Bogumilen
Hier im mazedonischen Vodoča wurden 14.000 Bogumilen die Augen ausgestochen um ihren Glauben an das Innere Licht zu verhöhnen (1014)
Bogumilen:
Bogumil lebte vermutlich von 913 bis 963. Er war der erste, der ketzerische Lehren in bulgarischen Gebieten predigte.« Der »ketzerische« Gemeindevorsteher (=Synekdemos) Bogumil begann sein öffentliches Wirken um 935. Er war eine überragende Persönlichkeit, nach der eine große Bewegung, die ein halbes Jahrtausend Bestand hatte, benannt ist. Doch diese Bewegung entstand nicht aus dem Nichts und ; die unerträglichen sozialen Verhältnisse Bulgariens waren nicht ihre letzte Ursache, sondern eher Auslöser und Verstärker einer religiösen Umwälzung, die »in der Luft« lag. Die Bulgaren sind ursprünglich ein turksprachiges Reitervolk, das, aus Zentralasien kommend, im 7. Jahrhundert in den Balkanraum vordrang. Dort vermischten sie sich allmählich mit den ansässigen Slawen und übernahmen deren Sprache. In Asien hatten sie engen Kontakt zum Volk der Uiguren gehabt. Bei diesen war die Lehre des Manichäismus lange Zeit verbreitet, zeitweise sogar als »Staatsreligion«. Auf dem Balkan wiederum trafen die Bulgaren unter anderem auf die Paulikianer, die man als die geistigen Erben der Manichäer bezeichnen könnte. Der Boden war also vorbereitet für eine Erneuerung dieser am Urchristentum orientierten »Ketzer«-Bewegungen. Die Bogumilen verbreiteten sich sehr rasch in Bulgarien und in den angrenzenden Ländern Mazedonien, Serbien und Bosnien. Der Kern ihrer Lehre war, dass der Mensch ohne Vermittlung einer äußeren Instanz oder Institution in ein unmittelbares Verhältnis zu Gott treten kann. Deshalb bauten sie, jedenfalls in der Anfangszeit, keine äußeren Kirchen, sondern trafen sich in schlichten Versammlungsräumen. »Das Herz des Menschen ist die wahre Kirche Christi«, sagte ein Bogumile, als er vor einem Inquisitionsgericht verhört wurde.
Die Bogumilen pflegten auch keine Rituale oder liturgischen Zeremonien. Sie wollten das christliche Leben nicht auf Tradition, sondern auf spirituelle Erfahrung gründen. Sie trafen sich zu einer feierlichen Tischgemeinschaft nach dem Vorbild des urchristlichen »Liebesmahls«. Sie kannten keine Priesterhierarchie, sondern lediglich eine Unterteilung ihrer Anhänger in »Vollkommene«, »Glaubende« und »Zuhörer«. Letztere würde man heute als »Sympathisanten« bezeichnen; die »Glaubenden« waren Vollmitglieder der bogumilischen Gemeinden. Die »Vollkommenen« zeichneten sich durch eine enthaltsame Lebensweise aus, vor allem aber durch eine natürliche Autorität, die allein auf ihrer inneren Entwicklung beruhte, auf dem »Maße des inneren Lichtes, das er zum Leuchten gebracht hatte«. Zu einem »Vollkommenen« wurde man durch die »Geisttaufe« das einzige Sakrament, das die Bogumilen kannten.
Die bulgarischen »Gottesfreunde«, zumindest die »Vollkommenen« und die »Glaubenden« unter ihnen, lebten vegetarisch und waren gewaltlos. Sie wollten nicht das Göttliche, das in allem lebt, töten. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, nicht nur sich selbst mit der Hilfe des inneren Christus zum Licht hin zu entwickeln, sondern auch das Böse in der Welt durch ihr Vorbild und ihre Liebe allmählich mit zu erlösen. So wollten sie das kommende »Reich des heiligen Geistes« vorbereiten. Sie glaubten an die Möglichkeit einer Wiederverkörperung der Seele, nicht aber an eine ewige Verdammnis. Sie lehnten die Verehrung des Kreuzes mit Korpus ab, hinterließen aber eine Fülle von Licht- oder Lebenskreuzen ohne Korpus. Das Böse war nach Auffassung der Bogumilen durch den Sturz »Satanaels«, eines Sohnes Gottes, aus dem Himmel entstanden. Aus diesem »Engelsturz« entstand auch die Materie und der Planet Erde. Weil aber Satanael den Menschen nicht das Leben einhauchen konnte, verlieh Gott jedem Menschen einen »Geist-Funken« aus Seinem Licht. Daraus ergibt sich die innere Zwiespältigkeit des Menschen: Äußerlich gehört er der Materie, innerlich Gott an.
