Griechenlands Wirtschaft wächst, der Staat kommt wieder an Geld. Um seine Wiederwahl zu retten, drückt Ministerpräsident Tsipras teure Maßnahmen durch. Er riskiert damit den zarten Aufschwung - und ärgert Europa.
Populäre Maßnahmen gehen nach hinten los
Die griechische Wirtschaft ist 2018 um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen - damit aber nicht so stark, wie die Regierung es sich erhofft hatte.
EU-Vertreter lassen durchblicken, dass Griechenland sich aus ihrer Sicht keine Freigiebigkeit leisten kann. Dennoch verteilte Tsipras Ende vergangenen Jahres 782 Millionen Euro in bar an Haushalte mit niedrigem Einkommen.
Die Regierung finanziert solche Maßnahmen, indem sie
ihr geplantes Haushaltsbudget überschreitet. Griechenland hat sein primäres Haushaltsziel 2018 zum vierten Mal in Folge überzogen. Das ist unnötig, sagen Kritiker, und wird durch eine Überbesteuerung erreicht, die der Realwirtschaft schadet.
Andere Maßnahmen finanziert die Regierung auf Kosten der Unternehmen. So hat sie zum 1. Februar eine Erhöhung des Mindestlohns um 10,9 Prozent auf 650 Euro im Monat beschlossen und will damit Hunderttausenden Arbeitnehmern helfen. Das ist die Art von politischen Entscheidungen, die Griechenland in Schwierigkeiten gebracht hat - populär, aber nicht hilfreich für die Wettbewerbsfähigkeit.
Kritiker befürchten zudem, dass die Erhöhung des Mindestlohns zu einer Zunahme von Schwarzarbeit führen könnte.
Auch junge Arbeitnehmer bekommen jetzt den regulären
Mindestlohn, zuvor galt für sie ein geringerer Satz. EU-Vertreter schätzen, dass sich die Arbeitskosten für einen jungen Arbeitnehmer nach der Entscheidung von Tsipras um 20 Prozent erhöhen. Sie befürchten dadurch auch einen
Rückgang der Jugendbeschäftigung um zwei bis vier Prozent - und das in einem Land, das mit 38,5 Prozent bereits die höchste Jugendarbeitslosenquote der EU hat.
Kritiker warnen vor solchen unbeabsichtigten Folgen. So berichtet eine junge Psychologin dem SPIEGEL, dass sie zunächst von der Mindestlohnerhöhung begeistert gewesen sei. "Ich könnte die zusätzlichen Euro gut gebrauchen", sagt die junge Frau, die nicht namentlich genannt werden möchte. Doch ihr Chef, der Inhaber einer mittelgroßen Sonderschule in Thessaloniki, habe sie und einen weiteren Kollegen gefeuert. "Er sagte uns, er könne es sich nicht leisten, uns nach der Mindestlohnerhöhung alle zu behalten."
Europäische Offizielle sagten dem SPIEGEL am Rande der Delphi-Konferenz, mit ihren jüngsten Maßnahmen sende die Regierung Tsipras eine Botschaft: Dass Griechenland ohne strenge Kontrolle wieder zu alten Mustern zurückkehre.