Das ist klar, dass in nahezu ganz Osteuropa bei den Bürgern in hohem Masse Irritationen und Abneigung ausgelöst hat (besonders bei den Intellektuellen) für die Russland ein fremder Ort war. Der Stolz auf den militärischen Sieg von 1945 hatte eine Art Kulturimperialismus hervorgebracht, der selbst in Jugoslawien zu spüren war. Sogar die Chinesen, dessen maoistische Revolution ein Viertel der Weltbevölkerung in die kommunistische Sphäre gebracht hatte, musste sich unterwürfig gegenüber den Sowjets verhalten, da es von ihrer militärischen und technischen Hilfe abhängig waren.
Aus geostrategischer Sicht war die Tschechoslowakei wichtiger als Ungarn, da sie den Schlüssel für das Herrschaftsgebiet in Ostmitteleuropa zusammenhält. Die Faktoren sind dafür vielfältig: wie die Aufstände in der DDR 1953, sowie in Polen und Ungarn 1956 zeigen, hat es die Sowjetunion mit einem unruhigem Terrain zu tun. Ungarns Stabilität gründete sich auf dem Prinzip des "Gulasch-Kommunismus", einer Marktwirtschaft im Kleinen. Diese Art des kommunistischen Gesellschaftsvertrags galt nicht für die DDR und bis 1964 auch nicht für die Tschechoslowakei.
Ich wage mal eine Hypothese aufzustellen, ein Alternativszenario. Wenn die Sowjets damals ihren "Brüderstaaten" gestattet hätte, einen eigenen Weg zum Sozialismus zu gehen, dann hätte Russland heute vermutlich nicht das westliche Bündnis direkt vor der Haustür. In Ostmittel- und Südosteuropa würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine "neutrale" Zone existieren. Es wäre durchaus möglich, dass Deutschland dann heute einen Status wie die zweite österreichische Republik besässe, oder sogar immer noch aus zwei Staaten bestünde; sprich Westdeutschland als Teil eines hochintegrierten "Kerneuropa" sowie einer neutralen DDR ohne das Machtmonopol der ehemaligen SED-Partei.