Die Bogumilen waren also, zumindest in ihrer Mehrzahl, keine Anhänger eines »radikalen« (gnostischen) Dualismus, wonach seit Urzeiten die Prinzipien Gut und Böse gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Sie vertraten vielmehr einen »gemäßigten Dualismus«, wonach Gott der Ursprung allen Seins und stärker als das Böse ist, das dereinst besiegt sein wird. Wenn den Bogumilen bis heute immer wieder unterstellt wird, sie hätten nur an eine Schein-Existenz des Jesus von Nazareth auf der Erde und an eine Schein-Kreuzigung geglaubt (»Doketismus«), so beruht dies wohl auf einem Missverständnis: Sie glaubten, dass der innere Kern der Persönlichkeit des Jesus von Nazareth, nämlich der Christus Gottes, nicht von dieser Welt war und deshalb auch nicht getötet werden konnte. Weil sie im Alten Testament der Bibel sehr viele Aussagen fanden, die sie mit einem liebenden Gott nicht in Einklang bringen konnten, lehnten sie dieses Buch weitgehend ab, erkannten nur die Psalmen und die Bücher von sechs Propheten als von Gott gegeben an, nicht aber beispielsweise die Bücher des Mose, die sie für vom Teufel inspiriert hielten. Die Möglichkeit, dass diese Bücher, wie so vieles andere, von der damaligen Priesterkaste verfälscht worden waren, war ihnen offenbar nicht mehr geläufig hatte doch die Kirche die tiefschürfende Textkritik z.B. eines Origenes schon viele Jahrhunderte zuvor verketzert und weitgehend ausradiert.
Die Lehre und Lebensführung der Bogumilen war in ihrer Schlichtheit und Klarheit nicht nur eine Gefahr für die etablierten Kirchen, für die katholische ebenso wie die seit 1054 von ihr getrennte orthodoxe. Diese Bewegung bedrohte auch die feudale staatliche Ordnung, die damals noch auf Ausbeutung und Unterdrückung angelegt war: Sie entzog einer religiösen Anschauung, die Sklaverei und Leibeigenschaft, Reichtum und Ausbeutung rechtfertigte, den Boden. Und so kam es, wie es kommen musste: Während die Bogumilen jeglichen Glaubenszwang ablehnten und die Freiheit des menschlichen Willens betonten, brachten ihnen die kirchlichen und staatlichen Institutionen das Gegenteil davon entgegen: Die bogumilische Bewegung wurde im byzantinischen Reich, in Bulgarien, in Serbien immer wieder verketzert und grausam bekämpft. So ließ der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos (1018-1116) den bogumilischen Gemeindevorsteher Basileios an den byzantinischen Hof nach Konstantinopel (heute Istanbul) rufen, angeblich, um sein Anhänger zu werden. In Wirklichkeit ließ er das Gespräch von hinter einem Vorhang versteckten Lauschern mitschreiben und die angereiste Delegation der Bogumilen anschließend von einem Inquisitionsgericht verurteilen und verbrennen. Bereits vor Alexios hatte sein Vorgänger Basileios II. (976-1025) dreißig Jahre lang Krieg gegen den westbulgarischen Zaren Samuel geführt, der mit den Bogumilen sympathisierte und ihnen Glaubensfreiheit gewährte. Nach der blutigen Schlacht von Kljutsch (1014) nahm das byzantinische Heer des Basileios 14.000 bulgarische Soldaten gefangen. Auf Befehl des byzantinischen Kaisers wurden allen Gefangenen die Augen ausgestochen; nur jedem Hundertsten wurde ein Auge belassen, damit er die übrigen heimführen konnte. Diese grausame Verstümmelung sollte offenbar eine Verhöhnung der bogumilischen Lehre des »inneren Lichtes« sein. Als Zar Samuel