Yutaka
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Im Reich der Nieten
07.10.2007
Hier ist Börse tatsächlich Lotterie: Bei Pennystocks ist alles möglich. Ein Streifzug durch die Spielhölle Wall Street
New York, Dienstag, kurz nach acht Uhr in der Früh. Im Roosevelt Hotel, auf der 45. Straße im östlichen Manhattans, trifft sich eine eingeschworene Investmentgemeinde. Etwa 35 abgebrühte Pennystock-Fans sitzen bei Kaffee und Tee zusammen. Broker, Investmentberater, Analysten, Privatanleger. Unter ihnen viele alte Hasen. Sie plaudern, essen Donuts, Bagels, Obst. Die Stimmung ist entspannt. Dabei ist das Material, das Ross DiMaggio, Chef von Friedland Investment Events, auf seiner Kundenliste hat, alles andere als ein Beruhigungsmittel. 13 hochriskante Aktien will DiMaggio an den Mann bringen. Die Kurse dümpeln weit unterhalb der Ein-Dollar-Marke, klassische Pennystocks eben.
Bei diesem Thema gehen Finanzleute scharenweise in Deckung. „Von zehn Gesellschaften werden neun in der Versenkung verschwinden“, warnt ein Analyst von Bear Stearns. Experte Werner Rehmet von der Investmentgesellschaft Rehmet Capital rät kategorisch davon ab, einfach zu kaufen. Rehmet empfiehlt, erst alles auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Grunde genommen hat sich im Roosevelt Hotel also Wagniskapital versammelt. Es lockt der berühmte Verzehnfacher. „Manche Titel entpuppen sich auch als Himmelsstürmer“, sagt der Bear-Stearns- Mann.
Auf DiMaggios Liste steht etwa Skinny Nutrition, übersetzt heißt das so viel wie „magere Nahrung“. Die Firma verkauft Wasser zum Abnehmen. Bei 0,12 Dollar notiert die Aktie, der Börsenwert beläuft sich auf lausige zehn Millionen Dollar. Ob Vorstandschef Don McDonald jemals der ganz große Durchbruch gelingen wird, steht in den Sternen.
McDonald rührt kräftig die Trommel. „Kein Zucker! Keine Kohlenhydrate!“, preist Don sein Produkt Skinny Water an. Nur zehn Kalorien steckten in einer Flasche. Im Vergleich dazu schneide Vitamin Water schlecht ab. Im US-Boomgetränk, das sich der US-Getränkeriese Pepsi im Mai für 4,1 Milliarden Dollar einverleibte, stecke zu viel Zucker, poltert McDonald. Frauen, so der Chef mit einem Augenzwinkern, stehen auf Skinny Water.
Für sein Wässerchen hat McDonald immerhin den US-Einzelhandelsgiganten Target gewonnen, wahrlich ein schlagkräftiger Absatzkanal. McDonald schaffte es, in den Target-Regalen zwischen Pepsi und Coca-Cola zu landen. Die Sechser-box kostet stolze sechs Dollar. Zwischen 200?000 und 300?000 Dollar Umsatz fließt derzeit pro Monat.
Im nächsten Jahr sollen zweistellige Millionenbeträge sprudeln, prophezeit der Vorstandschef gegenüber €uro am Sonntag. Dabei klingelten im Vorjahr bloß 628?000 Dollar in der Kasse. Und der Verlust türmte sich auf 2,3 Millionen Dollar. Kein Wunder: Marketing- und Börsenkosten schneiden den Minifirmen oft die Luft ab. Um wachsen zu können, braucht Skinny Nutrition dringend frisches Geld. Das Eigenkapital ist aufgezehrt. McDonald will nun eine Kapitalerhöhung durchziehen. Deshalb ist er heute im Roosevelt Hotel.
DiMaggio verdient schon jetzt.Für ein Zeitfenster von 20 bis 30 Minuten kassiert der Investor- Relations-Agent zwischen 2000 und 7000 Dollar von seinen Kunden. Jedes Jahr organisiert er bis zu 100 Konferenzen in den USA.
Für die Präsentation hat sich das Managementteam von Naturally Iowa, aktuelle Notiz 0,25 Dollar, etwas Besonderes einfallen lassen: Eiscreme verteilt der Öko-Produzent von Milch, Eis und Trinkjoghurt. Dem Publikum schmeckt’s. Doch das Zahlenwerk ist auch hier kirschrot. Der Umsatz beträgt nur zwei Millionen Dollar. Auf die Börsenwaage bringt der Milchverarbeiter aber immerhin 23 Millionen. Insofern zahlen Anleger mehr als den elffachen Umsatz, eine abenteuerliche Bewertung. Mag sein, dass die im Jahr 2003 gegründete Firma schnell wächst. Aber ob Öko-Eiscreme wirklich der Renner wird? Wer weiß das schon.
