Interview mit Hassan Aboud, politischer Führer der Jabha al-Islamiyya und Anführer der Ahrar al-Sham
Das auf dem englischen Ableger von al-Jazeera veröffentlichte Interview ist mit englischen Untertiteln versehen und hat somit eine große Bedeutung auch für Außenstehende und Nicht-Muslime. Der Reporter geht darum auf all jene Punkte ein, die von Nicht-Muslimen kritisch gesehen werden, wie die Themen Scharia, Frauenrechte, Minderheitenrechte, Schutz von Zivilisten im Kampf usw. Aboud ist sich der diplomatischen Verantwortung bewusst und spricht darum mit bester Art und Weise über die Vorhaben der islamischen Bewegung und entzieht den Behauptungen der islamischen Bewegung gegenüber den Nährboden, indem er die Gerechtigkeit des islamischen Systems aufzeigt.
Die Hauptpunkte, die er erwähnt, kurz zusammengefasst:
- Abboud spricht sich für das Anstreben eines islamischen Staates aus, wobei er den Ausblick auf das noch höhere Ziel gewährt, ein Kalifat zu gründen, in dem sich islamische Staaten zu einem Ganzen zusammenfügen. Dafür gibt er die Metapher der Europäischen Union, in der sich Staaten zusammen geschlossen haben und die Ländergrenzen frei und ohne Einschränkungen überquert werden können. Zugegebener Maßen ist die metaphorische Beschreibung nicht gut gelungen, im Hinblick darauf Muslime zu überzeugen. Vielmehr ist sie eine an den Westen adressierte Metapher, wo sie ihre Zweckmäßigkeit erfüllen soll.
- Religiösen und ethnischen Minderheiten sollen in den islamischen Staat nach den schariatrechtlichen Vorgaben eingegliedert werden.
- Hervorgehoben wird die Stellung von Christen. Deren Besitz und Leben soll nach den Vorgaben der Scharia geschützt werden.
- Die islamischen Rechte der Frau sollen im islamischen Staat gewahrt werden.
- Zur FSA sagt Abboud, dass diese mehr ein Konzept oder Allgemeinbegriff sei, als eine real existierende Gruppe. Damit deutet Abboud an, dass nicht die Rede davon sein kann mit der FSA zu kooperieren, da diese so nicht existiert. Lediglich mit real existierenden Gruppen kann kooperiert werden, insofern diese Sympathie mit dem islamischen Projekt der Jabha al-Islamiyya zeigen.
- Die Jabhat al-Nusra sei eine sehr effektive Gruppe auf dem Schlachtfeld, welche das Regime bekämpft und seit ihrer Gründung keine Probleme hatte mit anderen kämpfenden Gruppen. Darum sei eine anhaltenden Kooperation mit ihnen zu begrüßen.
- Zur ISIS sagt Abboud, diese sei nach einer Spaltung der Jabhat al-Nusra entstanden. Man habe mit ihnen in einigen defensiven Operationen zusammen gearbeitet, jedoch stimme man nicht mit allen Punkten von deren Agenda überein. In dem Punkt den islamischen Staat zu errichten, sei man sich, wie mit anderen Gruppen auch, natürlich einig, dabei gebe es aber in strategischen und taktischen Methoden kleine Unterschiede. So setzen die Ahrar al-Sham keine Istishhadis ein, sondern benutzen ferngesteuerte Fahrzeuge, um Assadisten anzugreifen.
Der Hauptunterschied zwischen der Jabha al-Islamiyya und der ISIS bestehe jedoch in der Sichtweise der ISIS anderen kämpfenden Gruppen gegenüber, welche "Verstöße" begehen. Mit "Verstößen" meint Abboud wahrscheinlich das tribale Verhalten einiger, wie etwa der Gruppe "Musab bin Umayr Brigade", welche unter dem Kommando der Ahrar al-Sham steht und zuletzt durch ihr Verhalten Probleme mit der ISIS verursachte.
Abboud bleibt in diesen Punkten scheinbar bewusst undeutlich. Angesichts der Spannungen, die sich zwischen ISIS und Ahrar al-Sham zugetragen haben, ist die undeutliche Ausdrucksweise von Abboud nachvollziehbar. Beide Gruppen haben bei den letzten Auseinandersetzungen die Scharia-Gerichte konsultiert und sich darauf geeinigt, keine weitere Fitna entstehenzulassen.
- Was Verhandlungen mit dem Westen angeht, so betont Abboud das keinesfalls Gespräche mit dem Westen geführt worden sind, sondern es wurden Repräsentanten geschickt, die über die Ziele der islamischen Bewegung aufklären, ohne darüber zu verhandeln. Ob Mitglieder der Jabha al-Islamiyya dabei waren, wurde nicht von Abboud erwähnt. Er hat darüber allgemein gesprochen und auch kein spezielles Treffen und keinen Ort genannt.
- Nach Abboud werden keinesfalls Abgesandte der Jabha al-Islamiyya an den geplanten Friedensverhandlungen in Genf teilnehmen. Das Assad-Regime hat jüngst die Vorbedingung geäußert, die Macht nicht abzugeben. Es gebe darum absolut keinen Sinn, an solchen Verhandlungen teilzunehmen. Die einzigen Gruppen, die dort von der Opposition teilnehmen, sind Gruppen, die nicht auf den Schlachtfeldern präsent sind. Sie haben darum keine Autorität. Die Jabha al-Islamiyya wird hingegen die Schlacht weiterführen wie bisher und um die Rechte der Muslime auf den Boden kämpfen.
- Auf die Frage, ob Assad den Krieg gewinnen wird, wie einige Analysten sagten, antwortet Abboud, dass es sich bei solchen Aussagen um Propaganda handelt, die bereits seit zweieinhalb Jahren ständig wiedederholt werde. Gegen die Behauptung, das Regime würde in al-Ghouta al-Sharqiyya Fortschritte machen, sagt Abboud, dass das Gegenteil zutrifft. Die Assadisten haben viele Verluste in al-Ghouta erlitten.
Talk to Al Jazeera - Hassan Abboud: 'We will fight for our rights' - YouTube