mit den Anführern der Rebellen, die wiederum die ausländischen Kämpfer aufforderten, ihre Ortschaften zu verlassen. Ein Aufständischer aus Babila berichtete, daß sie daraufhin von Kämpfern aus Saudi-Arabien, Tunesien und Libyen sowie von der Al-Nusra-Front bedroht worden seien. Diese hätten die Mitglieder der Versöhnungskomitees als »Schabiha« beschimpft, »Banden des Regimes«. Tatsächlich habe es sich aber um angesehene Personen gehandelt, denen die Bevölkerung vertraue.
Die Vereinbarungen garantieren wieder freien Zugang zu den Ortschaften, Lebensmittel und Hilfsgüter können passieren. Gefangene werden freigelassen, der Staat stellt die lokale Infrastruktur wieder her. Lokale Volkskomitees wurden gewählt, die für die Administration vor Ort verantwortlich sind. Bisher gelten die Vereinbarungen für die Orte Barzeh, Babila, Beit Saham, Muadamija, Qutseija, Madaja, Zabadani und Jarmuk. In Arbin und Harasta wird verhandelt, in Dareja und Dschobar wird weiter gekämpft.
Kritiker dieser Versöhnung gibt es sowohl auf seiten der Kampfverbände als auch von Regierungsseite. Er habe den Eindruck, drei Jahre lang umsonst gekämpft zu haben, sagt ein Soldat, der mehrmals verletzt worden war: »Welche Garantie gibt es, daß sie uns nicht in den Rücken fallen?« Die Armee habe Syrien gegen Terroristen verteidigt. »Und jetzt sollen die normale Bürger sein?« fragt er. Was sollten diejenigen denken, die noch immer an der Front kämpfen müßten, sagt ein anderer Soldat. »Familien aus Muadamija senden den Kämpfern in Dareja Lebensmittel«, will er eine Unterstützung der Rebellen aus befriedeten Ortschaften ausgemacht haben.
Viele Damaszener aber sind froh, daß die Waffen an immer mehr Fronten schweigen. Mouaz, ein Vater von zwei Kindern, bereitet sich auf die Rückkehr nach Muadamija vor. Mit seinem Vater wird er in wenigen Tagen die Eingangstür seines Hauses erneuern, die eingetreten worden war. Im Haus selbst sei nur wenig zerstört oder gestohlen worden, freut er sich: »Sie haben vor allem nach Essen gesucht.«