[h3]Nach dem Minarett soll die Burka verboten werden. Stehen dahinter berechtigte Sorgen oder nur billige Islam-Hetze? [/h3]
Der Ruf nach einem Burka-Verbot wird immer lauter. Entfachen konservative Kreise damit eine Polemik um ein Problem, das in der Schweiz keines ist? Lanciert hat die aktuelle Debatte der Aargauer Grossrat der Schweizer Demokraten, René Kunz. Er stellte den Antrag zur Ausarbeitung einer Standesinitiative, die vom Bund ein schweizweites Burka-Verbot im öffentlichen Raum fordert.
Das Aargauer Kantonsparlament erklärte den Vorstoss am Dienstag mit 89 gegen 33 Stimmen für erheblich. Widerstand leisteten nur SP und die Grünen. Ähnliche Vorstösse werden in Kürze auch die Parlamente der Kantone Bern und Solothurn diskutieren.
Die Frage stellt sich jedoch, ob es in der Schweiz tatsächlich ein Burka-Problem gibt. Nein, ist der Berner Islamwissenschaftler Reinhard Schulze überzeugt. Er habe in der Schweiz noch keine Burka-Trägerin gesehen, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Islam-Hetze oder berechtigtes Frauenanliegen?
Bei der Diskussion um den Ganzkörper-Schleier handle es sich um eine Skandalisierung des Islam, bei der gewisse Medien eine bedenkliche Rolle spielten. Bestimmte Aspekte des Islam liessen sich gut in einfache Nachrichten fassen, sagte Schulze. In der Öffentlichkeit falle dadurch rasch ein Urteil, das mit der Realität nichts zu tun habe.
Im Aargauer Kantonsparlament wurde jedoch moniert, die Burka sei ein «Machtsymbol der Dominanz des Mannes über die Frau».
Eine Meinung, die alt CVP-Nationalrätin Rosmarie Zapfl teilt. Aber: Der Ganzkörper-Schleier sei einfach der sichtbare Teil der Diskriminierung, welcher die Frauen ausgesetzt seien.
Dahinter stünden viel schwerwiegendere Mechanismen der Unterdrückung wie Zwangsheirat oder Beschneidungenen, sagte die Präsidentin des Frauendachverbandes alliance F gegenüber der SDA. Und dabei handle es sich um schwere Menschenrechtsverletzungen.
Ein Burka-Verbot könne diesen zwar nicht Einhalt gebieten. «Man kann aber ein Zeichen setzen und sagen: Bis hier und nicht weiter!», sagte Zapfl. Dass damit auch jene Frauen eingeschränkt werden, die freiwillig eine Burka tragen, nimmt Zapfl in Kauf.
Eine Haltung, die Amnesty International heftig kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation hält ein Burka-Verbot für weder angemessen noch ein Schritt für mehr Frauenrechte. Ein generelles Verbot beschneide die freie Meinungsäusserung sowie die Religionsausübung von Frauen, die freiwillig einen Schleier oder eine Burka tragen würden.
Konservative machen mobil
Der Lausanner Politikwissenschafter Georg Lutz sieht in der Diskussion um ein Burka-Verbot ein «hochgradig symbolisches Problem», wie er gegenüber der SDA sagte. Er vermutet, dass darin «das national-konservative Element viel relevanter» sein wird als Frauen, die ebenfalls ein Verbot fordern.
Dies habe der Konflikt um das Minarett-Verbot gezeigt. Eine andere Frage sei, ob sich ein solches Verbot politisch überhaupt durchsetzen lasse. «Geht es an die Umsetzung, müssen Politiker sich fragen, was das Verbot konkret heissen würde, zum Beispiel für das Tragen von Kopftüchern oder für Nonnen», sagte Lutz gegenüber der SDA.
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«Es geht hier nicht wirklich um die Burka»
Nationalrat Daniel Vischer, Grüne, zu 20 Minuten: «Zielt das Burkaverbot auf den Islam insgesamt oder nur auf die Burka? Da die Burka in der Schweiz keine Rolle spielt, kann es nicht wirklich um die Burka gehen. Ein Teil der Politik schürt eine Anti-Islam-Stimmung. Dabei ist das Zusammenleben mit den Muslimen in der Schweiz eher ein Erfolgsmodell als ein handfestes Problem. Wer gegen das Burkaverbot ist, verteidigt nicht die Burka, sondern einen Grundzug unseres liberalen Gesellschaftssystems. Es kennt keine Vorschriften, wie Menschen sich anzuziehen haben, und respektiert andere Religionen, so fremd sie uns auch sind. Natürlich ist die Burka auch ein frauenfeindliches Kleidungsstück. Mit einem Verbot ändern wir daran aber nichts, sondern verbannen die Burka nur aus der Öffentlichkeit. Die Unterdrückung der Frau ändert sich einzig durch die offene Auseinandersetzung der muslimischen Menschen mit der hiesigen Wirklichkeit.»
«Die Burka ist ein rein politisches Symbol»
Philipp Müller, FDP, zu 20 Minuten: «In Frankreich haben Umfragen ergeben, dass über drei Viertel aller Mädchen und Frauen, die sich verhüllen, dies nicht freiwillig tun, sondern aus Angst vor radikalislamistischen Exponenten. Die Burka ist ein textiles Gefängnis. Gemäss führenden Islamgelehrten ist sie im Koran nicht vorgeschrieben. Die Burka ist deshalb ein rein politisches Symbol für den radikalen Islam. Und diese Radikalisierung, die sich in der Schweiz etwa in den Auftritten des Islamischen Zentralrats gezeigt hat, muss gestoppt werden. Bei der aktuellen Diskussion geht es darüber hinaus um eine Wertediskussion, die in der Schweiz endlich anfängt. Mag sein, dass die Burka-Debatte Symbolcharakter hat, das war bei der Minarett-Initiative aber ebenfalls so und dasselbe gilt auch für die Boni-Debatte. Wichtig ist einfach, dass wir diese längst fällige Diskussion über unsere schweizerische und über die europäische Identität jetzt führen.»
quelle:
20 Minuten Online - Was steckt hinter dem Burka-Verbot? - Schweiz