Krawalle in Mostar: In der geteilten Hauptstadt der Herzegowina sind Kroaten und Bosniaken nach dem EM-Viertelfinale aufeinander los gegangen.
Nach dem EM-Viertelfinale Kroatien gegen Türkei ist es am frühen Samstagmorgen in Mostar, der geteilten Hauptstadt der Herzegowina, zu schweren Ausschreitungen gekommen. Mehrere Dutzend Menschen, darunter vier Polizisten, wurden verletzt, wie Sprecher des örtlichen Krankenhauses bestätigten. Mehr als tausend Polizisten waren im Einsatz. Sie mussten jubelnde muslimische Bosniaken, die den Sieg ihrer türkischen Glaubensbrüder feierten, von enttäuschten Kroaten trennen.
Tränengas gegen Randalierer
Die Polizei setzte Tränengas gegen die Randalierer ein, die sich gegenseitig mit Steinen und Flaschen bewarfen und Autos und Schaufenster beschädigten. Augenzeugen berichteten auch von Schüssen aus Feuerwaffen. Es wurden keine Angaben über eventuelle Festnahmen gemacht.
Vier Jahrhunderte türkische Herrschaft
Bosnien und die Herzegowina standen über vier Jahrhunderte unter türkischer Herrschaft. Mostar ist seit dem Bosnien-Krieg 1992-95 geteilt: Im Osten leben muslimische Bosniaken, im Westen katholische Kroaten. Die Stadt war in der ersten Hälfte der 1990er Jahre Schauplatz schwerer Kampfhandlungen. Im kroatischen Stadtteil befand sich der Regierungssitz des illegalen Separatstaates "Herceg-Bosna", auf den die Kroaten im Dayton-Abkommen verzichten mussten. Von den rund 75.000 Einwohnern Mostars sind etwa zwei Drittel Bosniaken.
Die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Alte Brücke (Stari most) von Mostar, im 16. Jahrhundert im Auftrag von Sultan Süleyman II. ("Soliman der Prächtige") vom berühmten Baumeister Hayrudin über der Neretva erbaut, wurde 1993 von kroatischen Militärs zerstört und inzwischen wiederaufgebaut. Die Stadt, die vor dem Krieg den höchsten Anteil an ethnisch gemischten Ehen in ganz Jugoslawien aufwies, wurde als Symbol des Tito-Vielvölkerstaates von den Kriegsherren erbarmungslos beschossen.