Samstag morgen in Sarajewo
Samstag morgen, Jugo, der sich auch in Sarajewo mit einer Temperatur von über 20 Grad bemerkbar mach, Zeit zum Einkaufen.
Da es auf den Musel-Märkten nach Einführung der Apartheitspolitik keinen knusprigen Schinkenspeck mehr gibt, gehen wir zu den Slowenen in den Mercator. Da mir diese Supermärkte nicht so liegen, lasse ich Frau und Kinder sich dort austoben, während ich mich - mit der OSLOBODJENJE bewaffnet - ins hauseigenen Cafe zurückziehe.
Obwohl das Cafe für 200 bis 300 Besucher angelegt ist, gleich die erste Enttäuschung: Anstatt eines Capucchino mit Kuchen gibt's zum Kaffe nur leere Regale. Der Ramadan hat auch bei den Slowenen zugeschlagen. Letztlich schlürfe ich in dem Riesen-Cafe zusammen mit einer älteren Dame, die 50 m von mir entfernt sitzt, einsam und fast allein meinen Kaffee und blättere in der Zeitung: Strom wird teurer, Muhamed Ali Gaši verhaftet usw....
Interessant wird's erst auf der fünften Seite, wo meine spezieller Freund Cerić seine Ramzanska hutba verbreiten darf. Es geht um die Sadaka, die Pflicht eines jeden Moslems,, freiwillig Geschenke an die Bedürftigen zu verteilen . Soweit so gut. Doch dann kommt's. Geschenke an die Armen allein tun's nämlich nicht. Wer ein richtiger Muselmann sein will, muss natürlich auch den "zekat" regelmäßig leisten, d.h. auf Deutsch, er muss ständig an die Islamska zajednica abdrücken, damit der Propagandaapparat finanziert werden kann. Aha, daher weht der Wind: Wer die IZ nicht mit Spenden verwöhnt, ist kein richtiger Moslem.
Meine Frage: Muss man für eine solche dumm-freche Botschaft extra auf den Ramadan warten? Das ist doch alltäglicher Unsinn.
Auf Seite 22 erfahre ich, dass Professor Robert Greenberg von der Yale University ein Buch über die Sprache und Identität auf dem Balkan geschrieben hat. Schön, aber dass Serbokroatisch nur aufgrund von Sprach-Ingeneering der Politiker auseinandergefallen ist, hätte ich auch ohne den Professor gewusst.
Am Ende dann das Interessanteste - die Wettervorhersage für den November:
Es bleibt warm die ersten Novembertage, der Schnee kommt erst gegen Ende des Monats.
Sarajewo am Samstag morgen - öde, öde und nochmal öde. Gottseidank fahre ich am Montag wieder ins Ausland und muss mir diese Ramadan-Misere nicht länger mitansehen.
Euer
FtheB