[h=2]Verfolgung von Aleviten ab 1500[/h] [h=3]Herrschaft von Sultan Bayezid II. 1481–1512[/h] Während der Regentschaft des Sultans
Bayezid II. verschlechterten sich die Beziehungen zwischen dem osmanischen Staat und andersgläubigen Gruppen weiter. Bereits bei der Ermordung des spirituellen safawidischen Anführers Scheich Haydar erklärte der osmanische Sultan Bayezid II., dass diese Nachrichten seine Freude
vervielfacht hätten.[SUP]
[4][/SUP] Über die alevitischen Unterstützer Haydars, die Qizilbāsch, sagte er:
Möge Gott Haydars häretische Anhänger verfluchen.[SUP]
[5][/SUP] Nur vier Jahre später, im Jahre 1492, gab es einen Versuch eines Derwischs, den Sultan zu ermorden, und ein Dokument aus dem Jahre 1501 zeigt, dass Bayezid II. die Hinrichtung aller Qizilbāsch, die beim Reisen nach Persien gefangen genommen wurden, angeordnet hatte.[SUP]
[6][/SUP] Die restliche Zeit seiner Herrschaft war durch zahlreiche Qizilbāsch-Aufstände geprägt, die Bayezid II. zu unterdrücken versuchte, indem er Tausende Qizilbāsch aus
Anatolien in die neu eroberten Küstengebiete
Griechenlands deportieren ließ:
Morea,
Modon,
Koron und
Lepanto.[SUP]
[7][/SUP] Der offizielle Grund für die Deportationen war, dass die Qizilbāsch – nach Angaben der Geistlichen und religiösen Gelehrten – „
Ungläubige“ waren.[SUP]
[8][/SUP]
Die älteste erhaltene religiöse Aussage (
fatwa) über die Qizilbāsch wurde unter Bayezid II. von dem osmanischen
Mufti Hamza Saru Görez (d. 1512) verfasst.
[h=3]Regentschaft Selims I. 1512–1520[/h] Der Sohn von Bayezid II. allerdings,
Selim I., hielt die Maßnahmen seines Vaters gegen die
Aleviten (Qizilbāsch) für nicht hart genug. Als Gouverneur (
Vâli) des
Vilâyet von Trabzon war er über den Erfolg der Safawiden und der Qizilbāsch in Persien und Ostanatolien informiert. Gegen den Wunsch seines Vaters hatte er wiederholt militärische Kräfte mobilisiert und Angriffe auf safawidische Ländereien geführt. Selim I. hatte eine starke Abneigung gegen
schiitische Muslime im Allgemeinen und Qizilbāsch im Besonderen. Er liquidierte drei seiner Brüder und zwang seinen Vater abzudanken. Er sandte seinen Vater Bayezid in den „Urlaub“, wonach er ebenfalls getötet wurde.
Als eine der ersten Entscheidungen, die Selim I. als Sultan durchführte, veranlasste er den osmanischen
Shaykh ul-Islam Ibn-i Kemal (gestorben 1533), eine neue
fatwa gegen die Qizilbāsch auszufertigen, um deren Tötung zu rechtfertigen. Danach sammelte er eine Armee von 200.000 Männern, um Krieg gegen die
Safawiden zu führen. Auf dem Weg zum Safawidenreich im Osten ließ er ein Register über alle ausfindig gemachten Qizilbāsch anfertigen. 40.000 Qizilbāsch wurden dadurch auf dem Weg Selims I. zum Safawidenland getötet. In der osmanischen Quelle Selimşâh-name heißt es:
„
Her şeyi bilen Sultan, o kavmin etbâını kısım kısım ve isim isim yazmak üzere, memleketin her tarafına bilgiç katipler gönderdi; yedi yaşından yetmiş yaşına kadar olanların defterleri divâna getirilmek üzere emredildi; getirilen defterlere nazaran, ihtiyar-genç kırk bin kişi yazılmıştı; ondan sonra her memleketin hâkimlerine memurlar defterler getirdiler; bunların gittikleri yerlerde kılıç kullanılarak, bu memleketlerdeki maktullerin adedi kırk bini geçti.[SUP]
[9][/SUP]“
„Der allwissende Sultan [Selim I] sandte korrekte Schreiber über das gesamte Land, um die Unterstützer der Gruppe [Qizilbāsch] zu vermerken, Stück für Stück und Name für Name, es wurde angeordnet vom Diwan [eine Institution des leitenden Exekutiven des Osmanischen Reiches], um Aufzeichnungen des Diwans über jeden von sieben bis siebzig Jahren abzuholen und die Namen von vierzigtausend Personen, alt und jung, wurden in diesen Registern aufgezeichnet; danach brachten Beamte diese Register zu den Verwaltern aller Regionen [des Landes]; in den Orten, in die sie gingen, töteten sie mehr als vierzigtausend per Schwert in ihren Heimatregionen.“
[h=4]Schlacht von Tschaldiran 1514[/h] Mit
Selim I. an der Spitze begann das Osmanische Reich einen Krieg gegen die Dynastie der Safawiden im Jahre 1514, der mit einem osmanischen Sieg endete. Die
Schlacht bei Tschaldiran bedeutete einen Wendepunkt für die Qizilbāsch, da dieser Krieg die Kulmination des langen osmanisch-safawidischen Konfliktes darstellte.
