i. Jihad ist nicht mit Terrorismus gleichzusetzen.
Im Gegensatz zu gebräuchlicher fehlerhafter Auffassung und Übersetzungen, bedeutet das Wort Jihad nicht “Heiliger Krieg” oder einen Krieg, welcher durch die Unterschiede in der Glaubensauffassung gerechtfertigt wäre. Das arabische Äquivalent von „Heiliger Krieg“ findet sich nirgendwo im Qur’an. Krieg ist in keiner Weise „heilig“ und wird im Qur’an als eine verhasste Tat beschrieben [2:216]. Der qur’anische arabische Begriff Jihad und seine Ableitungen bedeuten, sich in besonderem Maße anzustrengen und sich zu bemühen. Diese Begriffe werden im Qur’an und den Prophetenaussprüchen, den Ahadith, in drei verschiedenen Zusammenhängen verwendet:
· Erstens wird der innere Jihad angesprochen, der Kampf gegen die eigenen Unzulänglichkeiten des Selbst [22:77-78; 29:4-7];
· zweitens in Bezug auf einen gesellschaftlichen Jihad oder der gemeinschaftlichen Bemühung um Wahrheit, Gerechtigkeit und Wohlstand [25:52; 49:15]; und
· drittens in Bezug auf das Schlachtfeld, oftmals den Begriff Qital (kriegerisches Kämpfen) verwendenden. Dieser kriegerische Jihad ist im Qur’an der legitimierten Selbstverteidigung im Falle unprovozierter Aggression oder als Widerstand gegen schwere Unterdrückung, aus religiöser oder anderer Motivation, gestattet [2:190-194; 22:39-41]. Kein Vers des Qur’an, im korrekten geschichtlichen und textlichen Zusammenhang belassen, erlaubt das Bekämpfen anderer auf Grund deren Glaubens, Rasse oder Nationalität.
Mehrere zwingende Bedingungen müssen erfüllt sein, bevor der kriegerische Jihad begonnen werden darf.
Um mit der „verhassten Tat“ zu beginnen, darf Krieg nur als letztes Mittel, nach dem Scheitern aller anderen Bemühungen begonnen werden.
Weiters kann der Jihad nicht beliebig von Einzelpersonen oder einer Gruppe ausgerufen werden, sondern vielmehr nach eingehender Beratung durch eine legitimierte Autorität.
Und letztlich hat die Absicht der Muslime, welche sich am militärischen Jihad beteiligen, rein und unberührt von persönlichen oder nationalistischen Beweggründen zu bleiben. Außerdem haben für den Kriegsfall die Lehren des Propheten Muhammad – Friede sei mit ihm – und des ersten Kalifen Abu Bakr (r) eindeutige Richtlinien für das Verhalten der Kämpfer am Schlachtfeld festgelegt. Diese Richtlinien verbieten den Angriff auf Unbeteiligte, besonders alte und unbewaffnete Zivilisten, Kinder, Frauen und Geistliche sowie die Zerstörung von Infrastruktureinrichtungen. [Sunan Abi Dawood (Bab Al-Jihad); sowie Tareekh Al-Tabari].
Da Krieg nur als letztes Mittel gegen noch größeres Übel zum Einsatz gelangen soll, ist die allgemeine Regel und das Ideal für muslimisches Verhalten friedvolles Zusammenleben mit anderen Menschen in Güte und Gerechtigkeit [60:8-9]. Tatsächlich anerkennt der Qur’an die Pluralität, einschließlich religiöser Vielfalt innerhalb von menschlichen Gesellschaften als Teil des göttlichen Schöpfungsplans [10:19; 11:118-119]. Aus diesem Grund ruft Gott zu friedlicher und respektvoller Auseinandersetzung und Rede mit anderen Menschen auf, nicht zu erzwungener Bekehrung, sei dies nun durch Krieg oder andere gewaltvolle Zwangsmaßnahmen [2:256; 3:64; 16:125; 29:46].
Unglücklicherweise propagieren sowohl Extremisten als auch die Gegner des Islams, welche die Bedeutung des Wortes Jihad entstellen, eine falsche Vorstellung über Jihad, indem sie Begriffe wie „Jihadisten“ oder „islamischen Terror“ verwenden oder indem Terroristen sich auf den Jihad berufen. Solche Stereotypen und der Gebrauch von Ausdrücken wie „Islamischer Terrorist“ sind gerade so ungerechtfertigt wie die Bezeichnung von Timothy McVeigh als „Christlichen Terroristen“ oder zu behaupten, dass Angriffe auf Abtreibungskliniken als „christliche, terroristische Aktionen“ zu bezeichnen wären.