seine Soldaten so herankommen sah, starb er gebrochenen Herzens. Kaiser Basileios erhielt den Beinamen »Bulgaroktos«, Bulgarenschlächter, worauf er auch noch stolz war. Bis heute erinnert ein kleines Kloster am Vodoca-See (von »vadi oci«, Augen ausreißen) in der Nähe des Schlachtfeldes im heutigen Mazedonien an dieses Verbrechen. Auch die katholische Kirche bekämpfte die »Irrlehre« nach Kräften. Das Heer des vierten Kreuzzugs, der später statt des »heiligen Landes« das orthodoxe Byzanz erobern sollte, zog im Jahre 1202 von den Venezianern (die das Unternehmen finanziert hatten) zunächst gegen die dalmatinische Stadt Zadar im heutigen Kroatien; mit der Begründung, dort lebten »bogumilische Ketzer«. Mehrfach ließ der Papst »Ketzerkreuzzüge« gegen die Bogumilen ausrufen. Trotz aller Verfolgungen verbreitete sich die Lehre der »Gottesfreunde« jedoch weiter. Zeitweise fand sie für einige Jahrzehnte staatlichen Schutz ; so zu Beginn des 11. Jahrhunderts im westbulgarischen Reich (dem heutigen Mazedonien) um den Ohrid-See, oder im 13. und 14. Jahrhundert in Bosnien. Dort bildete das Bogumilentum zeitweise sogar eine Art Staatsreligion. Doch auch deren Tage waren gezählt. Als die Türken nach der Schlacht gegen die Serben auf dem Amselfeld (1389) auf dem Balkan weiter vordrangen, verweigerten die katholischen Nachbarn den bosnischen »Ketzern« jegliche Hilfe; es sei denn, sie wären zum Katholizismus übergetreten. Dazu waren die Bosnier jedoch nicht bereit. Die Türken rotteten die bosnische Oberschicht weitgehend aus; die einfachen Bauern begaben sich notgedrungen unter türkische Oberhoheit und nahmen in der Folgezeit fast alle den muslimischen Glauben an. Ihre Nachfahren sind die heutigen bosnischen Muslime. Doch die Kirche ahnte selbst, dass der im Bogumilentum wieder auferstandene Geist des Urchristentums nicht ausgelöscht werden kann. Papst Pius II. (1458-64) musste feststellen, dass die Kirche kaum jemals einer Bewegung so heftig und mit solch scharfen Mitteln entgegengetreten sei. Dennoch seien alle Anstrengungen der Kirche gegen diese »schlechten Menschen«, die sich »gute Christen« nennen, letztlich erfolglos geblieben. In der Tat: Bereits lange vor dem Ende der Bogumilen auf dem Balkan hatte die Lehre sich über ganz Europa verbreitet. Flüchtende Bogumilen setzten von Albanien nach Italien über. Andere fanden in der Ukraine und in Russland eine neue Heimat. Das berühmte orthodoxe Kloster auf dem Berg Athos in Griechenland war lange Zeit; bis ins 14. Jahrhundert hinein; ein Bollwerk des Bogumilentums. Große Gestalten der abendländischen Geistesgeschichte wie der römische Ketzer-Revolutionär Arnold von Brescia, der kalabresische Abt Joachim von Fiore, der Dichter Dante Alighieri könnten von Nachklängen dieser Bewegung beeinflusst worden sein. Sogar der von der katholischen Kirche vereinnahmte »Heilige« Franziskus von Assisi zeigte in seiner Naturverbundenheit und Schlichtheit eher bogumilische Züge ; schließlich wurde »sein« Orden der Franziskaner gegen seinen Willen gegründet, und seine treuesten Schüler (Spiritualen genannt) wurden zu Hunderten auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrannt. Vor allem aber steht fest, dass es intensive Kontakte zwischen den Bogumilen des Balkans und den Katharern Südfrankreichs und Italiens sowie den »Gottesfreunden« des Rheinlands gab.