[h=3]Im 17. und 18. Jahrhundert[/h]
Siehe auch: Celali-Aufstände
Im 16. Jahrhundert führte der aus dem
Vilayet Sivas stammende Dichter
Pir Sultan Abdal alevitische Aufstände gegen die Osmanen an. Diese schlugen die Aufstände blutig nieder und henkten Pir Sultan Abdal. Nach der Regentschaft von Selim I. setzten die nachfolgenden Sultane die harsche Behandlung der Qizilbāsch in
Anatolien fort. Die Qizilbāsch reagierten mit zunehmenden Revolten gegen die osmanische Herrschaft, die sich bis zum frühen 17. Jahrhundert fortsetzten.
Die gewalttätige Periode zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert ließ später nach, aber die Unterdrückung der Qizilbāsch hielt bis zur osmanischen Kapitulation im Zuge des Ersten Weltkriegs an.
[h=3]Verbot des Bektaschi-Ordens 1826[/h]
Bild eines
Janitscharen von 1703
Vom 19. Jahrhundert an wurden die
Bektaschi, die bislang akzeptiert waren, ebenfalls Ziel der Verfolgung. Dies begann nach der osmanischen Abschaffung des bektaschitischen
Janitscharenkorps im Jahre 1826.
Sultan
Mahmud II. ließ durch eine
fatwa bekanntmachen, dass er eine neue Armee schaffen werde, die nach europäischen Standards organisiert und ausgebildet werden solle. Wie erwartet zogen die Janitscharen meuternd gegen den Palast des Sultans. In der folgenden Schlacht brannten die Kasernen der Janitscharen nach einem heftigen
Artillerieangriff. Dabei wurden 4.000(-8.000[SUP]
[10][/SUP]) Janitscharen getötet. Die Überlebenden wurden vertrieben oder hingerichtet und ihr Besitz konfisziert. Das Ereignis wird
Vaka-i Hayriye (
Das Wohltätige Ereignis) genannt.[SUP]
[11][/SUP]
Die verbliebenen Janitscharen wurden in einem Turm in
Thessaloniki enthauptet, der später „Blut-Turm“ genannt wurde. Eine weitere
fatwa wurde erlassen, die das Verbot des
sufistischen Bektaschi-Ordens zur Folge hatte.[SUP]
[12][/SUP][SUP]
[13][/SUP] Der Leiter des Bektaschi-Ordens,
Hamdullah Çelebi, wurde zunächst zum Tode verurteilt, dann nach
Amasya verbannt, wo sein
Mausoleum noch heute existiert. Hunderte von Bektaschi-
Tekken wurden geschlossen und
Derwische wurden exekutiert oder vertrieben. Einige der geschlossenen Tekkes wurden dem sunnitischen
Naqschbandi-Orden übertragen. Im Zuge der Ereignisse wurden über 4.000[SUP]
[14][/SUP]-7.500[SUP]
[10][/SUP] Bektaschis exekutiert und mindestens 550[SUP]
[15][/SUP] Bektaschi-Klöster (
dergâh) zerstört.
Die offizielle Begründung für das Verbot des Bektaschi-Ordens war „
Häresie“ und „moralische Abweichung“.
[h=2]Religiöse Urteile und Fatwas[/h] Das erste religiöse Urteil über die Aleviten (Qizilbāsch) wurde nach Ansicht der Mehrheit der Geschichtsforscher unter Bayezid II. innerhalb der ersten Jahre des 16. Jahrhunderts herausgegeben,[SUP]
[16][/SUP] die älteste erhaltene Fatwa jedoch ist diejenige, die Hamza Saru Görez (d. 1512), einem osmanischen
Mufti der Regentschaft Bayezid II. zugeschrieben ist.