Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nutzt den Konflikt in Bergkarabach, um einen Krieg vom Zaun zu brechen - und riskiert sogar den Absturz der Lira.
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Bergkarabach: Erdogan nutzt den Konflikt, um einen Krieg vom Zaun zu brechen
Aktualisiert: 01.10.20 - 20:37
Berlin muss seine Blockade gegen eine europäische Haltung zur neo-osmanischen Außenpolitik Erdogans aufgeben.
- Recep Tayyip Erdogan und die Türkeibefinden sich in einem Konflikt mit Griechenland und Zypern.
- Die Bundesregierung Deutschlandsführt dennoch einen lockeren Umgang mit dem Präsidenten.
- Dabei nimmt sie sogar eine Spaltung innerhalb der EU in Kauf.
Der Konflikt zwischen der
Türkei auf der einen Seite sowie
Griechenland und
Zypernauf der anderen um die riesigen Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer ist durch die Vermittlung der Bundesregierung erst einmal vertagt. Doch eine dauerhafte Entschärfung scheint äußerst unwahrscheinlich.
Es wurde Zeit gekauft, und auch das ist in diesen Zeiten anzuerkennen. Es ist bemerkenswert, dass der türkische Staatspräsident
Recep Tayyip Erdogan diese Zeit nutzt, um den nächsten Krieg in Europa vom Zaun zu brechen und dafür selbst den Absturz der türkischen Lira auf ein neues Rekordtief in Kauf nimmt.
Türkei soll Söldner eingeflogen haben: Bundesregierung für lockeren Umgang mit Erdogan verantwortlich
Die
Türkei soll 4000 islamistische Söldner aus Syrien nach Aserbaidschan geflogen haben, um der Autokratie der Familie Alijew bei ihrem
Angriff auf Berg-Karabach unter die Arme zu greifen. Für die Militäraktionen Aserbaidschans versichert der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Baku die totale Unterstützung. Die Europäische Union aber ist gelähmt bei der Frage, wie mit
Erdogan umzugehen ist. Und dafür trägt die Bundesregierung die Hauptverantwortung.
Während
Griechenland und
ZypernKonsequenzen für die Verletzung des Völkerrechts durch die türkischen Gaserkundungen in der Ägäis fordern, verhindert die Bundesregierung jedwede Maßnahme gegen Ankara. Waffen und Finanzhilfen sollen weiter fließen, so meint man Erdogan ruhig halten zu können.
Umgang mit Erdogan und der Türkei: Bundesregierung nimmt Spaltung der EU in Kauf
Das Interesse der
Bundesregierung, den Autokraten nicht zu verärgern ist offenbar so groß, dass man selbst eine Spaltung der EU in außenpolitischen Fragen in Kauf nimmt.
Zypern blockiert die vom Außenbeauftragten Joseph Borrell angekündigten Maßnahmen gegen Belarus, weil Deutschland gegenüber der
Türkei auf ein „Weiter so“ setzt.
Die Frage nach der Haltung zu
ErdogansAggressionspolitik hat das Potenzial, die EU außenpolitisch in eine Nord- und Süd-Union zu zerteilen. Unter der Führung Frankreichs versammelten sich Griechenland, Zypern, Italien, Malta, Spanien und Portugal auf der französischen Mittelmeerinsel Korsika, weil sie sich der deutschen Dominanz in der EU und ihrer Willfährigkeit gegenüber dem Despoten am Bosporus entgegenstellen. Die EU als Instrument eines Interessenausgleichs stößt damit gerade in der Krise zunehmend an Grenzen.
Flüchtlingspakt mit Erdogan halten: Koste es, was es wolle
Berlin aber setzt weiter auf die Allianz mit
Erdogan. Da ist der
Flüchtlingspakt, den man, koste es was es wolle, halten wird. Da ist das Ziel, die
Türkei in der Nato zu halten, auch wenn Erdogan Krieg gegen die Kurden im eigenen Land führt und nahezu kein Tag vergeht, an dem nicht Oppositionspolitiker insbesondere der pro-kurdischen HDP verfolgt werden. Und da ist die Türkei als Profitcenter für die Direktinvestitionen deutscher Konzerne. Und obwohl Erdogan das Wasser bis zum Hals steht und seine auf Pump und Ausverkauf gründende Wirtschaftspolitik in die Krise gerät, kann er sich, wenn die Konflikte eskalieren, stets auf die Bundesregierung verlassen.
Das Beispiel
Türkei zeigt, dass bei der Bundesregierung von einer völkerrechtsbasierten und werteorientierten Außenpolitik keine Rede sein kann, mit schlimmen Konsequenzen für
Europa und den
Nahen Osten. Es sei nur an die Waffenlieferungen erinnert. Bei den Exporten von Kriegswaffen lag die Türkei in den vergangenen beiden Jahren in der Rangliste der Empfängerländer auf Platz 1 mit einem Volumen von zusammen mehr als einer halben Milliarde Euro.
Umgang mit Erdogan: Doppelte Standards der deutschen Außenpolitik
Der Umgang mit
Erdogan steht beispielhaft für eine Politik der doppelten Standards der deutschen Außenpolitik, wie er in Europa auf immer mehr Widerstand stößt. Berlin erweckt durch seine Politik des Verständnisses den Eindruck, ein Bündnis mit Diktaturen und Autokratien, die die Opposition wegsperren und völkerrechtswidrige Kriege führen, sei so lange opportun, wie diese Staaten in westlichen Bündnissen eingebunden sind und die Interessen deutscher Konzerne gewahrt werden.
Es ist mehr als sonderbar, dass die
Bundesregierung den Vorschlag des griechischen Außenministers Nikos Dendias nicht aufgriffen hat, den Streit um die Gasvorkommen in der östlichen Ägäis dem Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen zu lassen. Warum werden die Vereinten Nationen und internationale Gerichte beiseitegeschoben, wenn es gilt, diesen Streit friedlich zu lösen?
Es ist höchste Zeit, dass
Berlin seine Blockade gegenüber einer gemeinsamen europäischen Haltung im Hinblick auf die neo-osmanische Außenpolitik
Erdogans aufgibt. Die Zeit der Vermittlung hat bisher allein der türkische Autokrat genutzt, um weitere Aggressionen in Szene zu setzen. Es wäre fatal weiter Zeit zu kaufen, die allein Erdogan nutzt.