und ihr alle beschwert euch über die Türken aber kein stück besser seid ihr
Hier im mazedonischen Vodoča wurden 14.000 Bogumilen die Augen ausgestochen um ihren Glauben an das Innere Licht zu verhöhnen (1014)
Bogumilen:
Bogumil lebte vermutlich von 913 bis 963. Er war der erste, der ketzerische Lehren in bulgarischen Gebieten predigte.« Der »ketzerische« Gemeindevorsteher (=Synekdemos) Bogumil begann sein öffentliches Wirken um 935. Er war eine überragende Persönlichkeit, nach der eine große Bewegung, die ein halbes Jahrtausend Bestand hatte, benannt ist. Doch diese Bewegung entstand nicht aus dem Nichts und ; die unerträglichen sozialen Verhältnisse Bulgariens waren nicht ihre letzte Ursache, sondern eher Auslöser und Verstärker einer religiösen Umwälzung, die »in der Luft« lag. Die Bulgaren sind ursprünglich ein turksprachiges Reitervolk, das, aus Zentralasien kommend, im 7. Jahrhundert in den Balkanraum vordrang. Dort vermischten sie sich allmählich mit den ansässigen Slawen und übernahmen deren Sprache. In Asien hatten sie engen Kontakt zum Volk der Uiguren gehabt. Bei diesen war die Lehre des Manichäismus lange Zeit verbreitet, zeitweise sogar als »Staatsreligion«. Auf dem Balkan wiederum trafen die Bulgaren unter anderem auf die Paulikianer, die man als die geistigen Erben der Manichäer bezeichnen könnte. Der Boden war also vorbereitet für eine Erneuerung dieser am Urchristentum orientierten »Ketzer«-Bewegungen. Die Bogumilen verbreiteten sich sehr rasch in Bulgarien und in den angrenzenden Ländern Mazedonien, Serbien und Bosnien. Der Kern ihrer Lehre war, dass der Mensch ohne Vermittlung einer äußeren Instanz oder Institution in ein unmittelbares Verhältnis zu Gott treten kann. Deshalb bauten sie, jedenfalls in der Anfangszeit, keine äußeren Kirchen, sondern trafen sich in schlichten Versammlungsräumen. »Das Herz des Menschen ist die wahre Kirche Christi«, sagte ein Bogumile, als er vor einem Inquisitionsgericht verhört wurde.
Die Bogumilen pflegten auch keine Rituale oder liturgischen Zeremonien. Sie wollten das christliche Leben nicht auf Tradition, sondern auf spirituelle Erfahrung gründen. Sie trafen sich zu einer feierlichen Tischgemeinschaft nach dem Vorbild des urchristlichen »Liebesmahls«. Sie kannten keine Priesterhierarchie, sondern lediglich eine Unterteilung ihrer Anhänger in »Vollkommene«, »Glaubende« und »Zuhörer«. Letztere würde man heute als »Sympathisanten« bezeichnen; die »Glaubenden« waren Vollmitglieder der bogumilischen Gemeinden. Die »Vollkommenen« zeichneten sich durch eine enthaltsame Lebensweise aus, vor allem aber durch eine natürliche Autorität, die allein auf ihrer inneren Entwicklung beruhte, auf dem »Maße des inneren Lichtes, das er zum Leuchten gebracht hatte«. Zu einem »Vollkommenen« wurde man durch die »Geisttaufe« das einzige Sakrament, das die Bogumilen kannten.
Die bulgarischen »Gottesfreunde«, zumindest die »Vollkommenen« und die »Glaubenden« unter ihnen, lebten vegetarisch und waren gewaltlos. Sie wollten nicht das Göttliche, das in allem lebt, töten. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, nicht nur sich selbst mit der Hilfe des inneren Christus zum Licht hin zu entwickeln, sondern auch das Böse in der Welt durch ihr Vorbild und ihre Liebe allmählich mit zu erlösen. So wollten sie das kommende »Reich des heiligen Geistes« vorbereiten. Sie glaubten an die Möglichkeit einer Wiederverkörperung der Seele, nicht aber an eine ewige Verdammnis. Sie lehnten die Verehrung des Kreuzes mit Korpus ab, hinterließen aber eine Fülle von Licht- oder Lebenskreuzen ohne Korpus. Das Böse war nach Auffassung der Bogumilen durch den Sturz »Satanaels«, eines Sohnes Gottes, aus dem Himmel entstanden. Aus diesem »Engelsturz« entstand auch die Materie und der Planet Erde. Weil aber Satanael den Menschen nicht das Leben einhauchen konnte, verlieh Gott jedem Menschen einen »Geist-Funken« aus Seinem Licht. Daraus ergibt sich die innere Zwiespältigkeit des Menschen: Äußerlich gehört er der Materie, innerlich Gott an.
