[h=2]Himmlisch – aber allzu menschlich[/h]München - Die Antikensammlungen am Königsplatz erzählen in der Schau „Die Unsterblichen“ von den Göttern Griechenlands.
Artemis: Die „Herrin des Draußen“ ist als Artemis Orthia dargestellt, typisch für ihr Heiligtum in Sparta (625 v.Chr.).
„Sie waren weder allmächtig noch allwissend, noch omnipräsent“, sagt Florian S. Knauß, der neue Chef der Antikensammlungen und der Glyptothek am Münchner Königsplatz. Und er meint damit „Die Unsterblichen – Götter Griechenlands“, wie die Ausstellung heißt, die jetzt das gesamte Erdgeschoss der Antikensammlungen ausfüllt und auch in der Glyptothek gegenüber etwa in einem Kultbild oder einem zunächst vergöttlichten, später aber radikal umgemodelten (weil verpönten) Nero präsent ist. Denn Götter können stürzen: Deswegen endet das Katalogbuch mit dem heraufziehenden Christentum. Beliebt, gebraucht oder eben eher weniger verehrt sind die Götter ohnehin. So war Kriegsgott Ares für die Griechen nicht die erste Wahl – ganz im Gegensatz zu den Römern.
In der eigentlichen Präsentation begrüßen den Besucher draußen eine goldene Athena-Statue, sozusagen im authentischen Erscheinungsbild, drinnen die Haupt-Überlieferer der Götterwelt: Homer und Hesiod. Dieser hat sich viel mehr Mühe gemacht als der sagenumwobene Sänger. Über 300 Götter hatte Hesiod aufgelistet und sich noch entschuldigt, dass er nicht alle kenne, erzählt Knauß. Aber keine Angst, von himmlischen Heerscharen wird man in der Ausstellung nicht niedergestreckt.
Zunächst wird der Betrachter mit der überschaubaren Gruppe der Olympier bekanntgemacht. Große Textfahnen in Rot und Weiß versuchen, jedermann die bekanntesten Unsterblichen näherzubringen, die auf dem Berg Olympos wohnten: Ehepaar/Geschwister Zeus (Göttervater) und Hera (zuständig für die Ehe), deren Geschwister Poseidon (Meer) und Demeter (Wachstum), dann die Zeuskinder – nicht immer mit seiner Frau – Athena (Wissenschaft), Aphrodite (Liebe), Hephaistos (Handwerk), Dionysos (Wein, Theater), die Zwillinge Artemis (Jagd) und Apollon (Kunst), Ares (Krieg) und Hermes (Götterbote).
Da der Glaube der Griechen sich nicht als Buchreligion festigte, ist die Bildsprache – wie die Mythen selbst – flexibel und vielgestaltig. Und dass die hohen Herrschaften als Vorbilder taugten, konnte niemand glauben. Weswegen zum Beispiel Platon die diversen Geschichten mit Blick auf die Jugend gern zensiert hätte. Spott, Zweifel, Leugnung, all das zogen sie durchaus auf sich. Trotzdem stärkten sie die Polis (Gemeinschaft), und wer daran wirklich gefährlich rüttelte, wurde, wie Sokrates, zum Tod verurteilt. Die vielen, vielen Gottheiten waren Ansprechpartner in allen Lebenslagen. Egal ob für den Feldherrn oder den Handwerker, das Mädchen oder den Bauern.
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Über allen thronte Zeus, und so ist dem Göttervater auch der Auftakt der Schau gewidmet. In Statuetten, Vasenbildern bis hin zu Schutzplatten für die Pferdestirn ist der Donnerer anwesend, und zwar in seinen verschiedenen Aspekten. Eine wunderfein gearbeitete spätarchaische Bronze zeigt ihn natürlich erst einmal als den Blitzeschleuderer. In der Senke eines Öllämpchens gibt er den König auf dem Thron, der mit großer Geste gebietet – so klein die Darstellung ist, so fabelhaft wird der Imposante herausgearbeitet. Daneben gibt es den gütigen Götterpapa mit Löckchenbart, den unparteiischen Richter/Schlichter oder bloß den Blitz allein als Verzierung des erwähnten Pferdeschutzes.
Bei all den Geschichten, die sich mit den Göttern auftun, sollte der Besucher aber nicht die Kunstwerke selbst vergessen. Die Glyptothek/Antikensammlungen bieten sie uns in verschwenderischer Fülle und Qualität aus den eigenen Beständen, ergänzt durch Leihgaben. Etwa das Kuriosum eines Zeuskopfs mit Widderhörnern. Da ist der Grieche mit seinem altägyptischen Kollegen Amun-Re verschmolzen. Ähnliche Metamorphosen machen viele der Unsterblichen durch, schon allein wegen der langen Zeitspanne, in der sie angebetet wurden. Die kleine Artemis Orthia aus Bein mutet in ihrer Strenge und Idolhaftigkeit fremd und fern an, und in der Tat gibt es hier einen Brückenschlag zum Orient. Die Göttin begegnet uns jedoch genauso als eine Art Engel, der die Tiere schützt, und schließlich als das sportive, beschwingt dargestellte Jagd-Mädchen, als das wir sie in der Regel kennen.
So lassen sich an jedem Unsterblichen mehrere Facetten ausmachen – und gerade das nutzten die Künstler der antiken Jahrhunderte, um ihre Fantasie spielen zu lassen. Da wird sogar der finstere etruskische Unterwelt-Kerl Charun ganz schön hinterfotzig verspottet, indem man sein Gesicht zur Witz-Tasse umformt. Das Schwelgen in Ideen zeigt sich richtig heftig, wenn man im nächsten Saal den „niedrigeren“ Gottheiten begegnet – aber zum Glück nicht allen 300 Unsterblichen. Aber so ein Berggott, als kleiner Berg in Bronze geformt, ist schon entzückend. Und wie die Wandelbarkeit von Thetis (Feuer, Löwe), Achills Mutter, zu ihrer Gestalt hinzugemalt ist, zeugt von Schmunzelhumor. Der ist weniger präsent bei den Göttern und ihren Geschichten, wenn sie nur feierlich beisammensitzen, strafen oder gar gegen die bösen Giganten kämpfen. Lustig wird’s erst wieder bei den diversen Liebeständeleien. Zeus ist natürlich wieder vorn dabei: von Europa über Leda bis Ganymed.
Wie Griechin und Grieche ihre Unsterblichen anbeteten, erfahren wir im heiligen Bezirk von Delphi. Ein Modell schildert die Örtlichkeit, Abgüsse vergegenwärtigen berühmte Votivstatuen wie den Wagenlenker. Zu sehen sind ebenso all die kleinen Gaben aus Blei oder Ton, die sich auch die Ärmeren leisten konnten. Und es gibt, wie in unseren Wallfahrtskirchen, Votivsymbole für die Zipperlein vom Gedärm bis zum Auge. Ob die Unsterblichen geholfen haben, wissen wir nicht – allzu menschlich waren sie auf jeden Fall.
Simone Dattenberger
Bis 7. Juli 2013,