Hab leider keine Quelle auf die schnelle parat, aber bin der Meinung irgendwo gelesen zu haben, dass der Balkan der Dreh und Angelpunkt wirtschaftlich und kulturell in Europa war. Erst durch das OR musste der Balkan zurückstecken und Westeuropa übernahm den Platz ein.
Auch eine sehr seltsame Zusammenfassung wenn man den Humanismus bzw. die Renaissance welche tatsächlich der ausschlaggebende Faktor war für Reformation und Aufklärung nicht erwähnt und nur den Wohlstand als ausschlaggebenden Faktor erwähnt.
Es wäre Interessant über ein alternatives Szenario zu diskutieren, bei dem der Balkan, insbesondere Byzanz,
nicht unter osmanische Herrschaft geraten wäre und stattdessen die europäischen Prozesse der Neuzeit
miterlebt hätte. Sicherlich wäre Byzanz, vor allem Thessaloniki und Konstantinopel Zentren der Renaissance
gewesen. Man stelle sich vor, Konstantinopel auf einer Ebene mit Paris oder London, oder Byzanz als
Kolonialmacht.
Das größte Problem der Balkanvölker ist diese Idee der genommenen Zukunft. Ich kenne das von Griechen, Serben und bei Kroaten, wobei es sich bei uns weniger um die Türken dreht, als generell um Fremdherrschaft.
Die Renaissance wäre nie entstanden, wäre Konstantinopel nicht gefallen und sie konnte auch nur im damaligen Italien ihren Ursprung haben. Euer Unmut ist verständlich, aber gerade die damals noch katholischen Länder, allen voran Italien konnte massiv davon profitieren, auch Spanien und Frankreich. Dazu gehört auch das Wissen der Araber, was man sich zu nutze machte. In Deutschland interessierte man sich vor allem ab Goethe und den Romantikern stark für die alten Griechen. Alle profitierten davon mehr als Griechenland selbst. Dante und Machiavelli sind typische Beispiele für das damalige Italien.
Ein zusätzlicher Faktor, warum der Balkan vernachlässigt wurde, ist natürlich die Reformation und damit die Verlagerung Richtung Norden, das waren ganz andere Kämpfe. Man kann die Reformation auch als Beginn des Kapitalismus sehen, mit dem Zwischenschritt der Aufklärung, mit dem alles mehr Geschwindigkeit bekam.
in der Phase der Nationalstaaten und Griechenland ist, soweit ich weiß, der erste überhaupt, haben die westlichen Staaten den Balkan massiv blockiert im Kampf gegen das OR. Die Folgen davon erleben wir bis heute. Schon deswegen kann man gerade als Grieche meiner Meinung nach nicht alles auf das OR schieben, denn Griechenland wurde von diversen Staaten missbraucht und hat auch eigene Fehler begannen, mit der Vorstellung wieder zu alter Größe zu gelangen, was natürlich den Großmächten überhaupt nicht recht war.
Generell ist der Balkanbegriff zutiefst geprägt vom Osmanenwahn. Mich wundert immer die Bestimmung des Balkans, gerade im Bezug auf Kroatien. Spricht man von Balkanchristen, sind meist nur Orthodoxe gemeint, wir Katholiken fallen da einfach raus, auch spielt bei uns der OR Kram keine so große Rolle. Sicher auch, weil wir uns nicht selbst befreit haben, sondern "befreit" wurden oder weitergereicht.
Aber der Balkan war nie das Zentrum von irgendwas anderem als Konflikten. Die Gründe sind recht simpel. Nehmen wir Dalmatien, geprägt Ungarn/Esterajh/Venedig. In Teilen waren die Städte sogar recht fortschrittlich, freie Bürger, teilweise freie Städte und römisches Recht. Aber Kroaten selbst hatten nicht viel zu melden, denn die Amtssprache war italienisch, selbst unter den Habsburgern blieb die innere Amtssprache italienisch und am Drücker waren vorwiegend Italiener. Das Land wurde abgeholzt und Kroaten hatten tolle Auftritte als Seefahrer und Reiter. Die Küstenregion hat tolle Städte und im Hinterland war nie viel los. Und es gibt einen einfachen Grund, warum Dalmatien ein Grund ist, warum der Balkan unterentwickelt ist. Dalmatien gab wenig her, wenn man nicht gerade eine Ziegenherde hatte. Karge Böden = ärmliche Bewohner. Wäre das ein fruchtbares Land gewesen, die Entwicklung wäre ganz anders verlaufen und hätte sich auch weiter ausgebreitet. Die Handelsrouten mit dem OR funktionierten und von Split fuhren Muslime nach Mekka. So viel Stress hatte man also nicht mit den Osmanen. In Albanien wird es ähnlich gewesen sein. Dazu kommt noch, dass Dalmatien voll von Piraten war. Ulcinj war auch beim OR genau deswegen nicht sonderlich beliebt
Und nach dem OR folgte weiter nur Chaos. Wer ist bitte so bescheuert Völker nach Religion zu bestimmen... Nach den damaligen Verhältnissen war die illyrische/panlsawische Idee naheliegend, scheiterte allerdings am Größenwahn der Beteiligten. Statt sich darauf zu konzentrieren einen stabilen Staat aufzubauen, war man damit beschäftigt irgendwelche Mythen und Nationalismen aufzubauen. Nicht einmal die Sprachanpassung verlief ohne Nationalismus, bzw. entfachte ihn noch. Am Ende hatte man nicht die erhoffte Selbstständigkeit sondern neue Konflikte. So musste das erste Jugoslawien scheitern, so wie auch Österreich/Ungarn scheitern musste. Schon die Dummheit in YU1 unterschiedlich hohe Steuern zu erlassen, lässt ahnen, wie wenig man aus dem OR gelernt hatte. Das OR wird gerne auf die Religion reduziert, was auch nicht ganz falsch ist, aber so muss man eben auch sehen, was die Kirchen danach angerichtet haben. Im Yu Beispiel kann man da die serbisch orthodoxe Kirche und die katholische Kirche nennen. Bei den Serben kann man das noch nachvollziehen, denn ohne die serbische Kirche sind die Mythen kaum denkbar, sie ist ein Kern der Identität und diese Stellung nutzte sie natürlich mit voller Kraft aus, vor und nach jedem Krieg. Für mich sind die Kroaten hier diejenigen, die sich am dümmsten verhalten haben, denn die Kirche war nicht zwingend Notwendig für die eigene Identität, hatte aber die macht über die Ohren der Bauern und stand natürlich im Konflikt mit den Orthodoxen. Unter Fremdherrschaft waren Kroaten und Serben im Hinterland gleich beschissen dran und hatten keine Konflikte, die entstanden erst aus eigener Kraft.
Wenn man also die Kriege zusammenzählt und die Veränderungen, die sich dadurch auf dem Balkan ergaben, ist es kein Wunder, dass alles so rückständig ist. Und so ist es bis heute. Griechenland und Kroatien haben für mich verdammt hohes Potenzial, Kroatien schafft es noch nicht einmal das landwirtschaftliche Potenzial zu nutzen. Und warum Griechenland nicht einmal zu den großen Weinbaunationen gehört, ist mir ebenso ein Rätsel, dabei haben beide Länder hier große Chancen. Und selbst hier kann man die Kirchen verantwortlich machen. Warum waren kroatische Mönche zu blöd zum Weinbau?!
Man kann schon sagen, dass der Balkan generell im Konflikt mit der Realität steht. Das hat natürlich witzige und spannende Seiten, führt aber auch dazu, dass immer andere Schuld an der eigenen Misere sind.