Die Bogumilen waren also, zumindest in ihrer Mehrzahl, keine Anhänger eines »radikalen« (gnostischen) Dualismus, wonach seit Urzeiten die Prinzipien Gut und Böse gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Sie vertraten vielmehr einen »gemäßigten Dualismus«, wonach Gott der Ursprung allen Seins und stärker als das Böse ist, das dereinst besiegt sein wird. Wenn den Bogumilen bis heute immer wieder unterstellt wird, sie hätten nur an eine Schein-Existenz des Jesus von Nazareth auf der Erde und an eine Schein-Kreuzigung geglaubt (»Doketismus«), so beruht dies wohl auf einem Missverständnis: Sie glaubten, dass der innere Kern der Persönlichkeit des Jesus von Nazareth, nämlich der Christus Gottes, nicht von dieser Welt war und deshalb auch nicht getötet werden konnte. Weil sie im Alten Testament der Bibel sehr viele Aussagen fanden, die sie mit einem liebenden Gott nicht in Einklang bringen konnten, lehnten sie dieses Buch weitgehend ab, erkannten nur die Psalmen und die Bücher von sechs Propheten als von Gott gegeben an, nicht aber beispielsweise die Bücher des Mose, die sie für vom Teufel inspiriert hielten. Die Möglichkeit, dass diese Bücher, wie so vieles andere, von der damaligen Priesterkaste verfälscht worden waren, war ihnen offenbar nicht mehr geläufig hatte doch die Kirche die tiefschürfende Textkritik z.B. eines Origenes schon viele Jahrhunderte zuvor verketzert und weitgehend ausradiert.
Die Lehre und Lebensführung der Bogumilen war in ihrer Schlichtheit und Klarheit nicht nur eine Gefahr für die etablierten Kirchen, für die katholische ebenso wie die seit 1054 von ihr getrennte orthodoxe. Diese Bewegung bedrohte auch die feudale staatliche Ordnung, die damals noch auf Ausbeutung und Unterdrückung angelegt war: Sie entzog einer religiösen Anschauung, die Sklaverei und Leibeigenschaft, Reichtum und Ausbeutung rechtfertigte, den Boden. Und so kam es, wie es kommen musste: Während die Bogumilen jeglichen Glaubenszwang ablehnten und die Freiheit des menschlichen Willens betonten, brachten ihnen die kirchlichen und staatlichen Institutionen das Gegenteil davon entgegen: Die bogumilische Bewegung wurde im byzantinischen Reich, in Bulgarien, in Serbien immer wieder verketzert und grausam bekämpft. So ließ der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos (1018-1116) den bogumilischen Gemeindevorsteher Basileios an den byzantinischen Hof nach Konstantinopel (heute Istanbul) rufen, angeblich, um sein Anhänger zu werden. In Wirklichkeit ließ er das Gespräch von hinter einem Vorhang versteckten Lauschern mitschreiben und die angereiste Delegation der Bogumilen anschließend von einem Inquisitionsgericht verurteilen und verbrennen. Bereits vor Alexios hatte sein Vorgänger Basileios II. (976-1025) dreißig Jahre lang Krieg gegen den westbulgarischen Zaren Samuel geführt, der mit den Bogumilen sympathisierte und ihnen Glaubensfreiheit gewährte. Nach der blutigen Schlacht von Kljutsch (1014) nahm das byzantinische Heer des Basileios 14.000 bulgarische Soldaten gefangen. Auf Befehl des byzantinischen Kaisers wurden allen Gefangenen die Augen ausgestochen; nur jedem Hundertsten wurde ein Auge belassen, damit er die übrigen heimführen konnte. Diese grausame Verstümmelung sollte offenbar eine Verhöhnung der bogumilischen Lehre des »inneren Lichtes« sein. Als Zar Samuel seine Soldaten so herankommen sah, starb