Singidunum
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Da sprichst du wieder zwei Sachen an, die im Zusammenhang mit ihn umstritten sind. Hat er das Volk wirklich zu einer Einheit geformt, ich denke dies war zu keiner Zeit gegeben, wie man schnell nach seinem Tod gemerkt hat. Die Parole "Brüderlichkeit und Einheit" ist der größte Betrug, den Jugoslawien innenpolitisch zu bieten hatte. Tito hat sich ja nicht mal bemüht, den "Jugoslawismus" zu fördern. Im Gegenteil, ihm hatten wir unter anderen die Verfassung von 1974 (glaub ich) zu verdanken, die den Zerfall vorhersagte. Weiterer Beleg für diese Verfehlung sind doch die AVNOJ-Grenzen. Stell dir mal vor es hätte kleinere oder größere Kantone gegeben, nach Möglichkeit, ethnisch gemischt.Meiner Meinung nach hat er mit seinen politischen Gegenspielern geschickt Schach gespielt. Er hat das Volk zu einer Einheit geformt und sich somit den Rückhalt gesichert. Er machte aus den einzelnen Bauernstaaten, einen bis in die 70-er gut laufenden Industriestaat. Unter anderem angesehene Rüstungsindustrie, wie auch die jugoslawische Baumaschinerie.
Auf der anderen Seite war er non stop auf der Weltbühne präsent, war bei allen beliebt, schuf sich hier und da Kontakte bzw Verbündete und hatte im Prinzip keine Feinde. Dann kam der Bruch mit Stalin, er pokerte hoch aber hat im Prinzip den gesamten Pot abgeräumt. Mehr kann man da nicht sagen.
Die Sache mit den Bauernstaaten muss ich noch loswerden. Wieso muss sich denn ein Land zwangsläufig komplett industrialisieren, wenn es bspw. eine gut funktionierende Landwirtschaft hat und zudem noch die besten Bedingungen dafür (klimatisch etc.).
Ich bin keiner, war nur meine Laienmeinung. Hört sich plausibel an was du erzählst bezüglich seiner Aussen, Innen- und Witschaftspolitik und der dazugehörigen Schwerpunklegung. Wie gesagt was seine Fähigkeiten angeht kann man geteilter Meinung sein.Ich bin auch Historiker, wenn auch kein bedeutender und schon gar nicht bzgl. dieser Thematik. Ich sehe das schon als Titos Verdienst, auch wenn, wie du richtig feststellst, sehr viele äussere Faktoren da hineinspielten. Die Basis für die Rolle der SFRJ auf der politischen Weltbühne, bildete der Ost-West-Konflikt. Ohne den hätte es diese Rolle Jugoslawiens nicht gegeben. Aber es war ohne Frage Tito, der die SFRJ in diese Rolle hineinmanövriert hat, und das hat er, das muss man neidlos anerkennen, grandios getan. Aber erst dadruch ergab sich das grundlegende Problem Jugoslawiens, denn es gehörte nicht in diese Rolle. Die Rolle war ein paar Schuhnummern zu gross. Aber Tito gefiel sich in dieser Rolle. Er gefiel sich dort so sehr, dass beinahe sein ganzes Interesse dieser Aussenpolitik galt. Die Nachkriegszeit brachte dem sich im Aufbau befindenden Jugoslawien einen Aufschwung, aber dieser Aufschwung war trügerisch, denn die Basis dafür war ein durch Krieg zerstörtes Land. Man verpasste es in dieser Zeit, Grundlagen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Wirtschaft zu schaffen, stattdessen suhlte man sich im aussenpolitischen Ruhm. Neben der Wirtschaftspolitik war auch die Innenpolitik ein Opfer dieser Rolle. Man hatte weder die Zeit noch die Lust, sich mit innerpolitischen Angelegenheiten zu befassen. Es war einfacher, das Volk, mal ganz lapidar ausgedrückt, mittels Repression ruhig zu stellen.