Türkei: Rüstungsexporte

Türkei: Rüstungsindustrie trotzt Abkühlungstendenzen im Export
Die türkischen Ausfuhren sind laut der Türkischen Union der Exporteure (TIM) im ersten Quartal dieses Jahres um 8,5 Prozent, das entspricht 4,2 Milliarden US-Dollar, im Vorjahresvergleich eingebrochen. Im Gegensatz dazu blüht die junge Rüstungsindustrie der Türkei regelrecht auf.
Exporte der Verteidigungsindustrie haben eine Höhe von 556 Millionen US-Dollar zwischen Januar und April erreicht. Demnach sind die Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahr von 460 Millionen US-Dollar um 23 Prozent angestiegen, gab TIM an.
Auf Anfrage von Al-Monitor sagte der Vorsitzende der Vereinigung rüstungsindustrieller Exporteure, Latif Aral:
„Ich glaube, dass wir dieses Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als zwei Milliarden US-Dollar exportieren und damit ein Allzeitrekord aufstellen werden.“
Die Gewinne im Rüstungssektor sind in den letzten fünf Jahren von 800 Millionen auf 1,6 Milliarden US-Dollar gestiegen.
„Die türkische Verteidigungsindustrie bietet eine große Bandbreite von Produkten und Dienstleistungen, von fortgeschrittene Satellitensystemen bis hin zu Schuhen“, sagte Aral. „Investitionen in den Sektor haben die Produktvarietät erhöht. Dadurch wurden dem bestehenden Exportkorb neue Exportgüter hinzugefügt. Mit dem Vorteil eines solch breiten Portfolios sind wir fähig, neue Absatzmärkte einfacher zu betreten.“
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut, SIPRI, listet die Türkei, die das zweitgrößte stehende Heer der NATO führt, auf Platz sieben der weltweitgrößten Rüstungsimporteure und auf Platz 16 der größten Rüstungsexporteure. Die Türkei gibt demzufolge jährlich rund zwei bis 2,5 Milliarden US-Dollar für ausländische Rüstungsgüter aus. Noch vor 15 Jahren lag der Wert weit höher. Umfassende Förderprogramme haben dazu geführt, dass die heimische Rüstungsindustrie die teuren ausländischen Importe mit eigenen Produkten ergänzt.
Am 30. April informierte der türkische Präsident Erdoğan bei einer Zeremonie zum Start des Baus des ersten Docklandungsschiffes der Türkei in Istanbul:
„Unsere Abhängigkeit von Rüstungsimporten ist von 80 Prozent im Jahr 2002 auf heute 40 Prozent gesunken. Unser Ziel ist es, den Wert bis 2023 auf null Prozent zu reduzieren. Wir werden nicht nur unsere eigenen Anforderungen befriedigen, sondern auch zum Hauptlieferanten unserer befreundeten Staaten werden.“
Die türkische Rüstungsindustrie verfolgt im Großen und Ganzen eine einfache Roadmap, wenn es um die Reduzierung von Ausgaben im Bereich der Importe und die Herstellung von entscheidenden Systemen in Eigenregie geht. Anstatt Waffen teuer zu importieren, baut sie die Türkei nach Möglichkeit kurzerhand selbst. Ist das nicht möglich, sucht sie nach internationalen Partnern, die einen Know-How-Transfer offerieren. Die Systeme werden dann in der Türkei gemeinsam gebaut.
So taten sich türkische Verteidigungsunternehmen bereits mit italienischen Unternehmen zusammen, um Kampfhubschrauber zu bauen. Mit spanischen Unternehmen werden Frachtflugzeuge und nun auch ein Docklandungsschiff hergestellt. Mit europäischen und US-amerikanischen Vertretern verhandelt die Türkei gegenwärtig über den Bau eines heimischen Raketenabwehrsystems.
Die türkische Rüstungsindustrie hat bereits Kriegsschiffe aus eigenen Ressourcen gebaut und bereitet sich für die Serienproduktion eines Kampfpanzers der neuesten Generation vor. Ein neues heimisch entwickeltes Sturmgewehr ging bereits in die Massenproduktion und wird sukzessive an die Armee weitergegeben. Anfang des Jahres wurden heimische Drohnensysteme, bewaffnet und unbewaffnet, mit Erfolg getestet.
Offizielle Aufstellungen zeigen, dass die USA der Hauptabnehmer der Türkei sind.
30 von 100 verdienten US-Dollar werden aus Geschäften mit den USA in der Türkei verdient. Türkische Rüstungsunternehmen exportieren durchschnittlich Güter und Dienstleistungen im Wert von 500 Millionen US-Dollar in die USA, während die USA in der Gegenrichtung jährlich Güter und Dienstleistungen im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar in der Türkei absetzen. Mit dieser Disbalance ist Ankara nur bedingt zufrieden. Ähnlich ist das Verhältnis zu den westlichen Staaten Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Spanien.
Aserbaidschan, Pakistan und die zentralasiatischen Turkstaaten gehören zur zweitgrößten Gruppe der Einkäufer türkischer Rüstungsgüter. Die meist in Krisenregionen situierten Staaten haben hohe Militärausgaben und präferieren die günstigeren türkischen Produkte gegenüber ähnlichen westlichen Systemen.
Die Eindrücke aus dem Arabischen Frühling haben dazu geführt, dass Ankara verstärkt Rüstungsprodukte in den Nahen Osten und nach Nordafrika vermitteln konnte. Die Haupthandelspartner der Türkei im Nahen Osten sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Libanon. In Nordafrika ist der wichtigste Partner Ankaras Tunesien.

Zu den größten türkischen Rüstungsunternehmen zählen Aselsan, Roketsan, MKEK und BMC.
Afrika gehört zum neuesten Zielmarkt türkischer Rüstungsexporteure. Anbei hat TIM eine Auflistung der Rüstungsaufkäufe einiger ausgewählter afrikanischer Staaten zur Verfügung gestellt:
Die Zahl der Vertreter von Rüstungsunternehmen, die den türkischen Präsidenten bei seinen Auslandsbesuchen begleiten, wächst rapide. Dank Charisma und zahlreichen Beziehungen ebnet der türkische Präsident oftmals im Alleingang heimischen Rüstungsschmieden den Zugang zu neuen Märkten, behauptete der türkische Analyst Ufuk Sanli.
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