Sowohl Griechenland, Ungarn, Österreich als auch die Slowakei erlaubten keine Überquerung. Albanien hatte zu diesem Zeitpunkt auch keine ausreichend starke Infrastruktur (bürgerkriegsähnliche Zustände im Land, die Wirtschaft am Boden) und Bosnien hatte überhaupt keine ausreichende Infrastruktur, die vor allem durch den Krieg beschädigt war. Es hätte vielleicht auch ein halbes Jahr gedauert, die Streitkräfte der Deutschen oder Briten in diesem Gebiet für eine Bodenoffensive zu mobilisieren. Meiner Meinung nach wird der Fokus nur auf die unterlassene Hilfeleistung der Russen, bzw. Jelzin gerichtet. Welche Forderungen stellte nochmals Chernomyrdin der serbischen Delegation, bevor der Krieg begann? Mehr muss man dazu nichts sagen.
Es sollte nicht vergessen werden, dass die damalige Jugoslawische Armee zwischen 1996 und 1997 "Kriegswaffen" (im Wesentlichen Abschreibungen, vor allem ausgediente leichte Jagdbomber und Aufklärungsflugzeuge usw.) für einen Betrag über 100 Millionen US-Dollar an den Kongo verkaufte, eine beachtliche Summe in Anbetracht der Lage, das Geld war also schon vorhanden. Wie viel erhielt die Armee aus dieser gewonnen Summe? Vielleicht 20%, denn für dieses Geld wurden vor allem einige hochmoderne Telekommunikations-Geräte und Satellitentelefone gekauft, um die albanischen Politiker abzuhören. Der eine Teil endete wohl bei der Spezialeinheit der JSO (vor allem in die modernen Hubschrauber, Milosevic vertraute mehr der Polizei und Spezialeinheiten als der Armee), und ein Teil davon verschwand in (un)bekannte Taschen, wahrscheinlich um den Milosevic-Clan.
Für diesen Waffenhandel-und Deal (Frankreich und die Ukraine hatten ihre Finger drin), wurden einige Leute aus Jacques Chiraces Umfeld mit insgesamt 200 Jahre Gefängnis Haft verurteilt, weil sie ihren Staat für einen nicht geringen Geldbetrag deutlich geschädigt haben. Selbst Chirac wäre fast «gefallen» aber aufgrund mangelnder Beweise, wurde die Anklage fallen gelassen, wie immer wenn es um Staatspräsidenten geht, und einige serbische Spitzenpolitiker haben dran verdient. Ausserdem hatte Milosevics Vertraute für Bankangelegenheiten Borka Vucic zu dieser Zeit, ein paar Monate bevor der Krieg im Kosovo beginnen wird, bereits nach Zypern Geldsummen in Höhe zwischen drei bis vier Milliarden Dollar transferiert. Wieso wird darüber kein Wort verschwendet oder ist da auch Jelzin wieder Schuld?
Was den Krieg an sich betrifft, interessant sind die Betrachtungsweisen die für eine Boden-Offensive dafür und dagegen sprechen. Das serbische Argument konzentriert seine Überlegenheit in der Tatsache, dass das gesamte Grenzgebiet (besonders dünne Durchgänge) vermint gewesen wären. Ich bin da etwas anderer Meinung. Die NATO würde sich am Ort des Durchbruchs auf ihre gewaltige Artillerie konzentrieren, und mit dem Teppichbombardement ihrer B-52 jeden Zentimeter des Durchdringungs-Punktes und die Minen zerstören und somit ohne Probleme durchmarschieren.
Europäischer Vietnam auf serbischen Boden? Nun, wagen wir den Vergleich. Die Serben hatten zu diesem Zeitpunkt im Land zwischen 7-8 Millionen Einwohner. Die Vietnamesen waren fünfmal zahlreicher, ihr Kampfgebiet war dichter und bewaldeter, mehrere Jahrzehnte lang kämpften die vietnamesischen Guerillas zuerst mit den Japanern (mit geringerer Intensität), danach mit den Franzosen und schliesslich mit den Amerikanern. Und vor allem durften die Amerikaner Nordvietnam nicht aus Angst vor einer chinesischen Intervention wie im Koreakrieg angreifen. Daher war die Basis der Rebellen im Südvietnam, mit der die Amerikaner am längsten und heftigsten gekämpft haben und die durch den kommunistischen Block ständig versorgt waren, unter anderem wegen der langen Grenze zu Laos und Kambodscha. Solch eine "Rückendeckung" hatten die Serben nicht.
Wenn der Irak, der eine längere Grenze mit dem Iran hatte, nicht zum neuen Vietnam wurde, so wäre es mit ziemlicher Sicherheit auch das fünffach kleinere Serbien nicht geworden, trotz ihrer übernommenen Doktrin aus der JNA Zeit, die sie vor einer möglichen Sowjet-Invasion in Jugoslawien hätte schützen sollen. Die enorme Luftunterstützung der NATO und ihre Wirkung dabei, wird auch unterschätzt. Nur als Illustration, wir hatten vereinzelte Situationen, wo die B-52 über 30 Tonnen Bomben aus England beförderte, um eine Soldatenheer bei Pastrik zu zerstören. Selbst einige der relativ hypothetisch höheren Verluste des NATO-Pakts konnten das Kriegsende nicht beeinträchtigen. Im Irak und in Afghanistan sind mehrere tausend Amerikaner gestorben, und hatte praktisch keine Auswirkungen auf das Kriegsende. Als die Amerikaner kurz davor waren, nach Bagdad einzumarschieren, machten ihre Generäle Berechnungen, dass die Verluste ähnlich sein werden, wie bei der Landung der Alliierten in der Normandie 1944. Dies wurde als berechtigtes Risiko akzeptiert. Am Ende war das Opfer minimal und so wäre es sicherlich auch bei uns geworden.