Janukowitsch hat damit argumentiert, dass das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine katastrophale wirtschaftliche Folgen für Letztere hätte. Die ukrainische Industrie wäre auf dem europäischen Markt nicht wettbewerbsfähig, was weniger mit der Qualität der Exporte zu tun hat. Dahinter stecken immer politische Entscheidungen. Dafür war die ukrainische Industrie auf den russischen Markt angewiesen. Sie hatte einen privilegierten Zugriff auf russische Rohstoffe. Ukrainische Zulieferer haben zollfrei nach Russland exportieren dürfen. All das wäre mit dem Assoziierungsabkommen zunichte gemacht worden. Vor allem in den Industrieregionen im Osten, also Donbass, wurden Stimmen dagegen laut, weil die Menschen Angst hatten, "in der EU Klos putzen zu müssen." Das mag Einigen zwar irrational und hysterisch erscheinen, man sollte aber nicht vergessen, dass es schließlich allen Osteuropäern so ergangen ist. Billige Arbeitskräfte aus den neuen EU-Staaten haben ganz Europa überflutet. Ganze Landstriche in Ländern wie Bulgarien und Rumänien wurden entvölkert. Für die Ukraine hätte diese "Annäherung" an die EU noch fatalere Folgen, denn die Ukraine ist vergleichsweise nach wie vor hochindustrialisiert gewesen und kann auch mit einem überdurchschnittlich gut ausgebildeten Reservoir an Fachkräften aufwarten und um genau das geht es der "Kern-EU": dem Brain Drain.
Dass viele Menschen damals mit EU-Fahnen auf dem Majdan marschiert sind, ist trotzdem verständlich. Wie alle Osteuropäer, haben auch die Ukrainer in einer Annäherung und bestenfalls einem EU-Beitritt eine bessere Zukunft für sich gesehen. Die Menschen haben genug von der Korruption und von den Oligarchen, die wie Mafiabosse die einzelnen Oblasts unter sich aufgeteilt haben. In der Ukraine herrschen Zustände wie im Russland der 90er Jahre. Westliche Medien haben darüber regelrecht berichtet und die Ukraine zum korruptesten Staat Europas erklärt, um sie alsdann zur Hüterin "unserer Werte" umzudeuten. Es stimmt, dass die Majdan-Proteste von einer aus Neonazis bestehenden Minderheit unterwandert wurden. Es wurde bis heute nicht ermittelt, wer hinten den Scharfschützen stand, die auf Polizisten und friedliche Demonstrantenr das Feuer eröffnet hatten. Aber auf genau diese extremistische Minderheit stützen sich die Neocons in Washington, angeführt von Victoria Nuland, die als Jüdin keinerlei Probleme damit hat, die schlimmsten Neonazis "ihre Jungs" zu nennen. Der Oligarch Ihor Kolomojskyj, einstiger Sponsor Selenskijs, der es sich mit dem Westen aufgrund dubioser Bankgeschäfte verscherzt hat, nannte sich selbst einen "jüdischen Banderisten" und stand auch hinter der Aufstellung der, aus Neonazis und rechtsextremen Fussballhooligans bestehenden, Dnipro- und Asow-Freiwilligenbataillons.
Die meisten Ukrainer können mit dieser Naziideologie natürlich nichts anfangen. Sie wollten Frieden in ihrem Land und genau deshalb hat Selenskij damals die Wahlen gewonnen, weil er sich für eine Aussöhnung mit der Ostukraine eingesetzt hat. Auch wenn er diese Position aufrichtig vertreten hat, blieb davon nichts übrig, sobald er das Amt übernommen hatte. Das liegt womöglich auch an den Drohungen der Neonazis, die von der Implementierung des Minsker Abkommens nichts wissen wollten und stattdessen den Donbass unterunterbrochen beschossen haben. Ich wette, Seleneskij wünscht sich, er wäre nie Präsident geworden. Er sieht wie eine Geisel aus und ist es wahrscheinlich auch. Der Westen hat die Ukraine in eine Katastrophe gestürzt, nur um Russland zu schwächen. Man ist nicht pro-Ukraine, sondern anti-Russland. Wie viele Ukrainer in diesem sinnlosen Krieg sterben, interessiert hier niemanden, solange wir nicht sterben müssen und so viele Russen wie möglich draufgehen. Ich habe gestern gelesen, dass angeblich 47.000 Russen gefallen sind. Russische und pro-russische Quellen gehen von 30.000 Gefallenen aus. Das sind furchtbare Zahlen in gerade mal etwas mehr als einem Jahr, doch verhältnismäßig klein im Vergleich zu den 300.000+ gefallenen Ukrainern, die für den "Wertewesten" sterben. Wer wird dieses Land für diese demografische Katastrophe jemals entschädigen? Was ist mit den Millionen Ukrainern, die das Land wahrscheinlich für immer verlassen haben? Ja, Russland ist in fremdes Staatsgebiet einmarschiert. Würde das Völkerrecht tatsächlich was bedeuten, wäre das ein illegaler Angriffskrieg. Dass das Völkerrecht aber dem Recht des Stärkeren unterliegt, haben wir auch am Beispiel der westliche Kriege gegen Afghanistan, den Irak, Syrien und Libyen gesehen. Der Rest der Welt ist sich der westlichen Heuchelei mehr als bewusst und weigert sich deshalb, Russland zu verurteilen, zumindest in dem Ausmaß, das vom Westen erwartet wird. Auch wer die Tatsäche ausblendet, dass die NATO acht Jahre lang ein ukrainisches Heer ausgebildet und ausgerüstet hat, das einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen soll, und das 70.000 Soldaten an der Kontaktzone zusammengezogen hat, um einen Angriff gegen die "Volksrepubliken" zu starten, hat die Zusammenhänge und Hintergründe entweder nicht begriffen oder ist an einer ehrlichen Aufarbeitung nicht interessiert. Es müsste doch spätestens seit der Aussage Angela Merkels, man "habe das Minsker Abkommen nie ernsthaft in Erwägung gezogen, sondern wollte damit der Ukraine Zeit zur Aufrüstung verschaffen", klar sein, dass eine solche Missachtung von internationalen Vereinbarungen katastrophale Folgen haben kann und auch hatte. Diplomatie war schon immer die Kunst der Schachzüge und Täuschungen und gehört nun mal zu den Spielregeln der eigenen Interessenvertretung. Doch auch hier muss ein Mindestmaß an Aufrichtigkeit und gegenseitigem Respekt bestehen und dafür gibt es so etwas wie Verträge und Abkommen. Wenn auch diese missachtet und einseitig gebrochen werden, kann es schon mal dazu führen, dass "der Krieg zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" wird, wie Clausewitz sagen würde.