Einmal im Jahr lädt auch das 1951 gegründete „Equities Magazine“ seine Leser nach New York ein. Unter zahllosen hochspekulativen Firmen überzeugten jüngst zwei mit ihren Geschäftskonzepten: Organic To Go Food Corp und U.S. Geothermal. Der Ökosandwich- Vermarkter Organic To Go expandiert wie verrückt. Das als einfaches Kaffeehaus gestartete Unternehmen hat inzwischen 21 Zweigstellen in Kalifornien und Washington. Außerdem platzierte Firmenchef Jason Brown 50 Kühlregale mit seinen Produkten in Universitäten und auf dem Firmengelände von Microsoft.
Der Kurs von U.S. Geothermal geht ab wie Schmidts Katze. Binnen Jahresfrist kletterte die Notiz von einem auf 2,65 Dollar. Der alternative Energieanbieter hat seine geothermische 13- Megawattanlage in Raft River/Idaho startfertig. Jeden Tag rechnet Vorstandschef Daniel Kunz damit, den Schalter umlegen zu können, so dass die ersten Umsätze fließen. Goldman Sachs ist investiert.
Verheißungsvoll klang auch die Story des Spirituosenvermarkters Drinks Americas, der sich im August 2006 auf der Redchip Conference in New York vorstellte. Zumindest für Gründer und Steuermann Patrick Kenny hat sich das ausgezahlt. Der Kurs explodierte von 0,60 auf über 3,50 Dollar Anfang 2007. Kenny nutze die Gunst der Stunde und platzierte eine Kapitalerhöhung. Die Aktie der Zwölf-Mann-Firma ist inzwischen jedoch wieder auf das Ausgangsniveau abgestürzt. Gemeinsam mit dem Immobilienmilliardär Donald Trump versucht Kenny jetzt, den Trump Super Premium Vodka in allen Bundesstaaten in die Regale zu bringen. Wodka-Partys mit Trump, Promis und Presse sollen den Drink pushen. Der Aufwand, eine neue Mark zu etablieren ist jedoch groß – auch wenn man jemanden wie Trump als Zugpferd hat. Der Marketingetat schießt ins Kraut.
In den zurückliegenden drei Quartalen lagen die Miesen jeweils über dem Umsatz. Die nächste Kapitalerhöhung ist bloß eine Frage der Zeit.
Die großen US-Getränkehersteller suchen fieberhaft nach neuen Wachstumsquellen und reißen sich reihenweise Nischenanbieter unter den Nagel. Gut möglich, dass eines Tages Skinny Nutrition oder Drinks Americas ins Visier eines Branchenriesen gerät. Doch das weiß auch der clevere Kenny nicht.
07.10.2007
Hier ist Börse tatsächlich Lotterie: Bei Pennystocks ist alles möglich. Ein Streifzug durch die Spielhölle Wall Street
New York, Dienstag, kurz nach acht Uhr in der Früh. Im Roosevelt Hotel, auf der 45. Straße im östlichen Manhattans, trifft sich eine eingeschworene Investmentgemeinde. Etwa 35 abgebrühte Pennystock-Fans sitzen bei Kaffee und Tee zusammen. Broker, Investmentberater, Analysten, Privatanleger. Unter ihnen viele alte Hasen. Sie plaudern, essen Donuts, Bagels, Obst. Die Stimmung ist entspannt. Dabei ist das Material, das Ross DiMaggio, Chef von Friedland Investment Events, auf seiner Kundenliste hat, alles andere als ein Beruhigungsmittel. 13 hochriskante Aktien will DiMaggio an den Mann bringen. Die Kurse dümpeln weit unterhalb der Ein-Dollar-Marke, klassische Pennystocks eben.
Bei diesem Thema gehen Finanzleute scharenweise in Deckung. „Von zehn Gesellschaften werden neun in der Versenkung verschwinden“, warnt ein Analyst von Bear Stearns. Experte Werner Rehmet von der Investmentgesellschaft Rehmet Capital rät kategorisch davon ab, einfach zu kaufen. Rehmet empfiehlt, erst alles auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Grunde genommen hat sich im Roosevelt Hotel also Wagniskapital versammelt. Es lockt der berühmte Verzehnfacher. „Manche Titel entpuppen sich auch als Himmelsstürmer“, sagt der Bear-Stearns- Mann.
Auf DiMaggios Liste steht etwa Skinny Nutrition, übersetzt heißt das so viel wie „magere Nahrung“. Die Firma verkauft Wasser zum Abnehmen. Bei 0,12 Dollar notiert die Aktie, der Börsenwert beläuft sich auf lausige zehn Millionen Dollar. Ob Vorstandschef Don McDonald jemals der ganz große Durchbruch gelingen wird, steht in den Sternen.
McDonald rührt kräftig die Trommel. „Kein Zucker! Keine Kohlenhydrate!“, preist Don sein Produkt Skinny Water an. Nur zehn Kalorien steckten in einer Flasche. Im Vergleich dazu schneide Vitamin Water schlecht ab. Im US-Boomgetränk, das sich der US-Getränkeriese Pepsi im Mai für 4,1 Milliarden Dollar einverleibte, stecke zu viel Zucker, poltert McDonald. Frauen, so der Chef mit einem Augenzwinkern, stehen auf Skinny Water.
