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[h=1]80 Jahre Genozid und Vertreibung der Yeziden aus dem Osmanischen Reich[/h] Karame Ankosi
In diesem Jahr wird der Genozid und die Vertreibung der Yeziden aus dem Osmanischen Reich 80 Jahre alt. Was sich vor 80 Jahren abspielte, ist das schrecklichste, grausamste und blutigste Blatt in der Geschichte der Anhänger der uralten yezidischen Religion.
Damals haben die Moslems im Nordosten des Osmanischen Reichs auf Befehl der osmanischen Behörden nach dem Völkermord an den Armeniern [1,5 Millionen Tote, Anm. der Red.] ein unvorstellbares Blutbad bei den Yeziden veranstaltet. Tausende von Yeziden wurden regelrecht hingeschlachtet. Nur ein kleiner Teil konnte sich durch Flucht nach Armenien und Georgien von den moslemischen Truppen retten.
Dieses schwere Verbrechen des Osmanischen Reichs ist von allen vergessen worden - außer den Yeziden. Die Weltöffentlichkeit verschweigt bis heute diese empörenden Fakten der aus religiösen Gründen groß angelegten, planmäßigen Vernichtung und Vertreibung einer großen Volksgruppen. Dieses unsagbare Geschehen findet nicht einmal Einlaß in den Geschichtsbüchern. Aber das Erinnerungsvermögen der Yeziden bewahrt es auf, wenn es auch sehr lange zurück liegt.
Die Yeziden lebten seit uralten Zeiten in ihrer Heimat, die im Mittelalter von den osmanischen Sultans erobert wurde. Von der Zeit an haben die osmanische Behörden mit Zwangsmaßnahmen immer wieder versucht, ihren moslemischen Glauben den Yeziden aufzuzwingen, um endgültig die Herrschaft über sie zu erhalten. Die Yeziden waren im Osmanischen Reich einer doppelten Unterdrückung ausgesetzt - der religiösen als Yeziden und der nationalen als Kurden. Die Yeziden widersetzten sich standhaft den Assimilierungsbestreben der Osmanen.
Die von Haß gegen die Yeziden entbrannten Führer des Osmanischen Reichs warteten auf einen günstigen Zeitpunkt, um mit den unbeugsamen Yeziden abzurechnen.
Ende des 19. – Anfang des 20. Jahrhunderts wurden während der russisch-türkischen Kriege mehrere Gebiete des Osmanischen Reichs u.a. Wan, Bajazid, Kars, Suimali, Gebiete in denen hauptsächlich Yeziden lebten, von den russischen Truppen erobert.. Die Yeziden wurden der Macht der russischen Militärbehörden unterstellt, die in Bezug auf die Yeziden eine religiose Toleranz bewiesen und sie unterstützten. Nach der Revolution in Rußland im Jahre 1917 verließ die russische Armee die okkupierten Gebiete. Somit haben die osmanische Truppen erneut das Land der Yeziden unter ihre Macht bekommen und entfachteten gegen den Yeziden einen religiösen Vernichtungsfeldzug.
Die vereinigten osmanischen Truppen überfielen unter der islamische Flagge yezidische Siedlungen: Sie plünderten, zündeten die Häuser an und schlachteten friedliche Einwohner regelrecht ab - Keiner wurde verschont: Alte, Kinder, Kranke, Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt und mitgenommen.
Die Konföderation der yezidischen Stämme in Wan-Gebiet organisierten unter Ihren Führer Sukri-Dshangir aga Chatib Mandeki einen bewaffneten Widerstand gegen die moslemischen Truppen. Im Verlaufe von einigen Monaten führten die schlecht bewaffneten yezidischen Truppen heroische Kämpfen gegen den zahlenmäßig vielfach überlegenen Regierungstruppen und moslemischen Landwehrmänner.
Die Yeziden waren gezwungen, ihre Heimatorte zu verlassen um sich von der Verfolgung des grausamen und heimtükischen Feindes zu retten.
Die moslemische Truppen begannen mit einem massenhaften Gemetzel der Flüchtlinge. Die Wege waren voller Leichen gesät. Unter den Flüchtlingen brachen Krankheiten und Hungersnot aus. Nur ein kleiner Teil der Yeziden aus den Gebieten Wan, Bajazid, Karsk und Surrnali erreichten den Kaukasus und konnten in Armenien und Georgien eine Unterkunft finden.
Im Gedächtnis der Yeziden bleiben für immer die mutigen Schlachten der Yeziden mit den moslemischen Truppen bei Tschobohli, Ute, Tutak, Tandurak, Awa Rasch, Ramakuli, Sinak, Gridach, Sor, Derdshamad, Alaschgir, Ahbaran u.a. Nachdem der Kaukasus der neu gegründeten Sowejetunion angeschlossen wurde, verloren die yezidischen Flüchtlinge jede Hoffnung, in die Heimat zurückzukehren. Unter der kommunistischen Regierung durften sie den Tag ihrer religiösen und nationalen Tragödie nicht gedenken. Es wurde ihnen untersagt über die Taten, die das Osmanische Reich ihnen zugefügt hatte, zu schreiben oder zu reden.
Dennoch genossen die Yeziden unter der Sowjetunion einen gewissen Schutz vor religiöser Diskriminierung. Nach dem Zerfall der Sowjetunion müssen die Yeziden in Georgien und Armenien wieder als Sündenböcke herhalten. Deshalb geben sie ihre Siedlungen auf und fliehen nach Europa, Amerika und Australien. Die Folgen des vor 80 Jahre an den Yeziden begangenen Unheils sind bis zum heutigen Tage spürbar.
Leider hat in diesen vergangenen 80 Jahren kein Staat und keine internationale Organisation dieses barbarische Verbrechen des nicht geheilt.
Deshalb erinnern wir uns immer wieder an den Genozid und die Vertreibung unserer Vorfahren und apellieren an die demokratischen Gemeinschaften der Welt, die Greueltaten des Osmanischen Reichs zu verurteilen und den Yeziden zu helfen, ihre religiösen und nationalen Rechte zu bewahren. Das Verbrechen des Osmanischen Reichs gegen den Yeziden darf nicht vergessen werden. Die internationale politische Situation von heute gibt die Möglichkeit, die Ereignisse der allgemeinen Trauer und Tragödie der Yeziden zu gedenken.
Deshalb soll ab diesem Jahr ein Gedenktag zu Ehren der unschuldig ermordeten Yeziden "Rosha Hasabe" festgelegt werden, der immer am 15.Juni von allen Yeziden, wo immer sie auch wohnen, begangen wird. "Rosha Hasabe" ist ein Gedenktag von Tausenden von Opfern des Genozid und der Vertreibung der Yeziden aus dem Osmanischen Reich, ein Gedenktag wegen die Ermordung unschuldiger Menschen aufgrund ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit, ein Tag des Schutzes und der Erhaltung der uralten religiösen Lehren des Yezidentums, ein Gedenktag der Heimat und des Glaubens an eine gerechte Zukunft!
Der Artikel erschien erstmalig in der Print-Ausgabe der Dengê Êzîdiyan, Nr. 6+7 in 1997
80 Jahre Genozid und Vertreibung der Yeziden aus dem Osmanischen Reich