Im Verlauf muslimischer Geschichte passierte es, wie es mit ähnlichen Normen in anderen Gesellschaften und Zivilisationen ebenfalls geschah, dass die oben erwähnten Regeln für den Jihad zu verschiedensten Zeiten und in unterschiedlichstem Maße verletzt wurden. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die Islamische Lehre weder auf Handlungen einzelner Muslime in der Vergangenheit oder Gegenwart, noch auf vergangene oder gegenwärtige Missinterpretationen zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die moralischen Prinzipien, welche den ursprünglichen, authentischen islamischen Quellen eingeschrieben sind.
ii. Der Islam erachtet Menschen anderen Glaubens nicht als “Ungläubige” und befürwortet nicht Gewalt gegen sie.
Erstens bezeichnet der Begriff “Ungläubige” in etwa „jemanden, der keinem religiösen Glauben anhängt, einen Atheisten“. Diese Bezeichnung ist mit der qur’anischen Feststellung völlig unvereinbar, dass die „Völker der Schrift“, (Juden und Christen) an den gleichen universellen Gott wie die Muslime glauben [29:46]. Darüber hinaus ist „Ungläubiger“ eine falsche Übersetzung des arabischen Wortes „Kafir“, welches wörtlich jemanden bezeichnet, der „etwas verdeckt“ oder „zurückweist“ (einen Glauben, der mit dem eigenen unvereinbar erscheint). Dieser Begriff wird im Qur’an in unterschiedlichem Kontext gebraucht: in neutralem Sinne, wobei Bauern als Kuffar bezeichnet werden, welche die Samen mit Erde bedecken [57:20], in positivem Sinne, wobei das Fehlen jeglichen Glaubens an Gott und die Zurückweisung des Götzendienstes bezeichnet wird [2:256; 60:4]; an anderer Stelle ist damit die Weigerung einen Propheten anzuerkennen, ohne die Existenz Gott zu leugnen gemeint.
Zweitens wird nirgendwo im Qur’an zur Gewalt gegen jemanden, alleine aufgrund seiner Zurückweisung des Islams, aufgerufen [2:256; 88:21-22; 6:107-108; 42:48]. Sämtliche Verse, welche in diesem Zusammenhang durch eine „cut & paste“ Methodik aus dem Zusammenhang gerissen, zitiert werden (wie 9:5; 29; 123), beziehen sich auf eine bestimmte historische Wirklichkeit, in welcher sich Gruppen oder Völker mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund feindselig und aggressiv gegen die im Entstehen begriffene Gemeinschaft der Muslime in der Zeit des Propheten (Friede sei auf ihm) gewandt haben. Das Verständnis dieses geschichtlichen Zusammenhangs und die Anwendung sorgfältiger Textanalyse belassen keinen Zweifel, dass die Erlaubnis zurückzuschlagen nichts mit den religiösen Überzeugungen dieser Gruppen oder Völker zu tun hat, sondern auf deren Aggression und brutale Unterdrückung zurückzuführen ist; sie stellte eine Notwendigkeit für die staatliche Sicherheit dar.
Auch wenn einige Muslime diese eindeutigen qur’anischen Grenzen missachten, liefert der Islam weder eine Rechtfertigung für solche Taten, noch kann er dafür verantwortlich gemacht werden.
Drittens ist es als hinterlistige und irreführende Taktik zu bezeichnen, ausschließlich auf solche Verse hinzuweisen, welche sich mit den Möglichkeiten legitimer Selbstverteidigung befassen und jene Verse des Qur’ans zu ignorieren, die wiederholt und widerspruchsfrei die Unantastbarkeit menschlichen Lebens [5:32], den Respekt menschlicher Würde [17:70], Achtung der Pluralität, einschließlich der Pluralität religiöser Überzeugungen [5:48; 11:118], die friedliche Koexistenz mit allen Menschen [60:8-9], allgemeine und vorurteilslose Gerechtigkeit, selbst dem Feind gegenüber [4:135; 5:8], die Bruderschaft unter den Menschen [49:13] und die Barmherzigkeit gegenüber aller Schöpfung [21:107] betonen. Der Qur’an ist ein zusammenhängendes, in sich schlüssiges Buch und sollte nicht auf zerstückelnde Art interpretiert werden.
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http://www.fro.at/sendungen/islam/Isna.htm