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03.01.2006
Ausland
jW-Bericht
Alle gegen Rußland
Marktwirtschaft ist, was der Westen sagt: USA und EU-Staaten ergreifen im Gasstreit einseitig Partei. Russischer Gasversorger wirft Ukraine millionenschweren Diebstahl vor
Feilschen oder Provokation? Nachdem der russische Gasprom-Konzern am Neujahrstag die Gasversorgung in die Ukraine gedrosselt hatte, war auch am Montag kein Kompromiß in Sicht. Im Gegenteil – der Streit um die Zahlung marktüblicher Preise für russisches Erdgas durch die Nachbarrepublik bekommt neben der wirtschaftlichen zunehmend eine politische Dimension. Mit der Einstellung der Gaslieferungen will Rußland nach Einschätzung der Regierung in Kiew die Wirtschaft der früheren Sowjetrepublik gezielt schwächen. Das ukrainische Außenministerium sprach in einer Stellungnahme am Sonntag abend von einem Erpressungsversuch des Kremls und forderte eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Gaspreise, an denen internationale Experten beteiligt werden sollten.
Gleichzeitig versucht Kiew den internationalen Druck, besonders aus dem Westen, auf Rußland zu erhöhen. Wunschgemäß äußerten auch diverse Regierungs- und Behördensprecher ihren Unmut über den Stopp der russischen Lieferungen. Obwohl gerade die USA Marktpreise als Schlüsselelement der Weltökonomie begreifen, kritisierte Washington Rußland. Die Entscheidung von Gasprom werfe die Frage auf, ob hier Energie als politisches Druckmittel verwendet werde, erklärte US-Außenamtssprecher Sean McCormack.
Vertrauen?
EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat eine Einigung im Streit gefordert und an Rußland appelliert, auf die Bedenken der Ukraine einzugehen. Wenn keine Lösung gefunden werde, könne auch das Vertrauen der Europäer zu seinen Energielieferanten Schaden nehmen, drohte Ferrero-Waldner am Montag im Deutschlandfunk. Beide Seiten müßten deshalb weiter verhandeln.
Einen politischen Doppelschlag versuchte Deutschlands Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Er gab Moskau indirekt zu verstehen, daß Deutschland seinen Erdgasbezug nur dann erhöht, wenn die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Die Gaslieferungen aus Rußland könnten nur gesteigert werden, »wenn wir wissen, daß die Lieferungen aus dem Osten zuverlässig sind«, tönte Glos am Montag im WDR. Gleichzeitig brach der Bayer wieder einmal eine Lanze für die Atomenergie. Die deutschen Kernkraftwerke seien von der Koalition aus SPD und Grünen »aus politischen Gründen zum Abschalten verurteilt worden«, kritisierte Glos im WDR-Rundfunk. Angesichts des Gasstreits zwischen der Ukraine und Rußland mit möglichen Auswirkungen auch auf Deutschland müsse aber neu nachgedacht werden, was getan werden könne, um Deutschlands Energieversorgung unabhängiger vom Ausland zu machen.
Apropos Versorgungssicherheit: Gasprom hat Kiew nicht nur die Gasversorgung gedrosselt, sondern wirft dem Nachbarstaat auch vor, sich einfach aus den Gasleitungen, die durch das Land führen, kostenlos zu bedienen. Gas im Wert von umgerechnet 21 Millionen Euro sei gestohlen worden, sagte der stellvertretende Chef von Gasprom, Alexander Medwedew, am Montag. Die Ukraine habe allein am Sonntag etwa 100 Millionen Kubikmeter Erdgas abgeschöpft, das für Europa bestimmt gewesen sei.
Der ukrainische Energieminister Iwan Platschkow wies die Anschuldigung umgehend zurück. »Es hat keine nichtautorisierte Umleitung von Gas gegeben«, sagte Platschkow. »Die Ukraine verwendet ihr eigenes Gas aus unterirdischen Lagerungsstätten sowie Gas aus Turkmenien.«
Abgezapft?
Medwedew erklärte dazu, Rußland leite zur Zeit gar kein turkmenisches Gas weiter: »Nur russisches Gas tritt in das ukrainische Transportsystem ein.« Dieses Gas sei ausschließlich für den Export nach Europa bestimmt. Medwedew sagte weiter, das Schweizer Warenprüfunternehmen SGS sei gebeten worden, die Gasmengen zu prüfen, die in das Leitungsnetzwerk der Ukraine eingespeist würden. Die Gaspipelines von Rußland nach Westeuropa führen durch die Ukraine.
Was ebenfalls gegen das ukrainische Dementi spricht: Inzwischen hat sich der Lieferstopp in die Ukraine bereits in Österreich und Ungarn bemerkbar gemacht. Das ungarische Energieunternehmen MOL teilte am Sonntag abend in Budapest mit, die Lieferungen über durch die Ukraine laufende Pipelines seien um 25 Prozent reduziert. Der österreichische Energieversorger OMV meldete einen Rückgang um ein Drittel. Auch Polen und die Slowakei registrierten einen Rückgang der russischen Gaslieferungen über die Ukraine – was den britischen Energieminister Malcolm Wicks umgehend veranlaßte, Rußland zu kritisieren. Moskau müsse auf seinen Ruf als sicherer Energielieferant bedacht sein, so der Brite.
Rußland verlangt von der Ukraine, die bislang Gas zu Sonderkonditionen erhalten hatte, die Zahlung marktüblicher Preise. Demnach soll der Preis für je 1000 Kubikmeter Erdgas von derzeit 50 US-Dollar (42 Euro) auf 220 bis 230 Dollar (186 bis 194 Euro) angehoben werden. Die Ukraine, deren orangefarbener Aufbruch in die »freie Marktwirtschaft« vor Jahresfrist im Lande und im Westen gebührend gefeiert wurde, möchte allerdings bei den Gaspreisen lieber noch ein wenig Sozialismus haben.
Ich gebe Russland in dem Streit recht. Wenn die Ukraine die Freundschaft der EU vor der Russlands vorzieht dann muss sie auch die Konsequenzen tragen. Sprich: Nicht mehr die Preise und Vroteile eines Freundes genießen!