Für sein Wässerchen hat McDonald immerhin den US-Einzelhandelsgiganten Target gewonnen, wahrlich ein schlagkräftiger Absatzkanal. McDonald schaffte es, in den Target-Regalen zwischen Pepsi und Coca-Cola zu landen. Die Sechser-box kostet stolze sechs Dollar. Zwischen 200?000 und 300?000 Dollar Umsatz fließt derzeit pro Monat.
Im nächsten Jahr sollen zweistellige Millionenbeträge sprudeln, prophezeit der Vorstandschef gegenüber €uro am Sonntag. Dabei klingelten im Vorjahr bloß 628?000 Dollar in der Kasse. Und der Verlust türmte sich auf 2,3 Millionen Dollar. Kein Wunder: Marketing- und Börsenkosten schneiden den Minifirmen oft die Luft ab. Um wachsen zu können, braucht Skinny Nutrition dringend frisches Geld. Das Eigenkapital ist aufgezehrt. McDonald will nun eine Kapitalerhöhung durchziehen. Deshalb ist er heute im Roosevelt Hotel.
DiMaggio verdient schon jetzt.Für ein Zeitfenster von 20 bis 30 Minuten kassiert der Investor- Relations-Agent zwischen 2000 und 7000 Dollar von seinen Kunden. Jedes Jahr organisiert er bis zu 100 Konferenzen in den USA.
Für die Präsentation hat sich das Managementteam von Naturally Iowa, aktuelle Notiz 0,25 Dollar, etwas Besonderes einfallen lassen: Eiscreme verteilt der Öko-Produzent von Milch, Eis und Trinkjoghurt. Dem Publikum schmeckt’s. Doch das Zahlenwerk ist auch hier kirschrot. Der Umsatz beträgt nur zwei Millionen Dollar. Auf die Börsenwaage bringt der Milchverarbeiter aber immerhin 23 Millionen. Insofern zahlen Anleger mehr als den elffachen Umsatz, eine abenteuerliche Bewertung. Mag sein, dass die im Jahr 2003 gegründete Firma schnell wächst. Aber ob Öko-Eiscreme wirklich der Renner wird? Wer weiß das schon.
Einmal im Jahr lädt auch das 1951 gegründete „Equities Magazine“ seine Leser nach New York ein. Unter zahllosen hochspekulativen Firmen überzeugten jüngst zwei mit ihren Geschäftskonzepten: Organic To Go Food Corp und U.S. Geothermal. Der Ökosandwich- Vermarkter Organic To Go expandiert wie verrückt. Das als einfaches Kaffeehaus gestartete Unternehmen hat inzwischen 21 Zweigstellen in Kalifornien und Washington. Außerdem platzierte Firmenchef Jason Brown 50 Kühlregale mit seinen Produkten in Universitäten und auf dem Firmengelände von Microsoft.
Der Kurs von U.S. Geothermal geht ab wie Schmidts Katze. Binnen Jahresfrist kletterte die Notiz von einem auf 2,65 Dollar. Der alternative Energieanbieter hat seine geothermische 13- Megawattanlage in Raft River/Idaho startfertig. Jeden Tag rechnet Vorstandschef Daniel Kunz damit, den Schalter umlegen zu können, so dass die ersten Umsätze fließen. Goldman Sachs ist investiert.
Verheißungsvoll klang auch die Story des Spirituosenvermarkters Drinks Americas, der sich im August 2006 auf der Redchip Conference in New York vorstellte. Zumindest für Gründer und Steuermann Patrick Kenny hat sich das ausgezahlt. Der Kurs explodierte von 0,60 auf über 3,50 Dollar Anfang 2007. Kenny nutze die Gunst der Stunde und platzierte eine Kapitalerhöhung. Die Aktie der Zwölf-Mann-Firma ist inzwischen jedoch wieder auf das Ausgangsniveau abgestürzt. Gemeinsam mit dem Immobilienmilliardär Donald Trump versucht Kenny jetzt, den Trump Super Premium Vodka in allen Bundesstaaten in die Regale zu bringen. Wodka-Partys mit Trump, Promis und Presse sollen den Drink pushen. Der Aufwand, eine neue Mark zu etablieren ist jedoch groß – auch wenn man jemanden wie Trump als Zugpferd hat. Der Marketingetat schießt ins Kraut.
In den zurückliegenden drei Quartalen lagen die Miesen jeweils über dem Umsatz. Die nächste Kapitalerhöhung ist bloß eine Frage der Zeit.
Die großen US-Getränkehersteller suchen fieberhaft nach neuen Wachstumsquellen und reißen sich reihenweise Nischenanbieter unter den Nagel. Gut möglich, dass eines Tages Skinny Nutrition oder Drinks Americas ins Visier eines Branchenriesen gerät. Doch das weiß auch der clevere Kenny nicht.