In der Champions League geht es gegen seinen Ex-Club Bayern München, doch Turins Mittelfeldmann Hasan Salihamidzic muss verletzt zuschauen. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht er über sein Verhältnis zum FCB, über Brotzeiten mit Uli Hoeneß und die berühmte Juve-DNA.
SPIEGEL ONLINE: Hasan Salihamidzic, was schmerzt mehr: Die Sehnenscheidenentzündung oder der Ausfall für das Champions-League-Spiel gegen Ihren Ex-Club.
Salihamidzic: Beides. Mich plagte eine Sehnenentzündung, doch letzte Woche ging es mir schon wieder besser und ich stand gegen Genua im Kader. Weil ich in München unbedingt dabei sein wollte, habe ich also im Training ordentlich Gas gegeben - dann sind die Schmerzen wieder aufgetaucht, ein Einsatz ist unmöglich. Die totale Trauer, ich drehe durch, mir blutet immer noch das Herz. Doch Jammern hilft jetzt auch nichts. Das Spiel werde ich mir auf der Tribüne mit meinen Kumpels Jerry und Scholli (
den ehemaligen Bayern-Profis Jens Jeremies und Mehmet Scholl, Anm. d. Red.) anschauen.
SPIEGEL ONLINE: Beim Hamburger Sieg über die Bayern spielten am Wochenende Ihre beiden Ex-Teams gegeneinander - wem haben Sie die Daumen gedrückt?
Salihamidzic: Bayern natürlich. Ich habe die sechs Jahre beim HSV zwar in phantastischer Erinnerung. Doch die neun Jahre in München waren einfach die absolute Krönung.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind seit Dienstag mit Juventus Turin in München - wo wären Sie am liebsten zuerst hingegangen?
Salihamidzic: Sofort auf die Wiesn. Sie fehlt mir. Wir haben uns dort ja nicht besoffen, doch die Brotzeiten mit Uli Hoeneß und Jens Jeremies, Ente mit Knödel, Dampfnudeln - einfach genial.
SPIEGEL ONLINE: Was fehlt Ihnen sonst noch an Deutschland?
Salihamidzic: Das Schafkopfen. Ob Scholli, Hoeneß, Jeremies oder der Physiotherapeut - bei den Bayern haben wir in jeder Sekunde, in der Zeit war, gespielt. Im Bus haben wir sofort die Karten rausgeholt.
SPIEGEL ONLINE: Wie war Ihre erste Reaktion bei der Auslosung?
Salihamidzic: Da habe ich ebenfalls ausgelassen gejubelt und mich gleich beim Uli gemeldet. Auch meine Frau und die drei Kinder haben sich riesig gefreut. Wir kommen sozusagen wieder nach Hause.
SPIEGEL ONLINE: Sie emigrierten im Alter von 15 Jahren nach Deutschland, als in Bosnien der Krieg ausbrach. Wie lief das damals?
Salihamidzic: Ich wusste kaum etwas über Deutschland, konnte kein Wort Deutsch. Ein Freund meines Vaters, bei dem ich in Hamburg unterkam, half mir. Ich trainierte dann beim HSV, die sagten, dass ich bleiben könne.
SPIEGEL ONLINE: Bosnien, Deutschland, Italien, wo ist Ihre Heimat?
Salihamidzic: Ich fühle mich in Italien sehr wohl, Turin ist eine tolle Stadt, doch München hat mich am meisten geprägt. Dort habe ich geheiratet, dort sind meine drei Kinder geboren. Müsste ich jetzt entscheiden, ginge ich nach München zurück. Ich werde mich jedoch immer als Bosnier fühlen. Meine Eltern leben noch dort, mit ihnen stehe ich im täglichen Kontakt. Meine Frau ist übrigens Spanierin, also müssen unsere Kinder irgendwann selbst entscheiden, was sie Heimat oder Zuhause nennen.
SPIEGEL ONLINE: Italien gilt als fußballverrückt.
Salihamidzic: Das stimmt absolut. Egal, wo man hinkommt spricht der Italiener stets über drei Dinge: Fußball, Autos, Frauen - Calcio ist dabei die unangefochtene Nummer eins. Ob im Restaurant, in der Bäckerei oder auf der Straße - der Fußball ist überall. Diese Emotionslawine ist mit Deutschland nicht zu vergleichen. Ich finde sie lustig und spannend.
SPIEGEL ONLINE: Die Serie A besitzt mittlerweile im Ausland jedoch eine schlechte Reputation…
Salihamidzic: Das ist unglaublich traurig. Denn die Leute hier sind phantastisch, sie leben für den Calcio, für ihren Verein, mit unglaublich starken Emotionen. Und eine Minderheit vertreibt sie aus den Stadien. Diese Hooligans will ich nicht sehen, keiner will sie sehen - nicht in Italien, nicht in Deutschland, nirgendwo auf der Welt.