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Ukraine – Die Armee steigt aus[/h]
Wenn die Machthaber in Kiew geglaubt haben sollten, im Augenblick der krisenhaften Zuspitzung hätten sie in ihrem Militär einen Rückhalt, so ist dieser Wunsch längst verflogen. In der östlichen Ukraine sind Soldaten mit und ohne Panzer zu Dutzenden übergelaufen, und die vereinzelten Schießereien haben nicht den Eindruck eines entschlossenen militärischen Vorgehens erweckt.
Von Florian Stumfall
Die Nachricht, dass rund 60 ukrainische Soldaten bei ihrem Einsatz in Kramatorsk übergelaufen sind, hat den ehemaligen Leiter der Hauptverwaltung für internationale Militärkooperation, den russischen Generaloberst Leonid Iwaschow, nicht überrascht. „Das war zu erwarten gewesen“, konstatierte er. „Die illegitimen Behörden, der Staatsstreich, die absolute Banden-Herrschaft erzürnen die Soldaten und Offiziere. Sollten die Behörden ihnen befohlen haben, gegen das eigene Volk vorzugehen, haben die ebenfalls zum ukrainischen Volk gehörenden Soldaten und Offiziere die richtige Entscheidung getroffen. Es kann keine andere Entscheidung geben.“
Allerdings ging es hier nicht nur um ukrainische Soldaten und Offiziere. Die Armee besteht nämlich zu einem hohen Prozentsatz aus ukrainischen Russen, sodass sich im Südosten des Landes in großem Umfang Russen und Russen einander gegenüberstehen, was die Bereitschaft der Militärs zur Gewalt sichtbar gedämpft hat. Zudem befindet sich die Armee in einem bedauernswerten Zustand. Sie verfügt nur über schlechtes und veraltetes Material, und ihre Angehörigen sind weitgehend demoralisiert. Die Art, in der sie bis in die jüngste Zeit behandelt wurden, erinnert an eine schlimme Tradition der Sowjetunion, in der die Soldaten zwar nicht genug zu essen, dafür aber Prügel bekamen. Wenn in der Ukraine immer wieder Munitionslager explodierten, so geschah das meist, um die massiven Diebstähle zu verheimlichen. Und gestohlen wurde, weil die Soldaten allzu oft keinen Sold bekamen. Eine solche Armee wird man nicht dazu bewegen können, im Bürgerkrieg auf das eigene Volk zu schießen, bestünde das nun aus Ukrainern oder ukrainischen Russen.
Von der „Maidan-Euphorie“ sei nichts mehr zu spüren, sagt Generaloberst Iwaschow und führt fort: „Die Regierenden befürchten derzeit, dass die Militärs einen Umsturz organisieren und die Ordnung wiederherstellen.“ Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein ukrainischer General den Ungehorsam gegenüber der illegitimen Regierung probt. Auch Igor Korotschenko, Mitglied des gesellschaftlichen Rates des russischen Verteidigungsministeriums und Chefredakteur der Militärzeitschrift „Nazionaljnaja Oborona“ (Nationale Verteidigung), vertritt die Meinung, dass die ukrainische Armee den „kriminellen Befehlen aus Kiew“ keine Folge leisten wird. Eher werde sie auf die Seite des Volkes überlaufen. Die Armee sei dabei, eine politische Entscheidung zu treffen, und diese falle nicht zugunsten der Kiewer Putschisten, des Präsidenten Turtschinow und des Regierungschefs Jazenjuk aus.
http://www.contra-magazin.com/2014/04/ukraine-die-armee-steigt-aus/