er gebrochenen Herzens. Kaiser Basileios erhielt den Beinamen »Bulgaroktos«, Bulgarenschlächter, worauf er auch noch stolz war. Bis heute erinnert ein kleines Kloster am Vodoca-See (von »vadi oci«, Augen ausreißen) in der Nähe des Schlachtfeldes im heutigen Mazedonien an dieses Verbrechen. Auch die katholische Kirche bekämpfte die »Irrlehre« nach Kräften. Das Heer des vierten Kreuzzugs, der später statt des »heiligen Landes« das orthodoxe Byzanz erobern sollte, zog im Jahre 1202 von den Venezianern (die das Unternehmen finanziert hatten) zunächst gegen die dalmatinische Stadt Zadar im heutigen Kroatien; mit der Begründung, dort lebten »bogumilische Ketzer«. Mehrfach ließ der Papst »Ketzerkreuzzüge« gegen die Bogumilen ausrufen. Trotz aller Verfolgungen verbreitete sich die Lehre der »Gottesfreunde« jedoch weiter. Zeitweise fand sie für einige Jahrzehnte staatlichen Schutz ; so zu Beginn des 11. Jahrhunderts im westbulgarischen Reich (dem heutigen Mazedonien) um den Ohrid-See, oder im 13. und 14. Jahrhundert in Bosnien. Dort bildete das Bogumilentum zeitweise sogar eine Art Staatsreligion. Doch auch deren Tage waren gezählt. Als die Türken nach der Schlacht gegen die Serben auf dem Amselfeld (1389) auf dem Balkan weiter vordrangen, verweigerten die katholischen Nachbarn den bosnischen »Ketzern« jegliche Hilfe; es sei denn, sie wären zum Katholizismus übergetreten. Dazu waren die Bosnier jedoch nicht bereit. Die Türken rotteten die bosnische Oberschicht weitgehend aus; die einfachen Bauern begaben sich notgedrungen unter türkische Oberhoheit und nahmen in der Folgezeit fast alle den muslimischen Glauben an. Ihre Nachfahren sind die heutigen bosnischen Muslime. Doch die Kirche ahnte selbst, dass der im Bogumilentum wieder auferstandene Geist des Urchristentums nicht ausgelöscht werden kann. Papst Pius II. (1458-64) musste feststellen, dass die Kirche kaum jemals einer Bewegung so heftig und mit solch scharfen Mitteln entgegengetreten sei. Dennoch seien alle Anstrengungen der Kirche gegen diese »schlechten Menschen«, die sich »gute Christen« nennen, letztlich erfolglos geblieben. In der Tat: Bereits lange vor dem Ende der Bogumilen auf dem Balkan hatte die Lehre sich über ganz Europa verbreitet. Flüchtende Bogumilen setzten von Albanien nach Italien über. Andere fanden in der Ukraine und in Russland eine neue Heimat. Das berühmte orthodoxe Kloster auf dem Berg Athos in Griechenland war lange Zeit; bis ins 14. Jahrhundert hinein; ein Bollwerk des Bogumilentums. Große Gestalten der abendländischen Geistesgeschichte wie der römische Ketzer-Revolutionär Arnold von Brescia, der kalabresische Abt Joachim von Fiore, der Dichter Dante Alighieri könnten von Nachklängen dieser Bewegung beeinflusst worden sein. Sogar der von der katholischen Kirche vereinnahmte »Heilige« Franziskus von Assisi zeigte in seiner Naturverbundenheit und Schlichtheit eher bogumilische Züge ; schließlich wurde »sein« Orden der Franziskaner gegen seinen Willen gegründet, und seine treuesten Schüler (Spiritualen genannt) wurden zu Hunderten auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrannt. Vor allem aber steht fest, dass es intensive Kontakte zwischen den Bogumilen des Balkans und den Katharern Südfrankreichs und Italiens sowie den »Gottesfreunden« des Rheinlands gab.
und ihr alle beschwert euch über die Türken aber kein stück besser seid ihr