Generalstaatsanwälte der Kontrolle – wie Russland und Texas das Klassenzimmer zur Machtbühne machen
Manchmal zeigt sich der Wandel einer Gesellschaft zuerst an ihren Schulen – das war eine der zentralen Erkenntnisse unserer Recherche. Es ist ein Moment, der hängen bleibt: In Russland erklärt die Generalstaatsanwaltschaft ein internationales Bildungsprogramm zur Bedrohung, in Texas fordert der Generalstaatsanwalt, dass religiöse Gebote an den Wänden der Klassenzimmer hängen. Zwei Orte, tausende Kilometer voneinander entfernt – und doch folgt beides derselben Logik. Der Staat tritt nicht mehr nur als Organisator von Bildung auf, sondern als Zensor und Vollstrecker einer Weltanschauung. In Russland traf es Ende August das International Baccalaureate, jenes Programm, das für eine ganze Generation der Schlüssel zu westlichen Universitäten war. Mit der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, die Schweizer Stiftung zur „unerwünschten Organisation“ zu erklären, wurde binnen Stunden eine Bildungswelt abgeräumt. Die offizielle Begründung ist aufgeladen: Das IB betreibe „die Formatierung der russischen Jugend nach westlichen Mustern“, verfälsche „allgemein bekannte Fakten“, betreibe „antirussische Propaganda“ und schüre „ethnische Feindschaft“. Das klingt nicht wie eine pädagogische Debatte, sondern wie ein Urteil.
Die Folgen sind sofort spürbar – und sie ziehen sich durch das ganze Land. Unsere Recherchen belegen, dass 29 Schulen in Russland zuletzt nach IB-Standards arbeiteten, die meisten davon in Moskau, andere in St. Petersburg, Kaluga, Kasan und Wladiwostok. An diesen Schulen liefen Programme, die Schülern den direkten Zugang zu über 4.500 Universitäten weltweit eröffneten. Im Mai hatten 286 russische Schüler ihre IB-Abschlussprüfungen abgelegt – eine Generation, deren Bildungsweg nun von einem Tag auf den anderen infrage gestellt ist. Diese Entscheidung steht nicht allein: Bereits im Juli hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Yale University zur „unerwünschten Organisation“ erklärt und behauptet, deren Tätigkeit richte sich gegen die „territoriale Integrität Russlands“. Unsere Recherchen zeigen, dass damit nicht nur eine symbolische Abgrenzung gemeint ist, sondern konkrete rechtliche Folgen verbunden sind. Seit der Entscheidung ist jede Beteiligung an Projekten der Yale University in Russland verboten, ebenso die unkommentierte Verbreitung von Informationen über ihre Arbeit. Kooperationen, Stipendien oder Forschungsaufträge können als Beteiligung an der Tätigkeit einer „unerwünschten Organisation“ gewertet werden – mit Strafen, die von empfindlichen Geldbußen bis zur strafrechtlichen Verfolgung nach Artikel 284.1 des russischen Strafgesetzbuchs reichen. Selbst wer Yale längst abgeschlossen hat, muss nun bei öffentlichen Auftritten oder in Lebensläufen darauf hinweisen, dass die Universität in Russland als „unerwünscht“ gilt. Für Studierende, die aus Russland online an Seminaren teilnehmen oder planen, zurückzukehren, ist die Lage besonders riskant: Ihre Ausbildung könnte als rechtswidrige Aktivität gewertet werden. Putins Liebe zu Trump scheint doch Grenzen zu haben.
Manchmal zeigt sich der Wandel einer Gesellschaft zuerst an ihren Schulen – das war eine der zentralen Erkenntnisse unserer Recherche. Es ist ein Moment, der hängen bleibt: In Russland erklärt die Generalstaatsanwaltschaft ein internationales Bildungsprogramm zur Bedrohung, in Texas fordert der...
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